Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2011: Forschung

Fremdsprachen lernen mit authentischem Material

EU-Forschungsprojekt stellt 200 Video-Interviews didaktisch aufbereitet im Internet zur Verfügung

Das Erlernen einer Fremdsprache sollte mit inhaltlichem Lernen verbunden werden. Davon ist der Tübinger Sprachforscher Professor Dr. Kurt Kohn überzeugt. „Wenn ich Englisch für einen Bereich lerne, der mich nicht interessiert, und ich brauche das Englisch anschließend für einen anderen Bereich, dann funktioniert das nicht. Beides muss zusammenkommen“, sagt der Inhaber des Lehrstuhls für Angewandte Englische Linguistik am Englischen Seminar der Universität Tübingen. Materialien für das Sprachenlernen mit mehr als 200 didaktisch aufbereiteten Video-Interviews zu Themen aus Alltag, Beruf und Freizeit stehen jetzt als Ergebnis eines gerade abgeschlossenen EU-Projektes mit Partnern aus sieben europäischen Ländern zum freien Gebrauch im Internet.


Kohn ist seit den frühen 1990er-Jahren an EU-Projekten beteiligt, in denen es um authentisches Lernen im Sprachunterricht geht; im EU-Kontext spricht man von Content and Language Integrated Learning (CLIL). Zuletzt ist daraus unter dem Projektnamen BACKBONE eine E-Learning-Plattform im Internet entstanden, die Kohn als kostenloses Angebot an Lehrer versteht, „ihren Unterricht damit vorzubereiten, thematisch und sprachlich relevante Materialien auszuwählen und den Schülern interessante Lernaktivitäten anzubieten." Mitte Februar hatten Kohn und sein Lehrstuhl-Team zu einem Symposium nach Tübingen eingeladen, auf dem unter anderem das Projekt BACKBONE vorgestellt und diskutiert wurde. Der Titel des Symposiums war Programm: „Authenticating Language Learning: Web Collaboration Meets Pedagogic Corpora”.


Auf der Startseite des BACKBONE-Angebots kann man zwischen sieben Sprachen wählen. Zur Verfügung stehen Englisch, Deutsch, Französisch, Polnisch, Spanisch und Türkisch sowie europäische Ausprägungen von Englisch als Lingua Franca (ELF) – als weltweit für die internationale Kommunikation genutzte Sprache. Jedes Sprach-Korpus umfasst 25 etwa zehn Minuten lange Interviews, das englische und das ELF-Korpus sogar doppelt so viele. Alle Interviews lassen sich auch als Audiodateien herunterladen oder als Transkript ausdrucken.


Zur didaktischen Aufbereitung der Video-Interviews gehört, dass sie annotiert sind. Das bedeutet, dass man in ihnen suchen kann – nach Gesprächsthemen genau so wie nach grammatischen Konstruktionen oder der Benutzung bestimmter Phrasen, und zwar über alle Videos eines Korpus hinweg. Von den Fundstellen führt ein Klick zu den entsprechenden Passagen in der Video- oder Audiodatei. Eingebaute Übungen runden das Material ab. Das Material lässt sich also flexibel zu unterschiedlichen Zwecken im Unterricht einsetzen. „Der Lehrer muss schauen, was sich für die einzelnen Schüler eignet“, sagt Kohn. „E-Learning eignet sich ja auch besonders für die Binnendifferenzierung in der Schulklasse.“


Seine Planungen gehen bereits weiter. In einem Nachfolgeprojekt werden die erarbeiteten Interviews und andere Materialien für die Dolmetscherausbildung aufbereitet.

Die Internetseite: http://purl.org/backbone/searchtool


Rainer Klüting

Kontakt:

Professor Dr. Kurt Kohn
Universität Tübingen
Philosophische Fakultät
Englisches Seminar, Lehrstuhl für Angewandte Englische Linguistik
Tel.: +49 7071 29-72377
E-Mail: kurt.kohn[at]uni-tuebingen.de