Uni-Tübingen

Koreanistik

Die Koreanistik in Tübingen ist ein regionalwissenschaftliches Fach. Der inhaltliche Fokus liegt auf dem modernen Korea, wobei Kurse zu Geschichte, Gesellschaft, Kultur, Politik und Wirtschaft Koreas im regionalen und globalen Kontext angeboten werden. Dabei werden alltags- und globalgeschichtliche wie auch kulturwissenschaftliche Ansätze angewandt. Das Erlernen der koreanischen Sprache spielt im Bachelor-Studium eine herausragende Rolle und bietet ein umfangreiches Angebot an Sprachkursen, Übungen wie auch Tandem-Angeboten mit koreanischen Austauschstudierenden. Als integrierter internationaler Studiengang ist zudem im Bachelorstudiengang ein einjähriges Auslandsstudium in Korea für die Hauptfachstudierenden der Koreanistik vorgesehen. Dieses Auslandsjahr ist verpflichtend und ermöglicht es, eine hohe Sprach-, Fach- und interkulturelle Kompetenz zu erwerben.


hochschulreif. Der Tübinger Podcast zur Studienwahl

Folge #11: Koreanistik

Was macht die Koreanistik als Studienfach so attraktiv? Wie läuft eine typische Studienwoche ab und was unterscheidet den Unialltag in Tübingen von dem an einer koreanischen Universität? Warum ist ein ganzes Auslandsjahr in Korea während des Studiums so wichtig? Und wo arbeiten Korea-Expertinnen und Experten später? Über diese und viele weitere spannende Fragen sprechen wir mit Professor Dr. You Jae Lee. Außerdem verraten Tübinger Koreanistik-Studierende unter anderem, was sie zum Studium bewegt hat und was sie daran so begeistert.

Tags #Koreanistik #Koreanologie #Hangeul #Korea #Ostasien
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Christoph Jäckle (C. J.): Herzlich Willkommen zu „hochschulreif“, Eurem Tübinger Podcast zur Studienwahl. Wir haben wieder ein neues Studienfach für Euch vorbereitet und freuen uns, Euch heute die Koreanistik vorzustellen. Wir, das sind wieder meine liebe Kollegin Alexandra Becker und ich, Christoph Jäckle. Hallo Alex! 

Alexandra Becker (A. B.): Hallo Christoph! 

C. J.: Wir sitzen uns heute zum ersten Mal live im Studio gegenüber. Das war bisher wegen der Coronapandemie noch nicht möglich gewesen. Deshalb freuen wir uns, dass wir heute auch unseren Gast aus dem Fach Koreanistik hier in einem normalen Livegespräch gegenüber von uns sitzen haben. Herzlich Willkommen Herr Prof. Dr. You Jae Lee. 

You Jae Lee (Y. J. L.): Guten Morgen, Herr Jäckle. 

C. J.: Hallo! Schön, dass Sie es zu uns geschafft haben. Wir haben in der Vorbereitung schon gemerkt, Sie haben einen sehr vollen Terminkalender und von daher freuen wir uns, dass es jetzt geklappt hat. Sie sind Professor hier an der Universität Tübingen für Koreanistik und Sie leiten das Center for Korean Studies und das King Sejong Institute Tübingen. Ich hoffe, ich habe das richtig ausgesprochen. Der Daumen von Ihnen geht hoch. Das ist das richtige Signal. Bevor wir gleich Näheres zum Studium der Koreanistik erfahren, hören wir uns mal an, warum Tübinger Studierende sich für das Fach Koreanistik entschieden haben. 

Persönliche Motivation (01:21) 

Studi 1: Ich war nach meinem Abitur neun Monate als Au-pair in Südkorea und das mag sich jetzt vielleicht kitschig anhören, aber ich habe mich in diesem Zeitraum einfach in das Land und die Kultur verliebt. Und die Koreanistik war natürlich dann als Studienfach sehr ansprechend für mich.  

Studi 2: Ich hatte schon immer Interesse an Asien und das Interesse an Südkorea kam eigentlich dadurch, dass in meinem Umfeld Südkoreaner lebten und ich viel mit ihnen unternahm. Außerdem habe ich in der Schule zum Beispiel auch über den koreanischen Krieg gelernt und habe mir schon selbst die Sprache etwas beigebracht. 

Studi 3: Ich habe mich für das Fach Koreanistik entschieden, weil ich vorher schon einige Erfahrungen mit Korea gemacht habe und mich vor allem die Kultur, Sprache und Geschichte Koreas interessiert. 

Studi 4: In meiner Schulzeit schon hat mich die koreanische Sprache sehr interessiert. Ich hatte damals schon versucht, Koreanisch auf eigene Faust zu lernen, habe dann aber schnell gemerkt, dass es mit einem Lehrer dann doch einfacher wäre. Und damit zusammenhängend habe ich mich mit dem Land schon sehr viel beschäftigt. Ich finde die koreanische Kultur und wie sie sich auch gerade in der modernen Zeit entwickelt hat, super interessant und damals wusste ich noch nicht so wirklich wohin mit mir. Ich dachte, warum dann nicht einfach meine Interessen mit meinem beruflichen Werdegang verknüpfen. 

A. B.: Ja, Herr Lee, uns ist bei der Vorbereitung aufgefallen, dass tatsächlich das persönliche Interesse und auch die emotionale Verbindung zu Korea bei den Studierenden sehr hoch ist. Und da haben wir uns gefragt, da sich so viele junge Menschen für Korea interessieren, was macht denn die Koreanistik aus Ihrer Sicht so interessant? 

Y. J. L.: Ja, das stimmt. Unsere Studierenden sind alle hoch motiviert und bleiben auch dran bis zum bitteren Ende. Ich vermute, dass mehrere Dinge hier zusammenspielen. Als erstes könnte man sagen, dass die Populärkultur in Korea sehr beliebt ist. Da sind koreanische Fernsehdramen, Filme, die auch inzwischen internationale Auszeichnungen erhalten, aber auch Popmusik. Und das kommt vor allem bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen sehr gut an und ist meistens auch der erste Kontakt mit Korea. Es bleibt aber nicht nur bei der Populärkultur. Korea gehört zu den zehn stärksten Volkswirtschaften der Welt. Das zeigt welche Positionen Korea in der Welt einnimmt und wie sehr Korea sichtbar ist. Was für ein Auto wir fahren, welche Handys wir benutzen. Wir begegnen immer wieder koreanischen Produkten und das zeigt sich in der Wirtschaft und in der Kultur. Und ich glaube, das macht Korea und Koreanistik auch attraktiv. 

A. B.: Dass es einfach auch schon so sichtbar ist für junge Menschen. Welche Vorstellungen bringen denn diese jungen Menschen mit, wenn sie ins Studium kommen? 

Y. J. L.: Ich glaube, die meisten hatten ja schon einen ersten Kontakt mit Korea durch verschiedene Produkte, aber auch durch persönlichen Besuch, Urlaub, Schüleraustausch oder ein freiwilliges Jahr nach dem Abitur. Also die meisten kommen mit einer bestimmten Vorerfahrung und Vorstellungen, die mit dem Studium verbunden sind, nämlich, dass sie Korea und koreanische Geschichte und Kultur näher kennenlernen wollen. Bei den Studienanfängerinnen und -anfängern ist das noch nicht ganz so ausgeprägt, mit welchem Ziel sie das Fach studieren, also mit welchem Beruf das verbunden sein soll, sondern sie studieren aus der Liebe zum Land. Und das ist eine sehr gute Voraussetzung. Und ich habe sehr zufriedene Studierende. 

A. B.: Ja, das ist schön zu hören. Und jetzt interessiert uns natürlich auch, wie denn bei Ihnen der Weg war. Wie kamen Sie selbst zu der Entscheidung Koreanistik zu studieren? 

Y. J. L.: Bei mir ist es jetzt ganz untypisch und ganz anders als bei unseren Studierenden. Ich habe ursprünglich etwas anderes studiert, nämlich Geschichtswissenschaften, Philosophie und Politologie. Meine Eltern kommen aus Korea. Und ich selbst komme auch aus Korea, bin in Korea geboren, aber in jungen Jahren nach Deutschland migriert. Und als ich studierte, hatte ich in Geschichtsseminaren sowohl von Kommilitonen, aber auch von Professoren Fragen wie: Wie ist das eigentlich in Korea? Und dazu konnte ich nicht viel sagen. Ich wusste mehr über deutsche Geschichte als über die koreanische Geschichte und hatte mich dann entschlossen, ein Austauschjahr zu machen und nach Korea zu gehen und habe sehr intensiv koreanische Geschichte studiert. Als ich zurückkam, wollte ich das weiter vertiefen und habe noch Koreanistik als Parallelstudium angeschlossen. Zunächst habe ich aus reinem Interesse einfach als Gasthörer Seminare besucht. Aber irgendwann hatte ich zu viele Scheine und wusste nicht, was ich damit anfangen konnte, und dann hieß es, das kann man dann anerkennen lassen als Zweitstudium oder zweites Hauptfach. Und so bin ich in die Koreanistik reingekommen. 

C. J.: Wie lange gibt es denn die Koreanistik in Tübingen schon?  

Y. J. L.: Die Koreanistik in Tübingen hat eine lange Tradition. Ich habe jetzt im Uniarchiv mal nachgeschaut und die ersten Kurse wurden 1964 schon angeboten und das ist ein früher Zeitpunkt, auch im europäischen Vergleich. 

C. J.: Okay, das heißt das Fach der Koreanistik ist ein noch verhältnismäßig junges Fach, im Vergleich zu den theologischen oder juristischen Fakultäten, aber dafür in Tübingen schon sehr etabliert. 

Y. J. L.: Ja, und zudem ist es das einzige Fach in Süddeutschland, also in Baden-Württemberg und Bayern gibt es kein weiteres Fach Koreanistik. 

C. J.: Ah ja. Das heißt, wenn ihr Koreanistik studieren wollt, dann dürft ihr ins schöne Tübingen kommen. 

A. B.: Ja dann würde ich sagen hören wir uns doch mal an, wie das Studium aussieht. Da haben wir Studierende gefragt, die von ihrer Studienwoche berichten. 

Studieninhalte (07:56) 

Studi 1: Man wird auf jeden Fall sprachlich sehr gut ausgebildet, hat sehr viele Sprachkurse, diverse Inhaltskurse von Geschichte über Kultur bis hin zu Wirtschaft und Politik und geht für ein Jahr auch nach Korea, um diese Erfahrungen zu sammeln, um seine Kompetenzen zu verbessern und das Gelernte anzuwenden.  

Studi 2: Bis zum fünften Semester ist der Fokus sehr stark auf das Erlernen der Sprache gesetzt. Man besucht also jeden Tag für zwei Stunden einen Sprachkurs und muss dementsprechend auch viel Arbeit reinstecken. Aber auch jetzt im sechsten Semester gibt es für mich noch viele Inhaltskurse zu belegen, für die ich dann auch wöchentlich viel Literatur lesen muss, sogenannte Response Paper schreiben muss und mich für Referate vorbereiten muss. 

Studi 3: Im Studium lernt man vor allem über die Geschichte, Gesellschaft, Kultur und Sprache von Korea, die eben wöchentlich aufgearbeitet werden durch Seminare, Vorlesungen oder Sprachkurse. 

Studi 4: Als Masterstudierende besteht mein Studienalltag eigentlich hauptsächlich aus Selbststudium. Wir haben natürlich trotzdem auch noch ein paar Seminare und Vorlesungen pro Woche. Aber generell besteht eine typische Studienwoche bei mir vor allem aus lesen, lesen, lesen und kurze schriftliche Antworten darüber verfassen, was man gelesen hat. 

C. J.: Das ist eine schöne Zusammenfassung: Lesen, lesen, lesen und das dann kurz zusammenfassen. Es ist ein sehr vielfältiges Studium, das haben wir ja gerade schon erfahren. Können Sie noch mal so ganz grob zusammenfassen, aus welchen Bereichen das Koreanistikstudium besteht? 

Y. J. L.: Also die Koreanistik in Tübingen konzentriert sich auf das moderne Korea. Das ist so die erste Entscheidung, die wir damals festgelegt haben. Korea hat eine sehr reiche, vormoderne Geschichte und auch Kultur. Die behandeln wir aber nur in Einführungsseminaren und -vorlesungen. Und wir konzentrieren uns aber im Folgenden auf das moderne Korea, auf die moderne Geschichte, Kultur und Gesellschaft. Wir konzentrieren uns auch sehr intensiv auf eine sehr gute Sprachausbildung. Dazu gehört, dass die Studierenden im vierten und fünften Semester ein Jahr nach Korea gehen müssen. Das Programm in Korea ist integriert in unser Bachelorstudium. Und die Studierenden in Korea werden betreut von unserem Center for Korean Studies at Korea University, abgekürzt TUCKU. Und dort haben sie die Möglichkeit, auch zusätzlich Praktika zu machen, Land und Leuten kennenzulernen, Freunde zu gewinnen. Und das ist natürlich ein sehr attraktives Programm für unsere Studierenden. 

C. J.: Aber das heißt, die sprachliche Ausbildung findet auch schon in Tübingen ab dem ersten Semester statt? 

Y. J. L.: Genau, vom ersten Semester bis zum dritten Semester schafft man es meistens, die Grundstufe abzuschließen. In Korea sollte man die Mittelstufe abgeschlossen haben. Aber viele schaffen auch Teile der Oberstufe, wenn sie zurückkommen. 

A. B.: Ich habe mich da gefragt: Erfolgen denn auch die Studienleistungen ab einem gewissen Level in der Landessprache und -schrift? 

Y. J. L.: Im Bachelorstudium nicht. Unsere Studierenden können in Korea neben den intensiven Sprachkursen auch Inhaltskurse besuchen. Allerdings sind die in englischer Sprache. Koreanischsprachige Kurse bieten wir ab dem Masterstudium an und da bieten wir regelmäßig mindestens einen Kurs im Original, also in koreanischer Sprache, an. 

C. J.: Wie viel Zeit nehmen dann die Sprachkurse jede Woche ungefähr bei den Bachelorstudierenden ein? 

Y. J. L.: Bei uns zehn Stunden ungefähr.  

C. J.: Ein großer Anteil. 

Y. J. L.: Genau. Und in Korea sind das wöchentlich 20 Stunden. 

C. J.: Und welche Anteile nehmen dann die anderen Aspekte des Studiums ein, also die gesellschaftlichen, kulturwissenschaftlichen oder wirtschaftswissenschaftlichen? 

Y. J. L.: Da bieten wir pro Semester immer zwei Kurse an und das sind dann vier Stunden insgesamt. 

C. J.: Und wie muss ich mir das dann methodisch vorstellen? Habe ich dann auch wirklich einen wirtschaftswissenschaftlichen Kurs? Oder ist es eigentlich eine kulturwissenschaftliche Vorlesung, in der es dann um wirtschaftliche Aspekte geht? 

Y. J. L.: Die Wirtschaft hat keinen Schwerpunkt bei uns. Wir bieten Geschichtskurse, Gesellschaftskurse und Kulturkurse an. Und diese Kurse sind inhaltlich natürlich immer auch sehr verschieden und variieren ein wenig.  

A. B.: Also das ist dann auch von der Methodik wahrscheinlich vielfältig, dass man sich dann aus der historischen Perspektive auch an deren Methoden bedient. Und bei den kulturwissenschaftlichen Fragen holt man sich dann das Werkzeug aus diesem Feld, um bestimmte Fragestellungen zu bearbeiten. So stelle ich mir das jetzt vor. 

Y. J. L.: Ja, das ist richtig. Und Koreanistik ist ja ein regionalwissenschaftliches Fach. Und wir können die Theorien und Methoden der Regionalwissenschaft nicht auf eine Fachdisziplin reduzieren wie Geschichtswissenschaft oder Soziologie, sondern wir müssen interdisziplinär arbeiten. Und das lernen unsere Studierenden schon vom ersten Semester an, dass wir uns geschichtswissenschaftliches, kulturwissenschaftliches oder literaturwissenschaftliches und soziologisches Werkzeug aneignen müssen. Im dritten Semester haben wir extra einen Kurs angeboten, einen Methodenkurs, in dem wir Wissen, auch über den inhaltlichen Punkt hinaus, methodisch theoretisch vermitteln und uns mit solchen Fragen befassen. Wenn wir als Soziologe auf Korea schauen: Welche Methoden sind wichtig? Oder wenn Sie als Literaturwissenschaftler auf koreanische Literatur schauen? Welche Theorien gibt es dazu? Und so weiter. 

A. B.: Und haben Sie da so ein konkretes Beispiel, vielleicht eine aktuelle Lehrveranstaltung? 

Y. J. L.: Im dritten Semester zum Beispiel, also im letzten Wintersemester, habe ich einen Kurs angeboten, der „Alltagsgeschichte in Korea“ hieß. Da diskutieren wir, wie Alltagsgeschichte in den 70er und 80er Jahren entstanden ist, womit sich Alltagsgeschichte befasst, warum Alltag in der Geschichte wichtig ist und warum die Akteure kleine Leute, die sonst in der Geschichte nicht als Helden und große Männer und Frauen vorkommen, mehr sagen können, als wir bis jetzt wussten. Wir erfassen sozusagen histographisch die Entwicklung solcher Theorien und Methoden und gucken, welche Forschungsergebnisse es in Korea dazu gibt. Und was können wir uns alltagsgeschichtlich in Korea anschauen, wenn wir mit alten Leuten vom Lande Interviews haben, Oral-History-Interviews haben, wie können wir daraus die Moderne Geschichte Koreas entnehmen? Und wie können wir uns dem methodisch nähern? 

A. B.: Also anhand von Fallbeispielen dann im Prinzip, ja. 

Y. J. L.: Das ist uns wichtig, dass wir sehr konkret, trotz Theorie und Methode, empirisch an den Fallbeispielen bleiben, damit das plastisch wird. 

C. J.: Das heißt, je nach Seminar und auch je nach Inhalt habe ich es dann eher mit einer empirischen Herangehensweise zu tun. Wohingegen man  in einem Seminar, in dem es um Filmanalyse oder eine literaturwissenschaftliche Herangehensweise geht, dann eher einen geisteswissenschaftlich, vielleicht hermeneutische oder textwissenschaftliche Zugang hat. 

Y. J. L.: Genau. Wir hatten auch Filmseminare. Dann lesen wir natürlich Texte über Visual Cultures oder Film Studies allgemein, aber wir gucken uns in der Analyse natürlich koreanische Filme genau an, und besprechen, was die dann sagen. Und auch in der Literaturwissenschaft ist das ähnlich. 

C. J.: Kann man sich da im Bachelor schon spezialisieren oder ein Profil wählen? Oder hat Koreanistik als Bachelor erst einmal für alle ungefähr dieselbe inhaltliche Ausrichtung? 

Y. J. L.: Es ist inhaltlich fast dieselbe Ausrichtung, weil wir diese Kurse in Geschichte, Kultur und Gesellschaft paritätisch anbieten. Allerdings haben die Studies die Möglichkeit einen Schwerpunkt zu setzen, wenn sie von Anfang an wissen: Mich interessiert die koreanische Gesellschaft einfach viel mehr, diese Megacities, die Urbanität und Leben und Lifestyle in der Stadt. Dann haben sie die Möglichkeit in Gesellschaftskursen mehr Hausarbeiten zu schreiben und in den anderen Kursen dann weniger. So kann man einen Schwerpunkt setzen. Allerdings müssen sie natürlich die anderen Kurse auch besuchen. Aber durch die Beschäftigung mit einem Thema in einer Hausarbeit vertieft man sich ein bisschen.  

A. B.: Sie haben schon gesagt, dass man auch zum Teil die neuere Geschichte Koreas betrachtet. Wird dann auch der Konflikt zwischen Süd- und Nordkorea thematisiert? Und hat man Vergleichswerte? Ich könnte mir vorstellen, dass auch diese kulturellen Unterschiede, die sicherlich dann auch durch die Zeit gewachsen sind, ein interessantes Feld bieten. Ist das auch ein Thema? 

Y. J. L.: Nordkorea ist auch ein wichtiges Thema in unserem Studium. Wir bieten auch manchmal ein ganzes Seminar zu Nordkorea an. Im zweiten Semester bieten wir zum Beispiel Seminare, zur Geschichte der beiden Koreas an. Und da gibt es verschiedene Ansätze, wie man die Teilung des Landes darstellen kann. Man kann natürlich Südkorea erst mal abhandeln und dann kommt Nordkorea. Aber in meinen Seminaren versuche ich, Nord- und Südkorea gleichzeitig anzuschauen und so parallel auch chronologisch die Entwicklung anzuschauen und zu gucken, wie diese in den ersten Jahren nach der Befreiung auch sehr eng verflochten waren und welchen Einfluss die Entwicklungen des eigenen Landes in den 70er, 80er Jahren auf die des anderen Teilstaates hatten. Das ist ein sehr interessantes Seminar, in dem man guckt, wie diese beiden Länder sich auseinanderentwickelten in den Jahren. 

C. J.: Jetzt ist Koreanistik ein Kombinationsbachelorstudiengang. Sprich wenn ich Koreanistik im Hauptfach studiere, benötige ich ein Nebenfach dazu und umgekehrt. Welche Fächer kann man passenderweise zu Koreanistik kombinieren oder gibt es Fächer, die besonders häufig oder gern gewählt werden? 

Y. J. L.: Ja, prinzipiell sind die Kombinationsmöglichkeiten sehr weit und offen. Das liegt an den Interessen der Studierenden, welche Kombination sie wählen. Wir haben Studierende, die Koreanistik mit Informatik verbinden, oder mit Jura oder BWL. Wir raten eine Kombination zu wählen, wo Sie sich im Nebenfach auch disziplinär stark verankern können. Wenn sich zum Beispiel jemand für die koreanische Geschichte interessiert, dann kann man Koreanistik als Hauptfach nehmen und als Nebenfach Geschichtswissenschaften, um sich da die Methoden und Theorien zu holen. Natürlich bekommt man da auch sehr viele Inhalte über die allgemeine Geschichte, insbesondere die deutsche Geschichte, aber das ist dann sehr hilfreich, weil wir in einem Seminar nicht die ganzen Methoden und Theorien der Geschichtswissenschaften vermitteln können. Das kaufen wir sozusagen ein. Oder wenn man sich für konkrete Literatur oder Kultur interessiert, dann könnte man Anglistik oder Germanistik oder solche literaturwissenschaftlichen Fächer studieren oder zum Beispiel empirische Kulturwissenschaft oder Ethnologie in Kombination mit Koreanistik. Auch Soziologie und Politikwissenschaft wären Optionen. Und so raten wir, dass man Koreanistik mit einem Methodenfach im Nebenfach kombiniert, damit man sich im Nebenfach auch Sachen aneignen kann, die man im Hauptfach in der Intensität und Tiefe nicht angeboten bekommt. 

A. B.: Ja, also dass man sich dann schon mal im Vorfeld auch fragt, welcher Aspekt einen ganz besonders interessiert und danach das Nebenfach auswählt. Das ist ein hilfreicher Tipp, um sich bei dem großen Angebot an Nebenfächern zu entscheiden. 

Y. J. L.: Und wir sagen im Vorfeld an Studieninfoveranstaltungen, dass sie unbedingt in die Fachstudienberatung für die Nebenfächern gehen sollen und sich vorher informieren sollen. Wir haben den Eindruck, dass unsere Studierenden Überzeugungstäter sind. Also wenn sie Koreanistik studieren, machen sie das wirklich aus Überzeugung. Bei der Nebenfachwahl habe ich oft den Eindruck, sie haben sich nicht so gut informiert. So kommt es vor, dass es in höheren Semestern auch zu Nebenfachwechseln kommt. Und das verzögert natürlich das ganze Studium, weil wir mittendrin ein Jahr nach Korea gehen müssen. Und in der Zeit können sie dann das Nebenfach nicht machen. Daher sagen wir zu unseren Studierenden, dass eine Fachberatung für die Nebenfächer sehr wichtig ist, bevor sie sich einschreiben. 

A. B.: Ja, das ist besonders wichtig, weil dann das Nebenfach ruhen muss, wenn sie im Auslandsjahr sind. 

Y. J. L.: Bei den meisten Nebenfächern ist es so, dass man auch in vier Semestern fertig werden kann. Und unsere Studierenden sind ja in den ersten drei Semestern hier und dann gehen die im vierten und fünften Semester nach Korea und wenn sie zurückkommen, haben sie noch ein Semester. Also kann man regulär das Nebenfach in vier Semestern abschließen. Es gibt auch einige Studierenden, die in Korea Fächer, die nebenfachbezogen sind, zusätzlich belegen. Da muss man aber vorher mit dem Nebenfach mal abklären, ob diese Fächer auch dort anerkannt werden. 

A. B.: Ja, das ist auch gut zu wissen, ob es diese Möglichkeit gibt. Aber klar, die Anerkennung muss man dann auf jeden Fall vorher klären. 

C. J.: Dann würde ich sagen, wir hören uns doch mal an, was die Tübinger Studierenden an ihrem Studium so begeistert und sprechen dann über die persönlichen Voraussetzungen. 

Persönliche Voraussetzungen (24:03) 

Studi 1: Die Möglichkeiten, mit Koreanern auf ihrer Sprache zu reden, mehr über das Volk zu lernen und kritisch zu reflektieren, wie sich das Land entwickelt hat, sind für mich wirklich sehr wichtige Punkte gewesen, die mich dafür begeistert haben, dieses Fach zu studieren. Auch das Auslandsjahr hat mich wirklich sehr viel gelehrt. 

Studi 2: Mich begeistert am Koreanistik-Studium die Vielfalt der Themen, vor allem was Geschichte und Kultur angeht, aber natürlich auch die umfangreichen Sprachkurse, in denen man auch die moderne Sprache Koreas lernt. 

Studi 3: Mich begeistert an der Koreanistik vor allen Dingen, dass wir Einblicke in ganz unterschiedliche Fachbereiche bekommen, in dem Fall nämlich der Geschichte, der Kultur und der Gesellschaft. Und natürlich auch, dass wir ein super Netzwerk an verschiedenen Universitäten haben.  

Studi 4: Was mir an der Koreanistik in Tübingen tatsächlich am meisten gefällt, ist der enge Kontakt zu meinen Mitstudierenden und Professoren. Da wir im Gegensatz zu anderen Studiengängen recht klein sind, kennt hier einfach jeder jeden und das schweißt zusammen, wenn man mal anstrengende Wochen hat oder schwierige Themen zu bewältigen hat. Und ein weiteres Highlight sind die zwei verpflichtenden Auslandssemester in Südkorea. Also ich glaube da freut sich jeder Koreanistiker am meisten drauf, da man dann all das Gelernte selbst anwenden und auch neu beobachten kann. 

A. B.: Ja, das Auslandsjahr ist jetzt auch einige Male gefallen. Wir haben auch schon davon gehört und ich glaube, es wäre jetzt ganz schön, noch mal ein bisschen mehr davon zu erfahren. So grundsätzlich die Frage: Warum ein ganzes Jahr, also zwei Semester, im Ausland? 

Y. J. L.: Ja, das ist eine sehr gute Frage. Als ich 2010 nach Tübingen kam und mir aufgetragen wurde, ich soll ein neues Koreanistik Bachelorstudium aufbauen, hatte ich überlegt, was man unbedingt hier konstitutionell Grundlage festmachen sollte. Und der Gedanke war dann schon früh fixiert, dass wenn man Regionalwissenschaften studiert, man auch während des Studiums in diese Region gehen muss. Ich habe mir damals das bildlich so vorgestellt: Man kann nicht schwimmen lernen, ohne ins Wasser zu springen. Und sicher ist das Auslandsjahr auch sehr herausfordernd. Aber man muss mit diesen Herausforderungen umgehen können und das für sich selbst in irgendeiner Weise meistern. Und dann hat man einen persönlichen Bezug zur Region aufgebaut. Natürlich kann man vieles nur lernen, wenn man vor Ort ist, durch Menschen, Leute, Regionen, Reisen. Und das kann man nicht über YouTube und Chats machen. Die persönlichen Ebenen sind enorm wichtig in Regionalwissenschaften, dass Sie die Region nicht nur über Schriften oder durch Hörensagen kennen, sondern selbst erleben, erfahren und sie für sich aneignen. 

C. J.: Weil Sie es gerade schon angesprochen haben: Was sind denn Herausforderungen, die die Studierenden dort in ihrem Studienalltag oder im Alltag allgemein so meistern müssen? Fallen Ihnen dazu Geschichten ein, die da vielleicht immer wieder auftauchen. 

Y. J. L.: Erstens ist Korea ein bisschen weiter weg von Deutschland, also es ist eher eine ferne Kultur, obwohl man vorher durch Populärkultur natürlich einen Bezug dazu aufgebaut hat. Nichtsdestotrotz ist Korea einfach weit weg von Deutschland. Da kommt die erste Herausforderung des Heimwehs. Zum ersten Mal weg vom Elternhaus oder zum ersten Mal ganz auf sich allein gestellt. Also diese persönlichen Herausforderungen in der Persönlichkeitsentwicklung könnte man als erstes nehmen. Zweitens – obwohl man hier denkt, dass man landeskundlich gut vorbereitet ist, sich auch die Grundlagen in der Sprache angeeignet hat – ist die Fremdheit natürlich eine große Herausforderung. Der Umgang mit Menschen, kulturellen Unterschieden, das ist natürlich auch ein großes Problem. Darüber habe ich mir vorher keine Gedanken gemacht, aber was viele sagen, ist: In Korea habe ich weniger einen Kulturschock, sondern vielmehr einen Großstadtschock. Seoul hat 10 Millionen Einwohner. Mit den Satellitenstädten um Seoul herum lebt dort fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung Südkoreas. Sobald man aus dem Haus geht, trifft man immer jemanden. Und wenn man aus kleineren Dörfern oder Städten aus dem Schwäbischen kommt, dann ist das natürlich auch eine große Herausforderung. Dann habe ich auch öfters gehört, dass man, wenn man vor Ort ist, mit dem Geld ganz anders umgehen muss als zum Beispiel in Tübingen, weil die Koreaner eine andere Ausgehkultur haben. Viele sagen, dass das Geld schnell verloren geht. Da lernen sie, wie sie dann haushalten müssen. Und das sind natürlich auch Herausforderungen, weil dieser finanzielle Aspekt natürlich auch nicht zu unterschätzen ist. 

A. B.: Ja, das ist auch vielleicht was, was wir ansprechen könnten. Welche Kosten kommen denn auf einen zu? 

Y. J. L.: Bei unseren Austauschstudierenden ist es grundsätzlich so, dass wir unseren Studierenden die Studiengebühren erlassen und die Studiengebühren unserer Partneruniversitäten sind ja relativ teuer. Allerdings müssen sie natürlich für die Miete und Lebenshaltungskosten selber aufkommen. Einige bekommen dafür Stipendien bei koreanischen Stiftungen. Wir sagen, dass man in Korea auch mit dem Geld, was man in Tübingen zur Verfügung hat zurechtkommen sollte. Allerdings, wie gesagt, die Jugendkultur und Ausgehkultur in Korea ist ein bisschen ausgiebiger. Ich habe den Eindruck, dass die jungen Leute viel mehr gemeinsam unternehmen in Korea. Man geht gemeinsam essen, trinken und dann wird es nicht bei der ersten Runde belassen. Dann kommt noch eine zweite Runde. Und wenn man sich draußen trifft in Cafés, dann muss man immer natürlich Kaffee trinken. Und so weiter. Und ich glaube, diese Dinge kommen in Korea noch dazu. 

A. B.: Ich habe mich gerade gefragt, ob das damit zu tun hat, dass man sich nicht so schnell zu Hause trifft? Also ist das ein kultureller Unterschied, dass man sich erst mal eher draußen trifft und nicht direkt im WG-Zimmer zu Hause? 

Y. J. L.: Ja, das ist ein guter Punkt. Denn erstens leben unsere Studierenden natürlich in Wohnheimen oder in kleineren Zimmern, wo man nicht viele Leute einladen und gemeinsam kochen kann. Bei koreanischen Studierenden kann es sein, dass sie noch bei ihren Eltern wohnen und ihre Freunde nicht immer einladen wollen. Und daher ist das bei jungen Erwachsenen oft der Fall, dass sie sich draußen treffen. Das ist dann für alle erleichternd. Da trägt keiner eine besondere Belastung. Und ich glaube das ist in der Tat ein guter Punkt. 

A. B.: Jetzt haben Sie das Thema Wohnen ja schon angesprochen. Muss man sich dann, wenn man nach Korea geht, auch selbst darum kümmern oder gibt es da Unterstützung bei der Vermittlung, wie man da überhaupt wohnt und wo? 

Y. J. L.: Ja, in erster Linie haben unsere Studierenden die Möglichkeit sich bei Wohnheimen an den jeweiligen Universitäten zu bewerben. Das hat man in den ersten Jahren sehr oft gemacht. Allerdings sind die Hausordnungen in den Wohnheimen sehr restriktiv und das stimmt mit dem Freiheitswillen unserer Studierenden nicht immer ganz überein. Bei Männern gibt es da Regelungen für Damenbesuche und umgekehrt. Ab 10:00 Uhr nachts darf man nicht raus oder rein und solche Dinge. Und daher suchen sich viele privat ein Zimmer oder eine Wohnung. Inzwischen gibt es auch viele, die zu zweit oder zu dritt eine WG gründen in Korea. Und ich habe mir von unseren Studierenden sagen lassen, dass diese WGs, die gut funktioniert haben, auch tradiert werden, für die, die in den nächsten Jahren kommen und das finde ich eine gute Tradition, dass da auch so intern autonom solche Dinge geregelt werden. 

A. B.: Die eine Studierende sagte ja schon: Man kennt sich untereinander. Das heißt, dann hat man vielleicht schon den Kontakt zu den Leuten, die vorher da waren. Ist das Studium an einer koreanischen Universität denn sehr anders als das Studium, wie man es jetzt beispielsweise aus Tübingen kennt? Gibt es da Unterschiede? 

Y. J. L.: Unsere Studierenden konzentrieren sich in erster Linie auf die Sprachausbildung. Also man kann es sich so vorstellen: Von 9 bis 13 Uhr habe ich jeden Tag Sprachunterricht. Und nachmittags habe ich dann ein oder zwei Kurse, aber nicht an jedem Wochentag. Bei den Seminaren ist es so, dass die erst mal in Englisch ablaufen. Und die thematischen Vermittlungen sind ähnlich wie an westlichen Universitäten. Da gibt es keine allzu großen Unterschiede. Aber in der Praxis zeigt sich, dass man in Korea weniger Raum für Diskussionen hat. Das sagen unsere Studierenden. Man hat weniger Raum für Diskussionen und wenn Diskussionen eingefordert werden, sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer weniger offen als zum Beispiel in unseren Seminarräumen in Tübingen. 

C. J.: Welche sprachlichen Voraussetzungen sollte ich denn als Studienanfänger mitbringen? Also die wenigsten können ja wahrscheinlich Koreanisch. Das wird vermutlich nicht vorausgesetzt, aber es ist so ein gewisses Talent für Sprachen zum Beispiel eine Voraussetzung? 

Y. J. L.: Ja, in der Tat. Wir haben überhaupt keine formale Voraussetzung für das Studium der Koreanistik. Wir sagen, wir fangen mit blutigen Anfängern gemeinsam an und machen aus denen Experten. Wir haben eine Woche vor Semesterbeginn ein Propädeutikum, in dem wir die koreanische Sprache in einem Crashkurs sozusagen beibringen. Und dann fangen wir mit dem Studium richtig an. 
 
A. B.: Und das ist Pflicht, oder? 

Y. J. L.: Das machen wir zur Pflicht, damit dann alle auf dem gleichen Level sind, weil einige schon privat gelernt haben und andere nicht, weil das keine Voraussetzung ist. Deshalb bieten wir diesen Kurs für die, die die koreanische Schrift noch nicht beherrschen an. Aber man kann das innerhalb einer Woche spielerisch erlernen. 

A. B.: Und im allgemeinen Bachelorstudiengang sind dann alle Kurse auf Englisch oder gibt es auch deutsche Kurse? Das ist mir noch nicht ganz klar geworden. 
 
Y. J. L.: Ja, prinzipiell ist unser Studiengang eigentlich auf Deutsch, aber wir haben Lehrkräfte, Professor:innen, die wir aus dem Anglistischen hierhin berufen haben und die des Deutschen noch nicht ganz mächtig sind. Und wissenschaftliche Sprache ist bei denen in erster Linie Englisch und daher bieten die die Kurse auch vom ersten Semester auf Englisch an. Daher wäre es gut, wenn unsere Studierenden sehr gute Englischkenntnisse von der Schule mitbringen. Sonst ist das schwierig, weil auch die Texte, die wir lesen, meist auf Englisch sind. 

A. B.: Ja, das ist, glaube ich, gut sich das in der Vorbereitung klarzumachen. Aber ich könnte mir auch vorstellen, dass man sich auch langsam dem Wissenschaftsenglisch und auch dieser Diskussionskultur auf Englisch annähert. Da wächst man dann ja wahrscheinlich auch rein mit der Zeit. 

Y. J. L.: Ja, den Eindruck habe ich auch. Und zum Ende sagen unsere Studierenden, es fällt mir viel leichter, auf Englisch zu schreiben als auf Deutsch, weil die Textgrundlage, die Sekundärliteratur mehr auf Englisch ist. Und wenn Sie das auf Deutsch schreiben, dann müssen Sie noch so viel übersetzen und die passenden Wörter im Deutschen finden. Wenn man auf Englisch schreibt, dann muss man diese Leistungen nicht mehr erbringen. 

A. B.: Und gerade in den ersten Semestern, machen das ja dann alle zum ersten Mal auf Englisch. Überhaupt diese ganzen Herausforderungen und Leistungen, die man an der Uni so bringen muss, sind ja erst einmal für alle neu. 

Y. J. L.: Genau. Also die ersten Hausarbeiten, die sind natürlich sehr aufregend, aber da gibt es auch sehr viel gegenseitige Hilfen. Und in den Sprechstunden helfen ja die Professoren. Und wir haben in der Koreanistik sehr früh ein Mentorensystem eingeführt, bei dem den Erstsemestern Mentoren zugeordnet werden. Da gibt es pro Jahr mindestens zwei separate Mentorengespräche, in denen die Studierenden mit ihren Problemen, aber auch mit ihren Freuden kommen können und ihre persönliche Entwicklung in der Koreanistik mitteilen können. So können wir die Entwicklung auf dieser persönlichen Ebene mit begleiten. 

A. B.: Wir haben es ja auch schon angesprochen, dass es ein großes Interesse bei den jungen Menschen an Korea gibt. Jetzt haben wir ja eine Zulassungsbeschränkung im Studiengang. Wie gut stehen denn so die Chancen auf einen Studienplatz, wenn man sich bewirbt? 

Y. J. L.: Ja, ich muss vorausschicken, dass diese Entscheidung uns nicht leichtgefallen ist. Als wir den Bachelorstudiengang in dieser Form 2010 neu eingeführt haben, hatten wir im Wintersemester acht Hauptfachstudierende. 2019 hatten wir fast 400 Studierende mit einem Haupt- oder Nebenfach insgesamt gezählt. Da sehen Sie innerhalb von zehn Jahren von null auf 400, das ist natürlich ein riesiges Wachstum, worüber wir uns sehr gefreut haben. Allerdings steigt die Zahl der Lehrkräfte nicht entsprechend schnell und zurzeit nehmen wir 50 Hauptfächer und 70 Nebenfächer auf bei über 200 Bewerbungen. Bei den Bewerbungen vergeben wir Bonuspunkte. Die Kriterien sind so, dass wenn die Studieninteressierten in den schulischen oder außerschulische Aktivitäten Dinge nachweisen können, die für das Studium nützlich sind, Bonuspunkte vergeben werden. Oder wenn Sie vorher schon in Korea waren und ein Praktikum bei einer NGO gemacht haben, was sehr großen Einblick in die Gesellschaft erlaubt, dann geben wir dafür Bonuspunkte. Wenn Sie vorher Koreanistik Kurse belegt haben und bestimmte Stundenzahlen zusammen haben, dann erkennen wir das auch als Vorleistung an und vergeben Bonuspunkte. Wenn Sie in der Schule eine Projektarbeit hatten zum Koreakrieg und ein Essay oder einen Bericht geschrieben habe über zehn Seiten, dann honorieren wir das auch. Ja, und so kann man mit den Bonuspunkten, auch die Abiturnote sozusagen für die Aufnahme in die Community ein bisschen aufbessern. 

A. B.: Diese Kriterien, gerade auch was den Notendurchschnitt angeht, können sich von Semester zu Semester verändern. Das sind ja keine festen Zahlen. Deshalb würde ich gerne noch mal darauf verweisen, dass wir von der Studienberatung Infoveranstaltungen über das universitäre Bewerbungsverfahren anbieten. Und natürlich auch den Verweis, dass man  sich an die Studienfachberatung wenden kann. Wenn ich das an dieser Stelle so noch mal sagen darf, einfach damit man da auch aktuelle Infos hat, beispielsweise wenn die Podcastfolge dann ein bisschen länger her ist.  

C. J.: Kommen wir gleich noch zu einem ganz wichtigen Aspekt, nämlich den Berufsfeldern, die den Studierenden nach ihrem Studium offenstehen. Da hören wir uns doch gleich mal an, welche Vorstellungen die Tübinger Studierenden da im Studium bereits davon haben, was sie später mal machen möchten. 

Berufsperspektiven (43:15) 

Studi 1: Ich möchte nach meinem Studium eigentlich gerne akademisch weiter machen. Und ja, wir werden in der Koreanistik ja zu sogenannten Koreaexperten ausgebildet und ich hoffe, dass ich dann später als ein solcher Experte einfach meinen Teil dazu beitragen kann, die internationalen Beziehungen zu stärken. 

Studi 2: Ich habe vor, nach dem Studium in einer koreanischen Firma zu arbeiten, wie zum Beispiel Samsung oder LG, wahrscheinlich in dem Marketingbereich. 

Studi 3: Ich möchte meinen Master in Korea machen, um später an der Universität Doktorand zu sein und selber Vorlesungen oder Seminare zu geben, um andere Menschen zu faszinieren und auch Interesse bei ihnen für das Koreanistikstudium zu wecken.  

Studi 4: Freunde und Familie haben oft gefragt: Was macht man denn mit einem Koreanistikstudium später? Anfangs wusste ich das auch noch nicht so genau, aber durch diverse Praktika und Stellenangebote der Koreanistik hat man dann doch schon einen guten Überblick bekommen. Und da ich selbst im Nebenfach zusätzlich Medienwissenschaft studiere, würde ich sehr gerne im Marketing oder Social Media Bereich für Firmen arbeiten, die mit dem koreanischen Markt eng in Verbindung stehen. 

C. J.: Ja, Sie hatten ja vorhin auch schon erwähnt, dass mit dieser Nebenfachauswahl bereits ein wenig Profilierung stattfindet. Und das hört man jetzt ja auch wieder raus und merkt auch schon so eine Tendenz eben zum einen das Interesse auch in der Wissenschaft zu bleiben und weiter im Bereich der Koreanistik zu arbeiten. Oder eben die vielfältigen Berufsmöglichkeiten, die auch außerhalb der Uni, in der freien Wirtschaft, den Absolvent:innen offenstehen. In welchen Bereichen arbeiten die ausgebildeten Koreaexpert:innen aus Ihrer Erfahrung denn sonst noch? 

Y. J. L.: Ich sage zu unseren Studierenden, Deutschland hat zu wenig Koreaexperten, es gibt auch zu wenig Koreanistikinstitute insgesamt. Und das ist der Grund, warum wir eine so hohe Nachfrage haben, sei es in der Wirtschaft, in der Kultur, in den Medien, in der Politik, oder im Journalismus. Überall gibt es zu wenig Koreaexperten. Korea wird häufig von anderen Wirtschaftsleuten, von China- und Japanexperten, abgedeckt. Und deshalb steht uns das alles offen und die Möglichkeiten sind sehr offen. Konkret sehe ich jetzt in den letzten zehn Jahren, dass viele unserer Absolventinnen und Absolventen bei koreanischen Großkonzernen sehr gut unterkommen. Und diese Großkonzerne haben ihre Niederlassungen meistens in Frankfurt und der Umgebung. Dort sind die Europazentralen solcher Firmen und ich bekomme sehr oft Anfragen von diesen Firmen, von Personalabteilungen, ob ich Leute empfehlen kann. Und wenn man sich deren Ausschreibung anschaut, dann ist das sehr formal und da wird irgendwie Berufserfahrung vorausgesetzt oder ein Studium in Ingenieurwissenschaften oder Betriebswirtschaft. Und die sagen aber: Die Ausschreibung ist zwar so rausgegangen, aber wir suchen Ihre Absolventinnen und Absolventen. 

A. B.: Das ist ein guter Insider-Tipp. 

Y. J. L.: Inzwischen arbeiten da sehr viele Leute im Marketing, in Sales, in Personalabteilungen, oder in Planungsteams. Wichtig ist, dass Sie diese kulturelle Kompetenz mitbringen. Dieses eine Jahr in Korea ist ihnen sehr wichtig, weil Sie die Codes in koreanischen Firmen lesen und entziffern können und Sie auch als Vermittler gut funktionieren zwischen dem Headquarter in Korea und den Angestellten vor Ort. Und bis jetzt habe ich nur Lob gehört und es spricht sich schnell rum, dass die Absolvent:innen aus Tübingen gute Arbeit leisten. Und so geht das auch durch interne Empfehlungen von einer Firma in die nächste. Und so weiter. Und ich erzähle unseren Studierenden, dass sie gerade in einer goldenen Zeit leben. Aber das ist vor allem in der Wirtschaft und auch in Übersetzungsbereichen. Vor allem, wenn man Dramen, und koreanische Fernsehserien hat, dass man auch Untertitelung macht, dort übersetzt. Dolmetschen ist eine Kompetenz, die auch heute noch sehr viel gefragt ist. Und auch deutsche Firmen, vor allem in unserer Gegend, die viel mit Korea zu tun haben, vor allem nach Korea exportieren, suchen Leute, die sich mit Korea auskennen. Und da kommen viele auch unter. Inzwischen haben wir auch im Auswärtigen Amt für den höheren Dienst in der Diplomatie Leute. Da sage ich auch wir haben viele Chinaexperten, aber im Auswärtigen Amt gibt es einfach zu wenig Koreaexperten. Inzwischen sind zwei, drei Leute dort aufgenommen worden und bei Alumni-Treffen laden wir sie extra ein, damit sie unseren Studierenden erklären, was sie damals richtig gemacht haben. Einige sind in den großen Tageszeitungen untergekommen, in Radios. Viele unserer Studierenden finden auch einen Job in Korea und arbeiten in verschiedenen Sektoren, zum Teil auch bei deutschen Firmen, die sich in Korea niedergelassen haben. Und ich weiß nicht, wie das später so klingen wird, aber jetzt und heute sind diese Jobaussichten sehr gut. 

A. B.: Und sehr vielfältig, wenn wir das jetzt auch mal so überblicken, vom Journalismus über Wirtschaftsunternehmen bis hin zu Einrichtungen, die politisch aktiv sind oder vielleicht sogar auch dann in der Forschung und universitären Lehre. Das ist ja schon mal ein breites Bild. 

Y. J. L.: Ja. 

C. J.: Ist denn für viele von den genannten Berufen ein weiterführender Master nötig? Oder schließen viele nach ihrem Bachelorstudium auch ab und gehen direkt ins Berufsleben? 

Y. J. L.: Also ich erzähl unseren Studierenden, dass sie nach diesen drei Jahren Bachelor unbedingt den Master Koreanistik anschließen sollen. Im Master haben wir einen Doppelmaster mit der Seoul National University, das ist eine der renommiertesten Universitäten in Korea. Und dann bekommen Sie zwei Abschlüsse, einen Tübinger Abschluss und einen von der Seoul National University. Und Sie müssen ein Jahr in der Zeit auch in Korea studieren. Wenn man Bachelor und Master abgeschlossen hat, sind das idealerweise fünf Jahre. Davon waren Sie zwei Jahre in Korea und haben drei Abschlüsse. Und dann kann man Sie wirklich als Koreaexperten bezeichnen. Und ich denke, die können überall in der Welt sehr gut zurechtkommen. Allerdings ist die Situation zurzeit die – und das macht mir ein bisschen Sorgen – dass die Wirtschaft unsere Studierenden auch mit Bachelorabschluss schon sehr gerne nimmt. 
 
C. J.: Und die werden dann zu früh abgeworben 

A. B.: Und was wären so die Proargumente für den Master aus Ihrer Sicht? 

Y. J. L.: Das Proargument für den Master ist, dass Sie in dem Bachelor die Grundlagen gelernt haben, was die Landeskunde betrifft und auch sprachlich gut ausgebildet sind, mindestens in so einem B2 oder C1 Niveau. Aber wenn Sie einen Master machen, dann können Sie sich wirklich in einem Feld spezialisieren. Mit dem Auslandsjahr in Korea, mit einem Doppelmaster, schreiben Sie Arbeiten auf Koreanisch und können danach sagen: „Ich kann koreanische Texte ohne Probleme lesen, ich kann das auch auf Koreanisch zusammenfassen, ich kann auch Texte schreiben und inhaltlich bin ich auch Experte in einem Bereich.“ Und das kann ein Bachelorstudent oder -studentin von sich natürlich nicht behaupten. 

Insider-Tipps (52:11) 

A. B.: Gut, ich glaube wir können so langsam zu unserer Abschlussrubrik kommen, oder? Wir haben ja im Vorfeld schon angesprochen, dass wir uns für die weitere Auseinandersetzung mit dem Fach, für ein paar Stichworte zur weiteren Recherche interessieren, also Literaturtipps oder Filme und Dokus. 

Y. J. L.: Was ich als Lektüre empfehlen kann, ist der Länderbericht Korea. Das ist ein Sammelband, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung. Das deckt sehr vielfältig die Themen ab, mit denen wir uns in der Koreanistik beschäftigen. Da kommt Nordkorea vor, Südkorea und auch Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft. Und wenn man da einmal hineingelesen hat, bevor man angefangen hat zu studieren, bekommt man, glaube ich, ein sehr gutes Bild und ein gutes Vorwissen. Es gibt auch eine Buchverfilmung: „Pachinko“. Die fängt in der Kolonialzeit an: es geht um eine Familie, die nach Japan auswandert. Man sieht das Leben in Japan in der Kolonialzeit und die übernächste Generation geht in die USA und baut dort eine Existenz auf. Ich denke das Buch und auch der Film oder die Dramaserien zeigen die verschiedenen Aspekte des modernen Koreas mit Kolonialismus, Kaltem Krieg und Diaspora sehr gut. Das kann ich empfehlen, das ist sehr interessant. 

C. J.: Klingt spannend. Schaue ich mir auch an! 

A. B.: Ja gut, dann vielen Dank für die Tipps. Herr Lee, vielen Dank, dass Sie da waren. Wir haben uns sehr gefreut, dass Sie Zeit hatten, hierher zu finden. 

Y. J. L.: Vielen Dank für die Einladung und die Möglichkeit die Koreanistik vorzustellen. 

A. B.: Dann sage ich von meiner Seite aus an unsere Hörerinnen und Hörer bis zur nächsten Folge. Wenn Ihr Feedback, Kritik oder auch Wünsche habt, welche Fragen wir für Euch an unsere Experten und Expertinnen richten sollen, dann schreibt uns doch bitte an hochschulreif@uni-tuebingen.de. Ansonsten findet Ihr alle weiterführenden Infos in den Shownotes, wie gehabt. Ja, wir hören uns beim nächsten Mal. 

C. J.: Bis dann. Tschüss. 

Y. J. L.: Danke. Tschüss. 

Shownotes

„hochschulreif“ spricht mit Prof. Dr. You Jae Lee über die folgenden Themen: 
01:21 Persönliche Motivation
07:56 Studieninhalte
24:03 Persönliche Voraussetzungen
43:15 Berufsperspektiven
52:11 Insider-Tipps

Informationen zum Auslandstudium findet ihr am Tuebingen Center for Korean Studies at Korea University (TUCKU).
Aktuelle Termine zur Infoveranstaltung über die Bewerbung an der Universität Tübingen stehen hier.

Insider-Tipps Koreanistik:

  • Der Länderbericht Korea ist bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) leider nicht mehr erhältlich. Ihr findet ihn aber noch antiquarisch, z.B. über das Zentrale Verzeichnis Antiquarischer Bücher (zvab). Eine alternative Empfehlung ist folgendes Buch von Bruce Cumings: Korea's Place in the Sun. A Modern History Taschenbuch, New York/London 2005.
  • Min Jin Lee: Pachinko, US 2017 (Buch).
  • Kogonada/Justin Chon (Regie): Pachinko, USA 2022 (Serie).

Individuelle Unterstützung bei der Studienwahl findet ihr bei der Zentralen Studienberatung der Universität Tübingen. Infos zu allen Studiengängen an der Universität Tübingen gibt es im Verzeichnis der Studiengänge.

Bei Fragen, Anregungen oder Kritik schreibt uns an: hochschulreifspam prevention@uni-tuebingen.de


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