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09.12.2019

In der Spitze wird die Architektur der Pflanze angelegt

Forschungsteam unter Leitung der Universität Tübingen erstellt einen Atlas der Gene, die der Maispflanze Gestalt geben – Grundlage für biotechnologische Eingriffe

Zwei Maissorten mit verschiedenen Blattstellungen: Die Blätter der Pflanze links hängen stärker nach unten, der Winkel zwischen Blatt und Stängel ist größer. Die Pflanze rechts hat aufrechter stehende Blätter, der Winkel zum Stängel ist kleiner. Für die landwirtschaftliche Nutzung ist die Blattstellung ein wichtiges Merkmal, nach dem selektiert wird, um die Pflanzdichte und dadurch den Ertrag zu steigern.

Pflanzen wachsen ihr Leben lang. Dafür sorgt ein kleiner Bereich teilungsfähigen Bildungsgewebes an der Sprossspitze, auch Meristem genannt. Dort sitzt die Steuerzentrale für die Aufrechterhaltung der in alle Zellarten wandelbaren Stammzellen und der Bildung von Pflanzenorganen wie Seitentrieben oder Blättern. Obwohl alle Pflanzen diese Grundaufgaben haben, sieht das Meristem bei verschiedenen Arten, wie etwa Mais und Ackerschmalwand, in Form und Größe unterschiedlich aus. Nun hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Professorin Marja Timmermans vom Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen der Universität Tübingen herausgefunden, dass die Aufgaben des Meristems weiter gehen als gedacht: Es steuert aus der Spitze heraus die Architektur der ganzen Pflanze. Bei der Kartierung der an diesen Funktionen beteiligten genetischen Schaltkreise bei Mais hat das Team entscheidende Ansatzpunkte zur technologischen Verbesserung von Nutzpflanzen entdeckt. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Genome Research veröffentlicht.

Bei vielzelligen Lebewesen müssen die Zellen untereinander kommunizieren, um die Entwicklung zu koordinieren. Über die Bildung und Wahrnehmung von Signalmolekülen erkennen sie ihre relative Position im Organismus und entscheiden so, welche Zellarten am jeweiligen Ort gebildet werden. „Pflanzen können sich nicht von der Stelle bewegen, doch reagieren sie auf Änderungen in ihrer Umgebung mit bemerkenswerter Flexibilität“, sagt Marja Timmermans. Sie wollte herausfinden, welche Rolle das Meristem an der Sprossspitze dabei spielt.

Anpassung an Umweltbedingungen

Das Meristem an der Sprossspitze berücksichtigt zahlreiche Entwicklungs- und Umweltsignale. Bisher hatte man angenommen, dass es nur entscheidet, ob neue Stammzellen oder Organe gebildet werden sollen. Gemeinsam mit ihrem Team hat Timmermans die molekularen Schaltkreise, die in den Zellen des Meristems wirken, in einem Atlas präzise beschrieben und ihre jeweilige Funktion bestimmt. „Dort in der äußersten Sprossspitze reguliert das Meristem die Einstellungen so, dass die individuelle Pflanze unter den jeweiligen Bedingungen zur optimalen Gestalt heranwächst“, fasst die Wissenschaftlerin die Ergebnisse zusammen. „Wir haben Mechanismen gefunden, die speziell die Stammzellen bei Mais steuern, und entdeckt, dass sie die Architektur der ganzen Pflanze bestimmen.“

Die neuen Ergebnisse lassen sich für Pflanzenzucht und -anbau nutzen. „Die Erträge im Maisanbau konnten im Laufe des letzten Jahrhunderts ständig gesteigert werden. Es wurden jedoch nicht bedeutend mehr Körner pro Pflanze produziert“, sagt Timmermans. „Vielmehr hat man Maishybride gezüchtet, die in dichteren Pflanzungen gedeihen.“ Dabei spiele die Architektur der Maispflanzen über den Winkel der Blattstellung und die Blattform eine entscheidende Rolle, um einen effizienten Lichteinfall und eine hohe Fotosyntheseleistung zu erzielen. „Die genetischen Schaltkreise, die wir identifiziert haben, lassen sich nun für die weitere Optimierung nutzen.“

Publikation:

Steffen Knauer, Marie Javelle, Lin Li, Xianran Li, Xiaoli Ma, Kokulapalan Wimalanathan, Sunita Kumari, Robyn Johnston, Samuel Leiboff, Robert Meeley, Patrick S. Schnable, Doreen Ware, Carolyn Lawrence-Dill, Jianming Yu, Gary J. Muehlbauer, Michael J. Scanlon, and Marja C.P. Timmermans: A high-resolution gene expression atlas links dedicated meristem genes to key architectural traits. Genome Research, 29, 1962. https://dx.doi.org/10.1101/gr.250878.119 
 

Kontakt:

Prof. Dr. Marja Timmermans
Universität Tübingen 
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen
 Telefon +49 7071 29-78099
marja.timmermansspam prevention@zmbp.uni-tuebingen.de  

Pressekontakt:

Eberhard Karls Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
Dr. Karl Guido Rijkhoek
Leitung

Janna Eberhardt
Forschungsredakteurin
Telefon +49 7071 29-77853
Telefax +49 7071 29-5566
janna.eberhardtspam prevention@uni-tuebingen.de

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