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16.01.2014

Schmelzwasser von tibetischen Gletschern überflutet Weiden

Geographen der Universität Tübingen messen in internationaler Studie die Gletscherschmelze auf dem Tibetischen Plateau

Schrumpfender Gletscher (Naimona’nyi Gletscher) im Südwesten Tibets. Foto: Niklas Neckel/ Universität Tübingen

Die Erde erwärmt sich, die Gletscher schrumpfen – aber nicht jede Gletscherschmelze lässt wie gefürchtet den Meeresspiegel ansteigen. In Tibet bleibt gemäß Messungen eines internationalen Forscherteams mit Beteiligung der Universität Tübingen ein beträchtlicher Teil des Schmelzwassers auf dem Land. Die Folgen sind jedoch dennoch negativ: Auf dem Tibetischen Plateau kann es die abflusslosen Seen überlaufen lassen und wertvolles Weideland fluten.

Gletscher sind wichtige Indikatoren für die Klimaänderung. Die Erderwärmung verursacht ein Abschmelzen der Gebirgsgletscher, welches neben den schrumpfenden Grönländischen und Antarktischen Eisschilden als Hauptursache für den gegenwärtigen Anstieg des globalen Meeresspiegels gilt. Auch in Tibet ziehen sich die Gletscher massiv zurück, wie Wissenschaftler der Universitäten Tübingen, Dresden und Zürich mit satellitengestützten Lasermessungen zeigen. Das Forschungsteam stellt während des letzten Jahrzehnts einen „deutlichen Massenverlust von rund 16 Gigatonnen pro Jahr bei etwa 80 Prozent der tibetischen Gletscher fest, das entspricht etwa einem Drittel des Wasservolumens im Bodensee“, sagt Niklas Neckel vom Fachbereich Geographie der Universität Tübingen, der Hauptautor der Studie. Das seien rund sechs Prozent des gesamten Massenverlustes aller Gletscher der Erde.

Einige Gletscher in Tibet wachsen

Eine positive Meldung ergaben die Messungen aber ebenfalls: Einige Gletscher im zentralen und nordwestlichen Teil des Tibetischen Plateaus haben an Masse gewonnen. Während die Gletscher im monsungeprägten südlichen und östlichen Teil des Plateaus stark geschmolzen sind, verzeichneten die Wissenschaftler eine ausgeglichene oder leicht positive Bilanz im kontinental geprägten zentralen und nordwestlichen Teil Tibets. Der Tübinger Geograph Dr. Jan Kropacek hält aber klar fest: „Im Schnitt überwog der Massenverlust im gesamten Gebiet deutlich.“

Erfreulich erscheint auf den ersten Blick auch der Nachweis, dass nicht das gesamte Schmelzwasser über die großen asiatischen Ströme in den Ozean fließt und den Meeresspiegel ansteigen lässt. „Die Problematik von Überschwemmungen bleibt allerdings bestehen“, so der Glaziologe Dr. Tobias Bolch von der Universität Zürich. Denn ein großer Teil der Schmelze – rund zwei Gigatonnen pro Jahr konnten die Wissenschaftler erstmals quantifizieren – mündet in abflusslose Seen auf dem Plateau und lässt diese über die Ufer treten. „In vielen Gebieten werden dadurch wertvolle Weideflächen unter Wasser gesetzt“, sagt der Glaziologe.

Die Gletscher des Tibetischen Plateaus haben eine Ausdehnung von rund 40.000 Quadratkilometern, etwas mehr als die Fläche des Landes Baden-Württemberg. Sie machen über ein Drittel der Eisbedeckung Hochasiens aus und entsprechen rund der 20-fachen Eisfläche der Alpen. Das internationale Forscherteam wertete für die Studie satellitengestützte Lasermessungen der Gletscheroberflächen auf dem tibetischen Plateau zwischen 2003 und 2009 aus. „Mit Hilfe der Lasermessungen konnten wir die zeitlichen Änderungen der Gletscherhöhen und – in Kombination mit einem detaillierten Gletscherinventar – die Massenveränderungen der nur schwer zugänglichen Gletscher Tibets abschätzen“, erklären die Tübinger Wissenschaftler Niklas Neckel und Jan Kropacek die Messmethode.

Die Ergebnisse, die jetzt in den „Environmental Research Letters“ publiziert sind, stehen im scheinbaren Widerspruch zu den Daten einer Satellitenmission, die auf anderen Messmethoden beruht und die einen leichten Massenzuwachs des Gletschereises für den beinahe identischen Zeitraum aufzeigt. Für Bolch hängen die unterschiedlichen Messwerte mit der Schmelzwassermenge zusammen, die auf dem Plateau zurückbleibt und nicht ins Meer abfließt – und die nun erstmals präzise gemessen werden konnte. Er führt die Daten der Studie, die auf ein Gletscherwachstum deuten, eher auf andere Einflüsse zurück, die auf die Berechnungen wirkten, wie etwa einen Anstieg des Niederschlags.

Literatur:

N. Neckel, J. Kropacek, T. Bolch and V. Hochschild. „Glacier mass changes on the Tibetan Plateau 2003 – 2009 derived from ICESat laser altimetry measurements”, Environmental Research Letters, January 16, 2014.

Hochlager der Wissenschaftler am Halji Gletscher in der Tibetisch-Nepalesischen Grenzregion.

Foto: Benjamin Schröter/ TU Dresden

Schrumpfender Gletscher (Naimona’nyi Gletscher) im Südwesten Tibets.

Foto: Niklas Neckel/ Universität Tübingen

Eiskappe in Zentraltibet. Falschfarbenbild: Gletscher erscheinen in blau und Vegetation in grün.

Bilddaten: NASA, Landsat OLI.

Bildbearbeitung: Tobias Bolch/ Universität Zürich

Kontakt:

Niklas Neckel
Universität Tübingen
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Geographisches Institut
Tel. +49 7071 29-73937
<link>niklas.neckel[at]uni-tuebingen.de


Dr. Tobias Bolch
Geographisches Institut
Universität Zürich
Tel. +41 44 635 52 36
<link>tobias.bolch[at]geo.uzh.ch

Bettina Jakob
Media Relations
Universität Zürich
Tel. +41 44 634 44 39
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