Arbeiten von zu Hause: Für die einen bringt es Ruhe und Konzentration, die anderen vermissen genau das, weil sie ihre Kinder daheim betreuen müssen. Manche würden den Schreibtisch auch gerne gegen die Laborbank tauschen. Die Bedürfnisse und Bedingungen im Homeoffice sind so unterschiedlich wie die Menschen und Tätigkeitsbereiche an der Universität. In einer Sache sind sich die Beschäftigten aus den verschiedenen Bereichen aber einig: Allen fehlt der direkte Austausch im Kollegenkreis oder mit Studierenden.
Nicole Sauer leitet die Abteilung „Austauschprogramme“ im International Office der zentralen Verwaltung.
Das Gegenteil ist der Fall. Wir müssen uns um die Studierenden kümmern, die gerade im Ausland sind. Können, müssen wir sie zwingen, nach Hause zu kommen? Dürfen sie gleichzeitig Kurse an den Gastuniversitäten und hier belegen und beides anrechnen lassen? Dann gibt es die Studierenden, die im Sommer bzw. Herbst im Ausland studieren wollen und nun nicht wissen, ob ihr Austausch stattfindet und wie sie weiter planen sollen. Können Stipendien ggf. ins nächste Jahr verschoben werden? Die dritte Gruppe sind diejenigen aus dem Ausland, die im Sommersemester in Tübingen studieren wollen und darauf angewiesen sind, Kurse bei uns zu belegen, um nicht ein Semester zu verlieren. Sie müssten sonst an ihren Heimatuniversitäten hohe Studiengebühren für ein weiteres Semester bezahlen – das können locker über 20.000 Euro sein. Bei allen Gruppen gibt es zahlreiche Fragen, aber keine fertigen Antworten.
Der unmittelbare Austausch mit Kollegen, das „Mal kurz nachfragen“ im Nachbarbüro und die persönlichen Kontakte zu den Studierenden. Zudem fehlt mir eine gute technische Ausstattung mit Uni-Laptop und z.B. einem Scanner.
Ein sehr konzentriertes und ökonomischeres Arbeiten. Es gibt weniger Unterbrechungen, z.B. durchs Telefon oder unangemeldeten Besuch. Und: Virtuelle Meetings sind im Vergleich zu realen Meetings meist kürzer und effektiver.
Die Beratung findet weiterhin virtuell statt, sie ist per E-Mail aber ein wenig aufwendiger als in der Sprechstunde: Es gibt oft Rückfragen, die man abwarten und beantworten muss. Unsere Infoveranstaltungen zum Auslandssemester werden nicht stattfinden können und wir überlegen, wie wir das am besten mit digitalen Formaten auffangen.
Auf jeden Fall! Positiv ist, dass die Digitalisierung schneller vorangetrieben wird. Wir versuchen, baldmöglichst komplett auf Online-Bewerbungen für Austauschstudierende umzustellen und künftig regelmäßig Online-Sprechstunden anzubieten. Zudem finde ich positiv, dass wir alle merken, dass Homeoffice hervorragend funktioniert. Es wäre schön, wenn dies auch zukünftig für einzelne Tage eine Option wäre.
Viele Tübinger Studierende im Ausland wollten nach Hause kommen, manche bewusst im Ausland bleiben, manche stecken noch im Ausland fest. Von den Studierenden, die im Summer hier studieren wollten, sind rund zwei Drittel wieder abgereist, ein Drittel ist geblieben oder möchte baldmöglich wieder anreisen.
Volker Leppin ist Professor für Kirchengeschichte und Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät.
Für Professoren ist die derzeitige Situation in mancher Hinsicht ein Geschenk. Natürlich habe ich als Dekan vieles zusätzlich zu tun, aber trotzdem habe ich in der Summe viel mehr Zeit als sonst, dauerhaft und in Ruhe am Schreibtisch zu sitzen, werde nicht von Terminen gehetzt oder durch Tagungs- und Vortragsreisen unterbrochen.
Die Studierenden, der direkte Kontakt mit interessierten jungen Menschen. Wir leben ja vom Austausch – und dazu braucht man auch Gespräche, die nicht medial vermittelt sind. Ein Blick sagt bekanntlich mehr als tausend Worte – und Blicke auf Skype sind andere als im direkten Kontakt. Das Zwischentönige fällt weg, das oft sehr wichtig ist. Und: Ich bin ein ziemlich reisefreudiger Mensch. Das ist in diesen Zeiten eine eher ungünstige Eigenschaft.
Auch meine Vorlesungen leben von Interaktion: Ich sehe, wie Studis mitgehen oder nicht, merke, ob ich noch einmal etwas erklären oder mal einen Scherz loswerden muss, damit alle wieder dabei sind. Das geht per Video nicht. Aber ich finde es auch spannend, Neues auszuprobieren und manches vielleicht in künftige Semester mitzunehmen.
Gesamtgesellschaftlich sehe ich die Chance auf einen Wertewandel: Meine Generation hat erlebt, wie Helmut Kohls „geistig-moralische Wende" rasch zur durchgreifenden Ökonomisierung aller Gesellschaftsbereiche heruntergebrochen wurde. Alles, selbst Universitäten, in manchen Bereichen sogar Kirchen, muss sich ökonomischen Evaluierungskriterien unterwerfen. Auch die Grenzen, an die das Gesundheitssystem international stößt, haben damit zu tun, dass hier über Jahrzehnte hinweg Patienten zu Kunden gemacht wurden – und gleichzeitig ausgerechnet an dem Pflegepersonal, das sich jetzt für uns alle aufopfert, in unverantwortlicher Weise gespart wurde. Jetzt gibt es einen klaren gesellschaftlichen Konsens, dass Menschenleben, oder zugespitzter: dass die Solidarität zwischen den Generationen wichtiger ist als wirtschaftliche Fragen. Vielleicht nehmen wir diese Rückbesinnung auf die grundlegenden Werte unserer Gesellschaft auch in die Nach-Corona-Zeit mit. Dann wird unser Leben etwas menschlicher.
Das Theologicum ist seit 18. März für Studierende und anderen Publikumsverkehr nur auf Anmeldung geöffnet. Der Zutritt zum Gebäude für Beschäftigte ist weiterhin frei.
Natascha Bartlick ist Doktorandin am Interfakultären Institut für Biochemie.
Ich müsste derzeit eigentlich dringend im Labor experimentieren, aber ich betreue meinen 4-jährigen Sohn daheim. Da meine Laborarbeiten es erfordern, mehrere Tage am Stück für einige Stunden zu experimentieren, kann ich auch nicht auf Abendstunden oder das Wochenende ausweichen wie einige meiner Kollegen. Abgesehen davon kann ich mit meinem Laptop aber normal arbeiten, d.h. zumindest Bürotätigkeiten sind möglich.
Ruhe. Es ist schwer, sich auf wissenschaftliche Artikel zu konzentrieren, wenn man nebenbei die Bedürfnisse nach Aufmerksamkeit eines Kindes stillen muss. Ansonsten fehlt mir der Austausch mit meinen Kollegen. Wir treffen uns zwar ein- bis zweimal pro Woche zu einem virtuellen Labormeeting, aber das kann die täglichen Diskussionen im Labor nicht ersetzen.
Sie gibt mir die Möglichkeit, einen Review-Artikel zu verfassen, den ich normalerweisen nicht schreiben würde. Außerdem habe ich die Zeit, mich eingehend mit der Literatur zu meiner Arbeit zu befassen – das kommt im Laboralltag sonst zu kurz. Natürlich ist es auch schön, meinen Sohn in seinem Alltag zu begleiten, den ich in der Kita-Woche sonst kaum mitverfolgen kann.
Ich sollte eigentlich nach Ostern eine Bachelorarbeit betreuen. Solange ich jedoch wegen der geschlossenen Kindergärten gezwungen bin, zuhause zu arbeiten, ist das nicht realisierbar.
Ich muss gestehen, dass ich dieser Krise nur wenig Positives abringen kann. Ich freue mich schon auf die Rückkehr zum Laboralltag. Im Hinblick auf die Studierenden wäre es allerdings auch für die Zukunft sinnvoll, Vorlesungsmaterialien digital bereitzustellen. So könnten Studierende auch in „normalen“ Zeiten von Aufnahmen oder detaillierten Mitschriften profitieren, zum Beispiel im Krankheitsfall.
Wegen der geltenden Abstands- und Raumnutzungsregelungen können Laborarbeiten nur eingeschränkt stattfinden.
Tina Schäfer
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