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22.07.2015

„Es muss eigentlich eine Frau sein“

Neu entdecktes Elfenbeinfragment aus dem Hohle Fels gehört möglicherweise zu einer zweiten weiblichen Figurine – Sonderpräsentation im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren

1) Verziertes figürliches Fragment aus dem Hohle Fels. 2) Anhand der „Venus vom Hohle Fels“ zeigt die Abbildung, an welche beiden Stellen einer ähnlichen Figur das Fragment passen könnte. Abbildung: M. Malina/Universität Tübingen

Bei Ausgrabungen in der Höhle Hohle Fels auf der Schwäbischen Alb nahe Schelklingen hat das Team von Professor Nicholas Conard aus der Abteilung Urgeschichte und Quartärökologie der Universität Tübingen einen rätselhaften Fund gemacht: ein aus zwei Teilen zusammengesetztes Bruchstück aus Mammutelfenbein. Von Menschenhand bearbeitet, weist das Fragment deutliche, tief eingebrachte Rillen in musterhafter Anordnung auf. „Bei den bisher aus der Eiszeit bekannten Tierfiguren und Löwenmenschen gibt es keine vergleichbaren Formen und Muster“, sagt Nicholas Conard. Die Ausgrabungsergebnisse werden heute in der Fachzeitschrift „Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg“ veröffentlicht.

Den geübten Blicken von Professor Conard und der Grabungstechnikerin Maria Malina war hingegen nicht entgangen, dass das Fragment an Details der 2008 entdeckten „Venus vom Hohle Fels“ erinnerte. Diese war bisher die einzige bekannte eiszeitliche Frauendarstellung aus den Höhlen der Schwäbischen Alb. Sie ist etwa sechs Zentimeter hoch und wurde aus Mammutelfenbein geschnitzt. Die Venus vom Hohle Fels mit ihrem Alter von rund 40.000 Jahren gilt als älteste Darstellung eines Menschen weltweit. Das neue Fragment würde aufgrund von Form und Muster an den seitlichen Teil der Brust und des Oberbauchs einer ähnlichen Frauenfigurine passen. „Es muss eigentlich eine Frau sein. Dass die Venus möglicherweise kein Einzelstück ist, gibt uns Raum für neue Erkenntnisse“, sagt Conard.

Der neue Fund, der im vergangenen Jahr gemacht wurde, stammt aus den Schichten der altsteinzeitlichen Kultur des Aurignacien im Hohle Fels. Diese Periode entspricht der Zeit, in der die anatomisch modernen Menschen das heutige Südwestdeutschland erreichten und in der in ganz Europa die Neandertaler verdrängt wurden. Aus zahlreichen anderen Funden wie Knochen, bearbeiteten Steinen oder auch Holzkohle rekonstruieren die Forscher die Spuren menschlicher Besiedelung oder auch die Nutzung der Höhle durch Tiere wie Höhlenbären oder Hyänen.

Das Elfenbeinfragment wird nun bis zum 11. Oktober 2015 in einer kleinen Sonderpräsentation im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren (urmu) gezeigt, dessen wissenschaftlicher Direktor Conard ist. So kommt das Publikum nah an die Arbeit archäologischer Ausgrabungen heran. „Ein besonderer Fund wie dieser gibt unserer Arbeit einen wichtigen neuen Impuls und macht hier im Forschungsmuseum vielleicht besser als eine vollständige Figur deutlich, dass archäologische Arbeit eine Langzeitaufgabe für die Forschung ist.“

Das Urgeschichtliche Museum Blaubeuren feiert dieses Jahr seinen 50. Geburtstag. In dem halben Jahrhundert seines Bestehens hat sich das Museum zum zentralen Forschungsmuseum für Altsteinzeit in Baden-Württemberg entwickelt und präsentiert die ältesten Kunstwerke und Musikinstrumente der Menschheit.

Veröffentlichung:

Nicholas J. Conard, Maria Malina: Eine mögliche Frauenfigurine vom Hohle Fels und Neues zur Höhlennutzung im Mittel- und Jungpaläolithikum. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, S. 54-59, 22. Juli 2015.

Kontakt:

Prof. Dr. Nicholas Conard
Universität Tübingen – Abteilung für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie
Wissenschaftlicher Direktor des Urgeschichtlichen Museums Blaubeuren
Telefon +49 7071 29-72416
<link mail window for sending>nicholas.conard[at]uni-tuebingen.de

Dr. Stefanie Kölbl
Geschäftsführende Direktorin des Urgeschichtlichen Museums Blaubeuren
Telefon +49 7344 9669-911
<link mail window for sending>koelbl[at]urmu.de

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Verschiedene Ansichten des neu entdeckten zweiteiligen Fragments aus dem Hohle Fels. Fotos: J. Lipták/Universität Tübingen

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Die 2008 entdeckte „Venus vom Hohle Fels“. Foto: H. Jensen/Universität Tübingen
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1) Verziertes figürliches Fragment aus dem Hohle Fels. 2) Anhand der „Venus vom Hohle Fels“ zeigt die Abbildung, an welche beiden Stellen einer ähnlichen Figur das Fragment passen könnte. Abbildung: M. Malina/Universität Tübingen

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Bild der Grabungen im Hohle Fels von 2008. Der rote Pfeil bezeichnet die Fundstelle der Venus, die beiden grünen Sternchen den Fundort der beiden Teile des neu entdeckten Fragments. Foto: M. Malina/Universität Tübingen

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Profile der Grabung im Hohle Fels. Die grünen Sternchen bezeichnen die Lage der Teile des neu entdeckten Fragments. Abbildung: M. Malina/Universität Tübingen
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