„Das wissenschaftliche Hauptziel der Mission ist es, die Struktur des Universums auf größten Skalen zu beobachten und die gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen, um mehr über die Eigenschaften der ‚dunklen Energie‘ und der ‚dunklen Materie’ zu lernen, also der nicht sichtbaren und nur schwer nachweisbaren Bestandteile des Universums“, erklärt Professor Andrea Santangelo, Leiter der Arbeitsgruppe für Hochenergieastrophysik an der Universität Tübingen. „Röntgenstrahlung aus dem All ist für diese Beobachtungen besonders gut geeignet, da sie in großem Maß durch das heiße Gas in Galaxienhaufen erzeugt wird, den massereichsten Strukturen, die wir im Universum kennen. Wir werden tausende dieser Galaxienhaufen bei unterschiedlichen Rotverschiebungen, das heißt über riesige Distanzen verteilt, beobachten. Dadurch können wir ihre Wachstumsgeschichte im Laufe der Zeit rekonstruieren. Diese wiederum reagiert sehr empfindlich auf die Eigenschaften von dunkler Energie und dunkler Materie. Aber eROSITA wird auch noch Millionen weiterer, bisher unbekannter Röntgenquellen im All aufspüren, was ein ganz neues Bild unseres Universums generieren wird.”
"Die Eigenschaften der dunklen Energie und dunklen Materie zu untersuchen erfordert ein sehr empfindliches Teleskop”, fasst Dr. Chris Tenzer von der Universität Tübingen die technischen Details zusammen: "eROSITA besteht eigentlich aus sieben einzelnen Teleskopen, die jeweils ein Spiegelmodul mit 54 verschachtelten Spiegelschalen und eine Röntgenkamera im Fokus kombinieren. Die Oberfläche jeder Spiegelschale muss extrem glatt sein – die Oberflächenrauigkeit beträgt 0,3 Nanometer – und ist mit Gold beschichtet, um das Reflexionsvermögen für einen streifenden Einfall der Röntgenstrahlen zu erhöhen. Die am MPE entwickelten speziellen Röntgenkameras enthalten extrem empfindliche CCD-Sensoren aus hochreinem Silizium für ein Sichtfeld der Teleskope mit einem Durchmesser von 1 Grad."
Dieses große Sichtfeld wird es eROSITA ermöglichen, die erste vollständige Himmelskarte im mittleren Röntgenbereich bis 10 keV mit bisher unerreichter spektraler und räumlicher Auflösung durchzuführen. Etwa drei Monate nach dem Start wird das Teleskop seinen Zielorbit um L2, den zweiten Lagrangepunkt des Erde-Sonne-Systems, erreichen. Ein Orbit um L2 ist ideal für den geplanten Scan des Himmels: das Teleskop dreht sich langsam um sich selbst und die Erde bedeckt im Gegensatz zu einem erdnahen Orbit nicht einen Großteil des Himmels. Zudem ist es einfacher, die Kameras auf einer konstanten Temperatur zu halten (-85°C), weil die Sonneneinstrahlung relativ konstant ist. Nach Positionierung, Kalibrierung und Funktionstests wird eRosita die nächsten vier Jahre den Himmel scannen, wobei in sechs Monaten eine komplette Karte des gesamten Himmels entsteht und durch nachfolgende Beobachtungen vertieft wird. Im Anschluss werden noch mehrere Jahre lang gezielte Beobachtungen der neu entdeckten Objekte möglich sein.
Der Tübinger Beitrag zum eROSITA Teleskop umfasst mechanische Teile, die in der Werkstatt des IAAT gefertigt wurden, sowie Teile der Software und Firmware zur Analyse der wissenschaftlichen Daten. Auch in den Arbeitsgruppen, die sich auf die Analyse der Beobachtungen vorbereitet haben, sind die Tübinger Wissenschaftler stark vertreten und hoffen nun auf eine erfolgreiche Inbetriebnahme des Teleskops.
Maximilian von Platen
Fotos
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