Dr. Roman Sieler vom SFB 1070 „RessourcenKulturen“ verbringt durchschnittlich die Hälfte des Jahres in Indien. Der Ethnologe forscht dort im Rahmen des SFB-Teilprojektes „Der Ressourcenkomplex Gesundheit und Körper am Beispiel der Unani Medizin in Südindien“.
Feldforschung bedeutet für den Ethnologen Sieler, mit Menschen in Kontakt zu treten, qualitative Interviews durchzuführen und vor allem an ihrem Alltag teilzunehmen. Die ‚Teilnehmende Beobachtung‘ stellt für ihn die wichtigste Methode dar. Dabei werden gar keine Fragen gestellt, sondern man versucht am Alltag der Menschen – der „Partner der Forschung“, wie Sieler sie nennt, in diesem Fall Ärzte und Patienten – soweit wie möglich teilzuhaben, indem man sie begleitet und beobachtet. Das kann auch komplett ohne verbale Kommunikation ablaufen. „Der Hintergrund der Teilnahme ist, dass man durch die Erfahrung des Nachmachens und Mitmachens viele Sachen versteht, die man durch reines Erfragen wahrscheinlich weniger begreift. Dafür braucht es Zeit und Geduld“, so Sieler. Oft begleitet er seine Partner den ganzen Tag lang oder auch mehrere Tage nacheinander.
In Südindien begleitete er vor allem Siddha-Ärzte und assistierte bei der Herstellung von Medikamenten: „Ich habe selbst gemörsert oder geholfen, eine Pflanze zu sammeln, und habe bei der Herstellung zumindest zuhören, zuschauen, zum Teil auch assistieren dürfen. Das mögen die Menschen sehr. Wenn sie merken, eine Person steht hier nur rum, dann kann sie nach ihrer Vorstellung auch aktiv etwas machen. Das Ideal der ‚Teilnehmenden Beobachtung’ ist: Teilnehmen wenn möglich, Beobachtung, wenn es nicht mehr möglich ist“, sagt Sieler.
Oft geht es den Ärzten, die er besucht, darum, zu sagen, dass die sogenannte traditionelle Medizin auch sehr modern sein kann: „Ich bin kein Mediziner, das heißt, ich kann den medizinischen Aspekt nicht beurteilen. Ich kann aber als Ethnologe empirisch sagen: Diese Medizinsysteme scheinen sehr wohl eine Relevanz in der heutigen indischen Gesellschaft zu haben. Ich sehe das, wenn ich in Indien zu einem Arzt gehe, und seine Praxis platzt von früh bis spät aus allen Nähten. Solch eine Behandlungsmethode hat dann in ihrem spezifischen Kontext ihre eigene Wichtigkeit und Berechtigung.“
Trotzdem nimmt die klassische Schulmedizin einen größeren Stellenwert als andere Systeme ein. Auch in Indien ist sie das System, das vom Staat strukturell und vor allem finanziell unterstützt wird. In den öffentlichen Krankenhäusern, den Government Hospitals, ist die Behandlung sogar umsonst. Dabei ist, wie Sieler betont, Schulmedizin nicht gleich Schulmedizin. In einem indischen Krankenhaus gibt es durchaus andere Behandlungsmethoden, andere Medikamente und andere Abläufe als beispielsweise in einem deutschen. Die traditionellen Medizinsysteme existieren in Indien neben der Schulmedizin. Roman Sieler macht das am Beispiel der Heilkunst Ayurveda fest, die man hierzulande nur in abgewandelter Form als Wellness- und Spa-Phänomen zur Entgiftung und Entschlackung kennt: „Man kann sich bei uns kaum vorstellen, dass man mit einer schwerwiegenden Krankheit wie zum Beispiel Krebs, auch eine ayurvedische Behandlungsmethode finden kann. In Indien gibt es das dagegen relativ häufig. Diese Medizinsysteme verstehen sich dort als komplette, ganzheitliche Gesundheitssysteme.“
Zu den traditionellen Medizinsystemen in Indien gehören neben Ayurveda, das im ganzen Land zu finden ist, Unani und Siddha. Unani kommt vom arabischen Wort yūnānī, was ‚griechisch’ bedeutet. Es hat Wurzeln in der antiken griechischen Medizin und Philosophie. Namen wie Hippokrates, Sokrates und Aristoteles sind nach wie vor präsent, auch in den Colleges, die es für Unani-Medizin in Indien gibt. Aus dem griechischen Raum kommend, wurde diese Medizin im arabischen und persischen Raum weiterentwickelt und durch die Moguln nach Indien gebracht. Hier breitete sich Unani aus und nahm dabei viel lokales Wissen um Pflanzen aus dortigen Medizinsystemen, gerade aus der ayurvedischen Theorie, auf. Darum wird es auch als graeco-islamisches Medizinsystem bezeichnet und vor allem von Menschen muslimischen Glaubens praktiziert und genutzt.
Siddha weist in Bezug auf die Verfahren und Pflanzen, die genutzt werden, nur wenige Unterschiede zum Ayurveda auf. Eine deutliche Abgrenzung gibt es aber bei den Texten, denn diese sind in der Siddha-Medizin in Tamil verfasst, der Sprache der Tamilen, die im Südosten Indiens im Bundesstaat Tamil Nadu leben. Bestrebungen, Hindi, das vor allem in Nord- und Zentralindien gesprochen wird, als Einheitssprache einzuführen, führten vor allem in Tamil Nadu zu sezessionistischen Tendenzen. Die Tamilen haben eigene Parteien und mit Siddha auch eine eigene Medizin: „In Deutschland denken wir oft, bei Medizin dreht es sich nur um das Kranksein und das Gesundwerden. Aber wenn man sich die Siddha-Medizin anschaut, dann geht es dort auch um identitätspolitische oder regionalpolitische Einflüsse und Strömungen. Für die Ärzte und für viele Patienten ist es wichtig, sagen zu können: Das ist unsere Medizin, wir haben etwas Eigenes. Das ist unser kulturell wichtiges Gut, das wir für uns bewahren und weiterentwickeln wollen.“
Aus den beschriebenen Gründen haben sich die Medizinsysteme Indiens auseinander entwickelt. Am Anfang des Medizinstudiums können Studierende sich aussuchen, ob sie klassische Schulmedizin, Ayurveda, Unani oder Siddha studieren wollen. Das Studium dauert bei allen Richtungen vier Jahre plus ein Jahr Praktikum und am Ende steht ein vergleichbarer Abschluss. Im Englischen heißt dieser Bachelor of medicine and Bachelor of Surgery (MBBS). Für Siddha, Unani und Ayurveda wurden entsprechend ähnliche Kurse entwickelt. So kann man mit einem Bachelor in Siddha Medicine and Surgery (BSMS) oder einem Bachelor in Ayurvedic Medicine and Surgery (BAMS) abschließen. Für Unani gilt dasselbe. „Insofern könnte man heutzutage auch von Siddha-Ärzten, also Doktor Siddha reden, aber es gibt auch Siddha-Heiler, die vom Vater unterrichtet wurden, oder von einem anderen Guru, der als sehr weise und sehr bewandert in vielen Feldern gilt“, sagt Roman Sieler. Sein Fazit: „Die indischen Medizinsysteme prägt vor allem eines: ihre Vielfalt.“
Sven Kadegge
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