Partnerinnenfemizide im Zusammenhang mit Trennung oder Eifersucht sind mit Abstand die häufigste Form von Femiziden in Deutschland. Sexismus, die strukturelle Benachteiligung von Frauen, psychische Erkrankungen, Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie eine angespannte sozio-ökonomische Lage können Einflussfaktoren für die Tötung von Frauen und Mädchen sein. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Femizide in Deutschland“, die am Donnerstag vom Institut für Kriminologie der Universität Tübingen und dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen in einer virtuellen Pressekonferenz vorgestellt wurde.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler leiten aus der Studie die Empfehlungen ab, die Zahl der Plätze in Frauenhäusern zu erhöhen, die Versorgung psychisch erkrankter Menschen zu verbessern und die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte für die typische Dynamik geschlechtsbezogener Gewalt zu sensibilisieren. Einen eigenen Straftatbestand „Femizid“ in das Strafgesetzbuch aufzunehmen, halten sie derzeit nicht für sinnvoll, vielmehr fordern sie eine Gesamtreform der Tötungsdelikte und die Einführung eines „German Homicide Monitors“, also eine kontinuierliche Analyse der Tötungskriminalität in Deutschland. Zudem seien gesamtgesellschaftliche Anstrengungen notwendig, um sexistische Denk- und Verhaltensmuster abzubauen und so eine tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter zu ermöglichen.
An der Studie waren Fachleute aus Kriminologie, Rechtswissenschaft, Soziologie und Psychologie beteiligt. Sie wollten durch die Untersuchung die Zahl und Art der Femizide, mögliche Defizite bei den polizeilichen Interventionen im Vorfeld der Tötungen sowie bei der Strafverfolgung analysieren. Dafür untersuchten sie mehr als 50.000 Seiten Vernehmungsprotokolle, Sachverständigengutachten, Anklageschriften und Urteile zu 292 Fällen, die als versuchte oder vollendete Tötungen von Frauen in fünf Bundesländern im Jahr 2017 in die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) eingegangen sind. Einbezogen wurden die Bundesländer Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Teile Nordrhein-Westfalens, auf die ein Drittel der bundesweit polizeilich registrierten Tötungsdelikte an Frauen in diesem Jahr entfiel.
„Wir haben das Jahr 2017 ausgewählt, um sicherzustellen, dass die Strafverfahren zu Beginn der Auswertung im Jahr 2022 tatsächlich abgeschlossen waren“, erläuterte Prof. Dr. Jörg Kinzig, Direktor des Instituts für Kriminologie der Universität Tübingen und einer der Leiter der Studie, „denn es kann mehrere Jahre dauern, bis ein Urteil in einem Strafverfahren wegen Totschlags oder Mordes auch rechtskräftig ist. Hinweise darauf, dass sich an der grundlegenden Problematik seit 2017 etwas geändert hat, sind nicht ersichtlich.“ Auch die Zahl der in der PKS registrierten Tötungen an Frauen habe sich in den vergangenen zehn Jahren – entgegen der Aussage in vielen Medien – in Deutschland nicht erhöht.
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