Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2010: Forschung

Neandertaler-Genom entschlüsselt

Johannes Krause hat mit seiner Arbeitsgruppe die DNA des Neandertalers vollständig rekonstruiert. Dafür wurde er mit dem diesjährigen Förderpreis für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie ausgezeichnet.

"Ich habe zum Neandertaler eine frühe Beziehung: Ich komme aus Leinefelde, wo Johann Carl Fuhlrott geboren wurde, der den Neandertaler entdeckt hat", so Dr. Johannes Krause vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Manche Wissenschaftler sind für ihren Forschungszweig eben prädestiniert: Dem Nachwuchswissenschaftler wurde im Februar der 12. Tübinger Förderpreis für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie verliehen – für seine wegweisenden Arbeiten zur Erbgutanalyse der Neandertaler. Der von EiszeitQuell gestiftete Preis ging damit erstmals in den Bereich der Genetik. Mit einer Fördersumme von 5.000 Euro ist er der höchst dotierte jährlich vergebene Preis dieser Art für Archäologen.

Johannes Krause wurde für seine Dissertation von 2008 ausgezeichnet. Er hat das Erbgut unter anderem von Bären, Neandertalern und anatomisch modernen Menschen analysiert. Dabei hat er einen grundlegenden Beitrag zur Klärung der Verwandtschaftsverhältnisse beider Menschenformen geleistet. Auch neue Analysemethoden hat der 29-Jährige mit entwickelt.

Gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe gelang es Krause, das komplette Neandertaler-Genom zu entschlüsseln. Der Vergleich mit dem Erbmaterial des anatomisch modernen Menschen zeigte, dass sich beide Menschenformen vor etwa 500.000 Jahren auseinanderentwickelten. "In diesem Forschungsfeld gibt es unglaubliche Entdeckungen", begeistert sich Krause. So legen die Untersuchungen seines Teams am so genannten Sprachgen FOXP2 nahe, dass Neandertaler eine gut ausgeprägte Sprachfähigkeit besaßen. Die Forscher gelangten auch zu neuen Erkenntnissen im Hinblick auf die Ablösung des Neandertalers durch den anatomisch modernen Menschen und über die Bevölkerungsstruktur frühmoderner Europäer.

Da die DNA ausgestorbener Lebewesen im Laufe der Zeit zerfällt, muss sie aus den Bruchstücken rekonstruiert werden. "Ein Riesenvorteil der Genetik ist, dass wir auch mit kleinen Knochensplittern arbeiten können, also etwa keine ganzen Schädel benötigen", so Johannes Krause. Mit Kollegen entwickelte er eine als "2-Stufen Multiplex PCR" bezeichnete Methode: ein Verfahren, um die Bruchstücke der "Alten DNA" zu vervielfältigen und zu längeren Sequenzen bis hin zum kompletten Genom zusammenzustellen. Zudem gelang es, einzelne Merkmale der Beschädigung von DNA zu identifizieren, anhand derer sich Alte DNA von modernen Verunreinigungen, z. B. durch die DNA von Archäologen, unterscheiden lässt.

Tina Schäfer