Fachgebiet: Amerikanistik
Das Projekt soll afroamerikanische Visionen alternativer Ordnungen des Rasseverhältnisses in den USA vom Ende des 19. bis zum 20. Jh. in fiktionalen Texten wie auch in Entwürfen für neue Gemeinwesen sammeln und in Hinblick auf ihre Ordnungsvorstellungen untersuchen. Die Ideen zur Neugründung von Gemeinwesen mit eigener Rasseordnung (z.B. Soul City) wie auch die Formen von speculative fiction (Utopien und Dystopien, alternate history, Romanzen, Science Fiction und andere nicht-realistische Formen afroamerikanischen Erzählens) sind zum einen Ausdruck der Frustration über die Widerständigkeit der Rasseordnung und ihre überaus langsame Veränderung, die der Diskriminierung von Afroamerikanern neue Formen gibt, sie aber nicht grundlegend in Frage stellt. Weiterhin zeugen die politischen und fiktionalen Projekte von dem Willen, an alternativen Ordnungsentwürfen festzuhalten und den Widerstand gegen die bestehende Ordnung nicht aufzugeben um sie langfristig zu destabilisieren. Am wichtigsten aber dient, drittens, die Frage des „Was-wäre-wenn“ und der Modus des Experimentes dem Test von Parametern, von denen Erfolg oder Scheitern von Neuordnungen abhängen können: In Fiktionen wie auch in experimentellen Gemeinwesen werden alternative Ordnungen, Bedrohte Ordnungen und re-ordering-Prozesse getestet, aus denen relativ gefahrlos gelernt werden kann. Eine immer breitere alphabetisierte und politisierte afroamerikanische Öffentlichkeit übt sich so im soziologisch informierten Widerstand gegen eine als ungerecht empfundene Ordnung. Stadtgründungen und Fiktionen basieren auf den Interpretationen vergangener Erfahrungen mit der Rasseordnung und dienen selber wieder ihrer Analyse und Interpretation – sowohl durch die Zeitgenossen als auch durch spätere Interpreten.
Diese Hypothesen zu Funktionen und Wirkungsweisen alternativer Ordnungsentwürfe sollen in zwei aufeinander bezogenen Teiluntersuchungen überprüft werden. Dabei erfordern die literarischen Interpretationen der wenig bekannten Texte des späten 19. und frühen 20. Jh. ein Wissen um historisch-politische Formen des Aktivismus, auf die oftmals verdeckt angespielt wird (der Fachbegriff lautet histotextuality); umgekehrt soll die Deutung und Einordnung der politischen Visionen und Projekte auch fiktionale Entwürfe berücksichtigen, um Traditionslinien vorgestellter und gelebter Utopien alternativer Rasseordnungen offen zu legen. Die Untersuchung wird so einen Beitrag zur Bedeutung imaginierter Ordnungen für das re-ordering leisten: Die Imagination alternativer Ordnungen, so unsere These, ist eine der Voraussetzungen für ein kreatives re-ordering. Das Projekt ist im Bereich der Reflexion angesiedelt und behandelt die Interdependenz von Ordnungen diachron in Vergangenheit und Zukunft.