Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2010: Forschung

Rock me microbe! Mineralbildung durch Bakterien

"Gebänderte Eisenformationen" könnten Erkenntnisse zu den Prozessen auf der frühen Erde geben

Wer während oder nach der Fußballweltmeisterschaft ein paar Tage Urlaub in Südafrika gemacht hat, hat dabei mit großer Wahrscheinlichkeit einige der ältesten Zeitzeugen von Leben auf der frühen Erde gesehen. Insbesondere in Südafrika, aber auch in Australien und vielen anderen Regionen unserer Erde, findet man beeindruckende orange-rote Gesteinsformationen, die zu einem großen Teil aus Eisenmineralien bestehen. Diese so genannten "gebänderten Eisenformationen" wurden in der Zeit von vor 3,8 Milliarden bis vor 800 Millionen Jahren in Ozeanen abgelagert und stellen die weltgrößten Vorräte an Eisenerz dar. Allerdings haben diese Gesteine nicht nur ökonomische Bedeutung. Die Tatsache, dass diese Gesteine bereits relativ kurz nach der Entstehung unserer Erde und über drei Milliarden Jahre hinweg abgelagert wurden, macht sie aus erdgeschichtlicher Sicht spannend, da kurz vor beziehungsweise während dieser Zeit das Leben auf unserem Planeten nicht nur entstanden ist, sondern sich in entscheidender Weise weiterentwickelt hat. Dies beginnt mit den ersten Mikroorganismen, die in einer sauerstofffreien Welt lebten, und der späteren mikrobiellen Bildung von Sauerstoff, von dem heute ein großer Teil des Lebens abhängig ist.

Tübinger Geomikrobiologen am Zentrum für angewandte Geowissenschaften interessieren sich dafür, welche Mikroorganismen zu welchem Zeitpunkt in der frühen Erdgeschichte bereits existierten, wovon sie lebten und ob sie durch ihre Aktivität dazu beigetragen haben, diese riesigen Gesteinsformationen zu bilden. Hierzu untersuchen die Tübinger Forscher um Professor Dr. Andreas Kappler in Feldstudien und Laborexperimenten, ob die Eisengesteine durch sauerstoffbildende Cyanobakterien gebildet wurden oder vielleicht nicht doch durch deren Vorläufer, so genannte "anoxygene phototrophe Bakterien", also lichtabhängige Bakterien, die keinen Sauerstoff produzierten, aber stattdessen gelöstes Eisen zu rostigem Eisen oxidierten. Hierzu sammelten die Wissenschaftler Gesteinsproben während einer Forschungsreise nach Südafrika und vergleichen nun im Labor die dort gefunden Minerale und chemischen Eigenschaften der Gesteine mit den Mineralen, die im Labor von rostbildenden Bakterien gebildet werden. Aufmerksamkeit bekamen diese Arbeiten insbesondere durch einen Fernsehbeitrag im Wissenschaftsmagazin "NANO" des Senders 3sat, durch den Universitäts-Promotionspreis der Universität Tübingen 2008 und durch wissenschaftliche Publikationen in renommierten Fachzeitschriften wie Nature Geoscience.

In ihrer interdisziplinär ausgerichteten Forschung arbeiten die Geomikrobiologien mit Genetikern und Molekularbiologen genauso zusammen wie mit Geologen und Geochemikern. Aus den Ergebnissen solcher Forschungsarbeiten erhoffen sich viele Wissenschaftler nicht nur Erkenntnisse zu den Prozessen auf der frühen Erde. Mikrobielle Bildung und Umwandlung von Eisenmineralen spielt auch heute in der Natur eine wichtige Rolle, beispielsweise für die Freisetzung und Bindung von Nährstoffen, wie Phosphat, und von Schadstoffen, wie dem Arsen. Auch für die Suche nach Leben auf dem Mars hilft das Verständnis dieser Prozesse, hat der Mars seinen Beinamen "der rote Planet" doch durch die rote Farbe der dort vorhandenen Eisenminerale erhalten.

Professor Dr. Andreas Kappler

Der Fernsehbeitrag "Eisen könnte dem Leben Energie verliehen haben" ist abrufbar auf der Internetseite von 3sat: http://www.3sat.de/mediathek/mediathek.php?obj=14677&mode=play