Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2013: Forschung

Universität Tübingen erhält Stiftungsprofessur für „Kriminalprävention und Risikomanagement“

„Startschuss für eine ganz neue Kultur der Kriminalprävention“

Die Universität Tübingen erhält eine Stiftungsprofessur für „Kriminalprävention und Risikomanagement“. Anstoß war der Amoklauf in Winnenden: Danach sprach sich die Politik bundesweit und in Baden-Württemberg dafür aus, mehr Gelder in die Forschung zur strategischen Kriminalprävention in Deutschland zu investieren. Unter Trägerschaft des Deutschen Forums für Kriminalprävention (DFK) und mit Befürwortung des Deutschen Bundestages wird die bundesweit erste Professur dieser an der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen angesiedelt. Die Stiftungsprofessur ist mit einer Million Euro Bundesmitteln bis 2017 finanziert.


Die Bandbreite der Kriminalprävention reiche vom „Kindergartenalter bis zum potentiellen Terroristen“, sagte Professor Dr. Jörg Kinzig, Dekan der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen und Direktor des Instituts für Kriminologie, bei der Pressekonferenz anlässlich der Einrichtung der Stiftungsprofessur. Kinzig betonte, die Fakultät sei sehr glücklich über die bewilligte Professur, sie ergänze die Tübinger Forschungsschwerpunkte Strafrecht und Kriminologie ebenso wie das Forschungsprogramm des Instituts mit einem Schwerpunkt in der Sanktionierung von Straftätern, etwa durch Sicherheitsverwahrung oder Führungsaufsicht. Die Professur bedeute eine weitere Stärkung für das Fach Kriminologie in Tübingen.


Das Berufungsverfahren für die Stiftungsprofessur steht kurz vor dem Abschluss. Bei der Ausschreibung habe man Wert darauf gelegt, so Kinzig, dass der künftige Lehrstuhlinhaber bzw. die künftige Stelleninhaberin über empirische Erfahrung genauso verfüge wie über Erfahrung in der Grundlagenforschung und der Kriminalprävention. Eine gute nationale wie internationale Vernetzung sei ebenso erwünscht wie eine interdisziplinäre Ausrichtung für die neue Stiftungsprofessur.


Dafür sieht der Bundestagsabgeordnete Hartfrid Wolff, der sich bereits seit seiner Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 2005 für eine Professur für Kriminalprävention einsetzt und in dessen Wahlkreis Rems-Murr Winnenden liegt, an der Universität Tübingen beste Voraussetzungen: „Tübingen bietet die einmalige Chance, die Disziplinen zusammenzuführen.“


Auch Kinzigs emeritierter Kollege und Vorgänger als Institutsdirektor, Professor Dr. Hans-Jürgen Kerner, Seniorprofessor an der Universität Tübingen, ist der Überzeugung, dass Tübingen der ideale Standort für die Professur ist, da nur hier eine so enge Vernetzung mit anderen Disziplinen wie der Schulpsychologie, der Pädagogik und Erziehungswissenschaft sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie möglich sei. Kerner nannte zudem das Sondersammelgebiet Kriminologie der Universitätsbibliothek Tübingen als wichtigen Standortfaktor. Synergien erwartet er auch vom „Barometer Sicherheit Deutschland“ (BASID), das am Tübinger „Interdisziplinären Zentrum für Ethik in den Wissenschaften“ (IZEW) angesiedelt ist.


Hans-Jürgen Kerner fordert grundsätzlich eine „positive Orientierung“ der Kriminalprävention: man solle nicht untersuchen, warum Straftäter rückfällig werden, sondern wie sie nicht rückfällig würden. Für ihn ist es ferner erwiesen, dass Stärkungs- und Fördermaßnahmen für Kinder und Jugendliche und auch bereits für werdende Mütter die effektivste Form der Kriminalprävention darstellen.


Dies sieht Hartfrid Wolff genauso: es sei immer besser, „die Ursachen für Kriminalität zu bekämpfen, als Folgen zu beseitigen“. Er erhofft sich von dem in dieser Form in Deutschland einmaligen Lehrstuhl mehr Nachhaltigkeit und den „Startschuss für eine ganz neue Kultur der Kriminalprävention“, aber auch ganz konkrete Empfehlungen zur Kriminalprävention für die Politik.


Zu den inhaltlichen Schwerpunkten der Stiftungsprofessur wollten sich weder Dekan Kinzig noch Seniorprofessor Kerner festlegen. Amokläufe wie der in Winnenden könne ebenso ein Thema sein wie Extremismus wie jüngst im Fall der NSU oder Aufklärungsmaßnahmen in Schulen und Kindergärten. „Was ich aber von der neuen Stiftungsprofessur bis 2017 erwarte, ist eine Bestandsaufnahme aller existierenden Maßnahmen und Initiativen zur Kriminalprävention“, betonte Hans-Jürgen Kerner. Wenn das erreicht werde, dann sei die Frage nach einer Anschlussfinanzierung nur eine Formalität.


Auch Rektor Professor Dr. Bernd Engler und Norbert Seitz, Vorstand der Stiftung „Deutsches Forum für Kriminalprävention“ und Ministerialdirektor im Bundesministerium des Innern, zeigten sich beide überzeugt, dass eine Anschlussfinanzierung für die Stiftungsprofessur allein schon aufgrund der Ergebnisse der ersten Förderphase gelingen werde. Norbert Seitz formulierte abschließend eine ganz konkrete Erwartung an die Stiftungsprofessur, nämlich Antworten auf die Frage zu geben: „Mit welchen Maßnahmen können wir langfristig in Deutschland eine preiswerte Kriminalprävention realisieren?“


Maximilian von Platen