Uni-Tübingen

A 05: „Das Land, in dem Milch und Honig fließen“. Entwicklung und Bedeutung von Agrarressourcen im bronze- und eisenzeitlichen Palästina

Projektleitung: Prof. Dr. Jens Kamlah, PD Dr. Simone Riehl

Mitarbeiter/ innen: Marlen Bleiholder, Andrea Orendi

Zusammenfassung

Das Teilprojekt untersucht Veränderungen beim Umgang mit landwirtschaftlich relevanten Ressourcen im antiken Palästina während der Bronze- und Eisenzeit (ca. 3600–332 v. Chr.). Im Mittelpunkt stehen dabei in der ersten Phase des SFB die Pflanzen, der Umgang mit den Pflanzen, die landwirtschaftlichen Techniken und Strategien, die Produktionsstrukturen und die sprachlichen bzw. bildlichen Repräsentationen der Landwirtschaft. Dieser Ressourcenkomplex bildete eine wichtige Grundlage für die Entstehung und Veränderung sozialer und politischer Einheiten, für soziale Identitäten und für die Versorgung der Menschen im antiken Palästina. Im Verlaufe des sehr langen Untersuchungszeitraums war der Umgang mit den landwirtschaftlich relevanten Ressourcen spezifischen Veränderungsprozessen unterworfen. Somit untersucht das Teilprojekt mit einer Langzeitperspektive, wie sich Veränderungen in der Landwirtschaft und somit auch in den Lebensverhältnissen der Menschen auf die Entwicklungen gesellschaftlicher und staatlicher Einheiten auswirkten.

Inhaltsverzeichnis und Auszüge aus dem "Atlas zum Ackerbau im antiken Palästina" sind zugänglich über die Homepage des Biblisch-Archäologischen Instituts der Universität Tübingen.

Fallstudie

Palästina war im Altertum stets ein Land der Kleinbauern. Neben dieser Konstante weist die Geschichte Palästinas aber auch kulturelle Dynamiken auf, die sich für den Zeitraum vom 4. bis zum 1. Jt. v. Chr. auf der Grundlage schriftlicher und archäologischer Quellen gut nachvollziehen lassen. Im Wesentlichen geht es dabei um den Wechsel von einem System der Stadtstaaten (Bronzezeit) über eine Zwischenzeit (Eisenzeit I) zu einem System kleiner Territorialstaaten (Eisenzeit II). Zu diesen monarchisch strukturierten Kleinstaaten zählten neben anderen die Königtümer Israel und Juda.
Das Teilprojekt untersucht also primär die Wechselwirkungen zwischen dem Umgang mit zentralen Ressourcen der Landwirtschaft und den Prozessen gesellschaftlichen Wandels aus historischer Perspektive. Daneben erforscht es anhand relevanter Texte aus dem Alten Testament exemplarisch für Israel und Juda, wie diese Dynamiken mit symbolischen Bewertungen der betreffenden Ressourcen zusammenhängen. Das Alte Testament hat eine Fülle solcher symbolischer Bewertungen überliefert. So ist zum Beispiel die Redewendung „Das Land, in dem Milch und Honig fließen“ eine geläufige sinnbildliche Bezeichnung für den Lebensraum der Israeliten und Judäer (z. B. 4. Mose 13,27). Insgesamt sollen die folgenden vier eng verbundenen Forschungsziele erreicht werden:

 

Wissenschaftliche Ziele

1. Herausarbeiten der Kontinuitäten und Transformationen beim Umgang mit Ressourcen in der Landwirtschaft. Diese Kontinuitäten und Transformationen sollen anhand der Entwicklung des Acker-baus und der Nutzpflanzen in Palästina vom Beginn der Bronze- bis zum Ende der Eisenzeit (ca. 3600–332 v. Chr.) behandelt werden. Dabei soll die Entwicklung landwirtschaftlicher Produktions-strukturen mit archäobotanischen Methoden herausgearbeitet werden. Die bislang isoliert nebeneinan-derstehenden Einzeluntersuchungen archäobotanischer Reste verschiedener Fundplätze sollen ver-gleichend und systematisch ausgewertet und zu einer diachron-synthetischen Darstellung gebracht werden.

2. Erkennen der Wechselwirkungen zwischen sozio-kulturellen Entwicklungen und dem Umgang mit Ressourcen in der Landwirtschaft. Anhand der sozio-kulturellen Entwicklungen in Palästina in der Bronze- und Eisenzeit soll untersucht werden, wie sich diese Dynamiken zu Entwicklungen des Um-gangs mit Ressourcen im Ackerbau verhalten.

3. Verstehen der Bedeutung des landwirtschaftlichen Ressourcenkomplexes für die Bildung sozi-aler und politischer Einheiten und deren kollektiver Identitäten. Dieses Thema wird entfaltet, indem Prozesse der Identitätsbildung gesellschaftlicher Gruppen in Palästina während der Bronze- und Eisenzeit untersucht werden und nach den Zusammenhängen mit Entwicklungen im Bereich der landwirt-schaftlich relevanten Ressourcen gefragt wird.

4. Erfassen der sprachlich symbolischen Bewertung von Ressourcen der Landwirtschaft. Mit Hilfe literarischer und historischer Analysen relevanter alttestamentlicher Texte wird untersucht, welche Rolle der Ackerbau als eine sich wandelnde Ressource bei der Ausformulierung von symbolischen Sprach-bildern in religiösen Kontexten spielte, die für die Identität der Israeliten und Judäer von zentraler Bedeutung waren.

Langfristige Planungen

In der ersten Phase des SFB werden Ressourcenkomplexe im Zusammenhang mit Ackerbau und der Kultivierung von Nutzpflanzen im Mittelpunkt des Teilprojekts stehen, in der zweiten Phase Aspekte der Tierhaltung. Auf der Basis der Ergebnisse beider Förderphasen soll dann eine umfassende Ge-schichte der wechselseitigen Beziehungen zwischen sozio-kulturellen Dynamiken und dem Umgang mit Ressourcen in der Landwirtschaft im bronze- und eisenzeitlichen Palästina erstellt werden.

Bedeutung des Teilprojekts für den SFB

Das Thema des agrarisch relevanten Ressourcenkomplexes in Palästina eignet sich hervorragend dazu, um die Zusammenhänge zwischen den zentralen Ressourcen vormoderner Gesellschaften und damit verbundenen politischen, ökonomischen, kulturellen und religiösen Entwicklungen zu erforschen. Über die Einbeziehung ethnologischer Daten eröffnet das Projekt für den SFB die besondere Chance, Brücken zwischen der Altertumsforschung und gegenwartsbezogenen Studien zu schlagen. Die Thematik des SFB betrifft zentrale Themen der Paläobotanik des Vorderen Orients, der Biblischen Archäologie sowie der Geschichte Israels/Judas. Eine diachrone Geschichte der bronze- und eisenzeitlichen Landwirtschaft Palästinas, wie sie das Teilprojekt in enger Kooperation mit anderen Teilprojekten (siehe 3.5) anstrebt, könnte ohne den multidisziplinären Fächerverbund des SFB nicht erstellt werden.


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