Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2013: Schwerpunkt

Lehramt Sportwissenschaft

Die Studierenden besser auf den Erziehungsauftrag des Sportunterrichts vorbereiten

Das Ausbildungskonzept für das Lehramtsstudium wurde am Institut für Sportwissenschaft der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen in den vergangenen Jahren insbesondere im sportpädagogischen Bereich weiterentwickelt.

Generell zeichnet sich das universitäre Lehramtsstudium durch seine Stärke im Bereich der Ausbildung von Sachkompetenz und Fachwissen aus. Darüber hinaus gehende Kompetenzen mit konkreten Berufsfeldbezügen werden dabei jedoch bislang seltener vermittelt. Mögliche Konsequenzen einer mangelnden Qualifikation im Bereich sozialer bzw. pädagogischer Kompetenzen reichen von gestörten, uneffektiven Unterrichtsprozessen und Störungen des Klassenklimas bis hin zu Lehrkräften, deren Überforderung in Krankheiten resultieren kann.

Sozial-kommunikativen und pädagogischen Kompetenzen kommen bei der Tätigkeit als Sportlehrer besondere Bedeutung zu, da – stärker als in manchen anderen Fächern – neben den sachorientierten auch pädagogische Zielsetzungen verfolgt werden sollen. So sind in allen Bildungsplänen Deutschlands für den Sportunterricht auch allgemeinbildende Zielsetzungen formuliert, zwei Drittel der Bildungspläne formulieren explizit, dass der Sportunterricht einen unverzichtbaren Bestandteil des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schule darstellt und ein Drittel der Bildungspläne verweist auf das besondere Erziehungspotenzial des Sportunterrichtes. Das Studium der Sportwissenschaft gilt als vergleichsweise praxisnahes Universitätsfach, wird hier doch traditionell auch fachdidaktisches und methodisches Wissen vermittelt. Forschungsbefunde belegen jedoch, dass die Universitäten insbesondere auf den Erziehungsauftrag des Sportunterrichts weniger gut vorzubereiten scheinen.

Im Lehramtsstudiengang Sportwissenschaft an der Universität Tübingen wird innerhalb der sportpädagogischen Ausbildung zunächst Basiswissen über sportdidaktische Modelle vermittelt. In darauf aufbauenden Proseminaren reflektieren und diskutieren Studierende und Lehrende vorwiegend theoretisch, beispielsweise über Störungen und Probleme im Unterricht. Hierbei werden einerseits Erfahrungen der Studierenden aufgegriffen, andererseits Berichte aus der Lehrerpraxis herangezogen sowie auf erziehungswissenschaftliche und psychologische Theorien und Erkenntnisse zurückgegriffen. Die Studierenden sollen dadurch typische Praxisprobleme ihres Berufsfeldes kennen- und einschätzen lernen sowie Ideen zur Lösung der Probleme gewinnen. Die Studierenden lernen aber auch, Unterrichtsstörungen nicht nur als lästige Unterbrechungen geplanter Abläufe zu begreifen, sondern als Chance für beispielsweise eine Initiierung sozialen Lernens und erzieherischer Prozesse.

Als weitere Stufe der kompetenzorientierten Sportlehrerausbildung wurde am Institut für Sportwissenschaft (IfS) ein spezielles Training für Sport-Lehramtsstudierende erarbeitet, das auf die Vermittlung berufsspezifischer Sozialkompetenzen zielt. Dieses Seminar beinhaltet neben theoretischen Hintergründen kognitive, emotionale und motorische Trainingselemente, wobei ein Schwerpunkt auf anwendungsbezogenen Rollenspielen mit Videofeedback liegt.

Auch das vom IfS angebotene fachspezifische Ethikseminar (Ethisch-Philosophisches Grundlagenstudium, EPG2) wurde dahingehend umgestaltet, konsequent im Sport — und in der Gesellschaft — vermittelte Werte kritisch zu hinterfragen, diesbezügliche eigene Werthaltungen zu reflektieren und die Relevanz und Anwendbarkeit im Lehrerberuf zu beleuchten.

Im Hinblick auf eine stärker berufsfeldorientierte Lehrerausbildung befindet sich die Sportwissenschaft in der günstigen Situation, dass es sich um eine sehr anwendungsbezogene Disziplin handelt, bei der Forschung und Berufsfeldorientierung oft Hand in Hand gehen. Dies ermöglicht auch, Studierende im Sinne eines forschenden Lernens in praxisnahe Forschungsprojekte einzubinden. Eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten zum 1. Staatsexamen weist beispielweise Schul- und Unterrichtsbezüge auf oder ist der Frage nach Lehrerkompetenzen gewidmet.

Studentische Rückmeldungen im Rahmen von Lehrveranstaltungsevaluationen an der Universität Tübingen scheinen diese Ausrichtung der Sportlehrerausbildung zu bestätigen. Neben guten Noten geben die Studierenden das Feedback, dass diese Veranstaltungen als nützlich für den weiteren Berufsweg angesehen werden und die pädagogische Aufgabe des Lehrerberufs in das Bewusstsein rücken.

Andreas Hoffmann

Literatur

Prohl, R., & Krick, F. (2006). Lehrplan und Lehrplanentwicklung – programmatische Grundlagen des Schulsports. In Deutscher Sportbund & Deutsche Sportjugend (Hg.), DSB SPRINT-Studie. Eine Untersuchung zur Situation des Schulsports in Deutschland (S. 19-52). Aachen: Meyer & Meyer.

Rothland, M. (2010). Soziale Kompetenz: angehende Lehrkräfte, Ärzte und Juristen im Vergleich. Zeitschrift für Pädagogik, 56(4), 582-603.

Schaarschmidt, U. & Kieschke, U. (Hg.). (2007). Gerüstet für den Schulalltag. Psychologische Unterstützungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer. Weinheim: Beltz.