Schulpraxis während des Lehramtsstudiums – ein Erfahrungsbericht

Seit 2007 bietet das Zentrum für Lehrerbildung (Zfl) der Universität Tübingen Lehramtsstudierenden die Möglichkeit an, neben dem Studium auch Praxiserfahrung an einer Schule zu sammeln. Aufgrund des Ausbaus der Mensen an Schulen sowie der Erweiterung des Nachmittagsprogramms sind Lehrkräfte, die die Schüler beaufsichtigen oder Arbeitsgemeinschaften anbieten, stark gesucht. Alisa Wurster (5. Semester, Fächerkombination Deutsch, Ethik/Philosophie und Psychologie) hat das Angebot genutzt und berichtet über ihre Erfahrungen im praktischen Schulalltag:

Meine anfänglich sehr hohe Motivation wurde während des Praktikums auf eine harte Probe gestellt. Den Anspruch, es immer jedem Schüler Recht zu machen, musste ich sehr bald aufgeben. Und ich musste lernen, auch mit Kritik umzugehen. Es war wichtig, auf die Kinder und ihre Bedürfnisse einzugehen und offen zu sein, um auf unvorhersehbare Situationen richtig reagieren zu können. Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, die Stunde gut durchzuorganisieren und auch Puffer einzubauen. Auch auf die Gruppendynamik einzugehen und spontan handeln zu können, war für mich eine Herausforderung. Am meisten Überwindung kostete allerdings das Stehen vor der Klasse. Man muss sich und den Inhalt der Stunde gut und interessant präsentieren. Auch meine sozialen Kompetenzen waren stark gefragt. Dazu gehört, dass man der Klasse vorurteilsfrei begegnet und sich auch einmal in die Situation der Kinder hineinversetzen kann.

Insgesamt hat die Praxiserfahrung den theoretischen Teil, der an der Universität vermittelt wird, gut ergänzt. Als Lehramtsstudent lernt man so die Theorie in die Praxis umzusetzen und sein Wissen authentisch zu präsentieren. Auch der Erfahrungsaustausch mit den Lehrern und der Kontakt mit den Eltern und dem sozialen Umfeld der Kinder sind von großer Bedeutung. Diese Erfahrung kann das Lehramtsstudium nicht leisten.

Als ich mich Anfang des Schuljahres 2010 bei einer Realschule bewarb, wurde ich mit offenen Armen empfangen. Die Schulleitung war froh über eine neue freiwillige Jugendbegleiterin. Und ich war meinerseits gespannt darauf, wie die Schulrealität in der Praxis aussieht. Schnell musste ich jedoch feststellen, dass ich weder in meinen Vorlesungen noch Seminaren auf eine Klasse mit 30 Sechstklässlern vorbereitet worden war. Ich kam einmal die Woche in der sechsten Stunde zur Hausaufgabenbetreuung und unterrichtete nebenher zwölf Schülerinnen im Umgang mit einer Nähmaschine.