Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 4/2011: Leute
Ein Pflanzenbiochemiker mit vielen Forschungsinteressen und -kontakten
Zum Tode von Professor Dr. Klaus Wegmann ein Nachruf von Günter Häfelinger
Am 12. Juli 2011 ist der Tübinger Pflanzenbiochemiker Professor Dr. rer. nat. Dr. h.c. mult. Klaus Wegmann kurz vor seinem 79. Geburtstag nach schwerer Krankheit verstorben. Wir haben einen Forscher und Lehrer verloren, der Schüler und Kollegen durch seine Menschlichkeit und Kreativität tief beeindruckte.
Klaus Wegmann wurde 1932 in Annweiler in der Pfalz geboren und er bestand 1952 am Naturwissenschaftlichen Gymnasium in Landau das Abitur. Ab 1952 studierte er an der Technischen Hochschule in Karlsruhe Chemie bis zu seinem Diplom-Vorexamen 1955.
Sein Interesse an Pflanzenbiochemie wurde 1956/57 geweckt durch seine Mitarbeit als wissenschaftliche Hilfskraft am Forschungsinstitut für Rebenzüchtung im Geilweilerhof in der Pfalz bei dem, später in Tübingen tätigen, Organischen Chemiker Professor Dr. Ernst Bayer. Dort untersuchte Klaus Wegmann mittels Papierchromatographie Anthocyane, die Farbstoffe der blauen Trauben und der Kornblume. Auch war er beim Eigenbau der beiden ersten Gaschromatographen in Deutschland beteiligt. Diese ermöglichen die Untersuchung verdampfbarer Inhaltsstoffe verschiedener Weinsorten. Nach Unterbrechung seines Studiums war er von 1957 bis 1963 in der Firma Dielectra in Köln als Forschungschemiker und 1963/64 am Institut für Zellforschung der Fraunhofer-Gesellschaft in Finthen bei Mainz tätig.
Danach wechselte er an die Universität Tübingen zur Fortsetzung seines Chemie- und Biologie-Studiums, das er 1968 beendete mit einer Dissertation in der Arbeitsgruppe des Pflanzenbiochemikers Professor Dr. Helmut Metzner, in der er mit radioaktiver Markierung den Weg der Kohlendioxid-Fixierung in der einzelligen Grün-Alge Dunaliella untersuchte. Diese Alge wurde ihm ein Studien-Objekt, das ihn 1971 zur Habilitation brachte und das ihn über viele Jahre forschend mit insgesamt 30 wissenschaftlichen Publikationen begleitete. An diesem Modell-Organismus untersuchte er Biosynthesewege und die osmotische Regulierung der Produktion von Glycerin, das einen Schutzmechanismus zum Überleben der Alge im natürlichen Vorkommen auch unter ungünstigen Lebensbedingungen bildet, indem der osmotische Druck im Innern den äußerlichen Bedingungen angepasst wird.
1980 wurde Klaus Wegmann zum C3-Professor für Pflanzenbiochemie an der Universität Tübingen ernannt.
Ein weiteres intensives Arbeitsgebiet war der Untersuchung der parasitären Pflanze Orobanche (Sommerwurzen) gewidmet. Diese ist ein weit verbreiteter Pflanzenschädling, dessen Samen durch Substanzen an den Wurzeln einer Wirtspflanze zum Keimen gebracht werden, der dann parasitär die Wirtspflanze zur Nährstoff-Aufnahme benützt und dadurch diese, durch Entzug von Wasser und Nährstoffen, schädigt. In landwirtschaftlichen Kulturen ist dieser Schädling nur schwierig zu bekämpfen. Klaus Wegmann untersuchte in 30 Publikationen die biochemischen Beziehungen zwischen diesem Parasiten und dessen Gast-Pflanzen, um biochemische Gründe für die Resistenz mancher Pflanzen gegen den Orobanchen-Befall zu finden. Dies ist z.B. von aktueller Bedeutung beim Auftreten der Schädlinge beim Anbau von Sonnenblumen oder Tabak und anderen Nutzpflanzen.
Von hier führt ein kleiner Schritt zu zwölf Arbeiten über biochemische Aspekte der Tabak-Pflanzen. Verknüpfend für alle drei Arbeitsgebiete ist dabei die Bedeutung der Regulierung des osmotischen Drucks. Auch untersuchte er die Nitrat- und Cadmium-Akkumulation in Tabak-Pflanzen, sowie Beurteilungen des Tabakaromas und die analytische Charakterisierung verschiedener Tabak-Sorten.
Ein völlig anderes Arbeitsgebiet wurde mit der Chaosforschung an Chemischen und Biochemischen Reaktionen aufgenommen. Mit seinem Doktoranden Gerold Baier und dem Tübinger Chaosforscher Professor Dr. Otto Rössler untersuchte er chaotische Oszillationen in der sog. Belousov-Zhabotinsky-Reaktion, bei der Oxidation von Anilin mit Bromat, bei der Dynamik von Enzym-Reaktionen sowie dynamische Instabilitäten in einer Diffusionsschicht.
Weitere Forschungs-Aktivitäten befassten sich mit ökologischer Pflanzenbiochemie, der Schwermetallakkumulation in Pflanzen, sowie Resistenzen gegen Pflanzenkrankheiten.
Seine wissenschaftlichen Arbeiten sind vor allem in der Betreuung von 38 Diplomarbeiten und 22 Dissertationen, davon fünf an ausländischen Universitäten, entstanden. Diese vielfältigen Kontakte ins Ausland sind charakteristisch für Klaus Wegmann. Er absolvierte selbst längere Forschungsaufenthalte in Kanada, Australien sowie in Ägypten und konnte auf eine Vielzahl von internationalen Beziehungen hinweisen.
Über 16 Jahre war Klaus Wegmann der ständige Vertreter der damaligen fünf Fakultäten für Naturwissenschaften und Mathematik der Universität Tübingen auf dem Deutschen Fakultäten-Tag. Er organisierte von Tübingen aus insgesamt zehn internationale Tagungen.
Nach seiner Pensionierung 1997 konzentrierte er forschend und lehrend seine Aktivitäten auf Rumänien. Von 2003 bis zu seinem Tod war er Gastprofessor an der erst 1990 gegründeten privaten Vasile-Goldis-Universität in Arad. Dort beteiligte er sich maßgeblich am Aufbau eines Studiengangs für Biochemie. In Arad wurde er zweimal, 2004 und 2008, zum Vizerektor für internationale Beziehungen gewählt. Die Lucian-Blaga-Universität von Sibiu (Hermannstadt) ehrte 1994 seine wissenschaftlichen Leistungen durch die Verleihung der Ehrendoktorwürde, ebenso wie die Vasile-Goldis-Universität in Arad 2002.
Am 12. Juni 2011 verabschiedete Klaus Wegmann sich auf einer internationalen Tagung in Bari/Italien im Bewusstsein und in Akzeptanz seiner unheilbaren Erkrankung öffentlich von seinen Kollegen und Freunden. Auch von seiner schwer erkrankten Frau nahm er Abschied. Vier Wochen später starb er in Tübingen im Beisein seiner Angehörigen, die ihn bis zuletzt zu Hause gepflegt und begleitet hatten.