Active engagement instead of dry theory (English version)
Akademische Theorien praktisch anwenden, sich gesellschaftlich engagieren, dabei ECTS-Punkte erhalten und noch dazu internationale Erfahrung sammeln – das alles bietet das „Micro-Programme Civic Engagement“. Das Angebot ist Teil des Transdisciplinary Course Program (TCP) der Universität, in dem Studierende überfachliche Schlüsselqualifikationen erwerben können – eine Anforderung, die im Tübinger Curriculum fest verankert ist. Studierende sollen nicht nur fachwissenschaftlich ausgebildet werden, sondern auch lernen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, sagt Dr. Iris-Niki Nikolopoulos, Leiterin des TCP. Bis zu 15 Credits können Studierende für gesellschaftliches Engagement erhalten. Ein entsprechendes Zertifikatsprogramm „Gesellschaftliches Engagement“ gibt es schon lange. Das Micro-Programm, das im Rahmen der CIVIS-Allianz entstanden ist, füge dem eine internationale Dimension hinzu, erklärt die Programmkoordinatorin Franziska Müller.
Organisiert wird das Programm von den Universitäten in Athen, Bukarest, Madrid und Tübingen. Studierende aller elf CIVIS-Partner können an ausgewählten Kursen dieser Hochschulen teilnehmen; Unterrichtssprache ist überwiegend Englisch. Das Micro-Programm, das bereits im fünften Jahr angeboten wird, ist modular aufgebaut und sehr praxisnah: Die Basis bildet ein BIP, also ein „Blended-Intensive Programme“, das Online-Lehre mit einer einwöchigen Präsenzphase kombiniert. Das Seminar vermittelt zunächst Grundlagen: Wie definiert man gesellschaftliches Engagement, und warum ist es etwa in Rumänien anders als in Deutschland oder Griechenland? Was bedeutet es ökonomisch? In der Präsenzphase stehen praktische Fallbeispiele im Mittelpunkt. In den vergangenen Jahren haben die Studierenden zum Thema „Nachhaltiger Tourismus“ in Rumänien gearbeitet, mit Besuchen in Kommunen vor Ort. In diesem Jahr werden sie im BIP „Civic Engagement and Football“ untersuchen, wie Fußball in Regionen, die von strukturellen Herausforderungen geprägt sind, identitätsstiftend und integrativ wirken kann. Die Präsenzphase findet im Ruhrgebiet statt.
Zweiter Programm-Baustein ist ein Online-Seminar im Sinne des Service-Learning. „Hier arbeiten Studierende an Projekten mit Praxiseinrichtungen aus der Gesellschaft,“ erklärt Franziska Müller. Einmal haben sie etwa im Auftrag des Reutlinger Integrationsrats eine Befragung von neu Zugezogenen durchgeführt, um herauszufinden, wie die Stadt Neubürgerinnen und -bürger beim Ankommen am besten unterstützen kann. Die Ergebnisse konnten die Studierenden dann online vorstellen.
„Service-Learning ist ein Lernen auf Augenhöhe zwischen Lehrenden, Studierenden und zivilgesellschaftlichen Akteuren, ein gegenseitiges Lernen,“ erklärt Iris-Niki Nikolopoulos. Dabei werde der zu leistende „Service“ immer mit akademischem Wissen gekoppelt. Im Projekt mit dem Integrationsrat etwa wendeten die Teilnehmenden qualitative Forschungsmethoden an.
Im dritten Teil des Programms ist das praktische Engagement der einzelnen Studierenden gefragt: 140 Stunden Einsatz müssen sie nachweisen, en bloc oder über einen längeren Zeitraum. Auch ein bisheriges gemeinwohlorientiertes Engagement während des Studiums lässt sich hier anrechnen. Die Einsatzfelder seien breit gestreut, erklärt Franziska Müller: von Mitarbeit bei Feuerwehr oder Tierheim über die Arbeit mit Senioren, Menschen mit Behinderung oder Geflüchteten bis hin zu Übungsleitung im Sportverein. Hinzu kommt ein Workshop „EngagemenTransfer“ zur Reflexion der eigenen Arbeit: Was habe ich wie gemacht? Was habe ich aus meinem Engagement gelernt, was nehme ich mit für mein Studium, meine persönliche Weiterentwicklung oder meine berufliche Zukunft? Zu diesen und ähnlichen Fragen werde in der Gruppe diskutiert, so Nikolopoulos. Zudem müssen Teilnehmende in einem Paper eine Fragestellung mit akademischen Methoden beantworten. Ihre gemeinnützige Tätigkeit könnten Tübinger Studierende durchaus im Ausland leisten, doch praktisch sei das aktuell schwer umsetzbar, so die Organisatorinnen. Bislang gebe es nur EU-weite Förderprogramme für Engagierte – völlig unabhängig vom Micro-Programm – auf die Studierende sich aber bewerben können. Nikolopoulos und Müller hoffen aber, dass sich zukünftig strukturierte Angebote ins Programm integrieren lassen.
„Das Spannende am Micro-Programm ist der Austausch mit Studierenden und Lehrenden aus ganz Europa,“ sagt Franziska Müller. Durch die Erweiterung des TCP-Kursprogramms mit Angeboten der CIVIS-Universitäten gebe es auch eine größere Themenvielfalt. Etwa 60 Studierende im Jahr melden sich für das Micro-Programm an; sie kommen in der Regel von allen elf CIVIS-Partnern und aus allen Fachbereichen. Auch das BIP als fester Programmbestandteil sei ein Pluspunkt, meint Iris-Niki Nikolopoulos. Der entsprechende einwöchige Auslandsaufenthalt sei leichter zu organisieren und zu finanzieren als ein ganzes Semester im Ausland. Zudem gefalle den Studierenden am Programm, dass sie nicht nur in der Theorie über Dinge nachdenken, sondern selbst aktiv werden. Nicht in allen Fächern gibt es Pflichtpraktika; da biete das Micro-Programm eine Gelegenheit, Gelerntes anzuwenden und einzelne Berufsfelder kennenzulernen. Anders als bei einer Seminararbeit, die in einer Schublade verschwindet, würden die Leistungen der Studierenden im Service-Learning stärker gesehen und geschätzt, so Nikolopoulos. So ist das gesellschaftliche Engagement eine motivierende Erfahrung.
Tina Schäfer
Die Anmeldephase zum Micro-Programme „Civic Engagement“ läuft immer Ende September/Anfang Oktober eines Jahres. Hauptkriterium für die Anmeldung ist es, an einer CIVIS-Universität eingeschrieben zu sein. Für die einzelnen Kursbausteine ist eine separate Anmeldung erforderlich; hier gelten dann bestimmte sprachlichen Voraussetzungen für einzelne Kurse, in der Regel Englischkenntnisse.
Kontakt bei Nachfragen: Franziska Müller, civic-engagementspam prevention@tracs.uni-tuebingen.de
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