Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2014: Forschung

Wie Bakterien molekulare Spritzen zu ihrem Vorteil einsetzen

Die mexikanische Humboldt-Stipendiatin Julia Monjarás Feria forscht am Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin

Den Weg an die Universität Tübingen fand die Mikrobiologin Dr. Julia Monjarás Feria, die aus Mexiko-Stadt stammt, über eine Konferenz in Italien vor rund drei Jahren. Dort lernte sie ihren heutigen Forschungsgruppenleiter Professor Samuel Wagner kennen, der seit 2012 am hiesigen Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin arbeitet. So groß der Kontrast zwischen der 20-Millionen-Metropole Mexiko-Stadt und der 84.000 Einwohner zählenden Stadt Tübingen auch ist, in der Forschung fühlte sich Julia Monjarás gleich heimisch. Denn eine spezielle Transportstruktur in der Außenhülle krankheitserregender Bakterien, an der sie in ihrer Doktorarbeit geforscht hatte, beschäftigt auch Wagners Team.


Viele Bakterien, die in Kontakt mit höher entwickelten Vielzellern wie dem Menschen leben, haben Mechanismen entwickelt, mit denen sie die Reaktionen der Wirtszellen zu ihrem eigenen Vorteil manipulieren können. Einige Krankheitserreger wie Salmonellen, der Pesterreger Yersinia und EHEC-Bakterien (Enterohämorrhagische Escherichia coli), die lebensbedrohliche Darmentzündungen auslösen können, nutzen dabei eine Struktur, die einer medizinischen Spritze für Injektionen mit einer langen Nadel ähnelt. „Darüber transportieren die Bakterien Stoffe in die Wirtszellen, die für ihre eigenen Zwecke umprogrammiert werden“, erklärt Julia Monjarás. „Der ‚Injektionsapparat‘ reicht vom Innenraum der Bakterien über beide Membranen der äußeren Hülle nach außen.“


Wenn den Bakterien diese Transportvorrichtung fehlt, sind sie lange nicht mehr so gefährlich. Für die vergleichsweise einfach aufgebauten Bakterienzellen ist die Spritzenstruktur erstaunlich komplex: Sie besteht aus etwa 20 verschiedenen Proteinen. Julia Monjarás untersucht zwei dieser Komponenten besonders intensiv. Die Spritzenstruktur sieht bei verschiedenen Bakterienarten sehr ähnlich aus. Biologen sprechen auch davon, dass der Bauplan stark konserviert wurde. „Nur die ‚Injektionsnadel‘ ist unterschiedlich lang, je nachdem, wie dick die Außenhülle ist, die es zu überbrücken gilt“, sagt die Wissenschaftlerin. Da es keine vergleichbare Struktur in menschlichen Zellen gibt, bieten diese Proteine ein gutes Ziel für Antibiotika. Doch um das Wissen für künftige Therapien zu nutzen, müssen die Grundlagen erst geschaffen werden.


Julia Monjarás ist bereits seit einem Jahr in Tübingen und wird über die erfolgreiche Einwerbung eines Georg Forster-Forschungsstipendiums der Alexander von Humboldt-Stiftung zwei weitere Jahre als Postdoc in Wagners Team arbeiten. Dieses Stipendium wird an überdurchschnittlich qualifizierte Forscherinnen und Forscher aus Entwicklungs- oder Schwellenländern vergeben, die ein Forschungsvorhaben an einer Einrichtung in Deutschland zusammen mit einem selbst gewählten Gastgeber durchführen wollen. „Wie wichtig es in der Forschung ist, auch die Arbeit und Methoden anderer Labors im Ausland kennenzulernen, ist mir bei einem viermonatigen Aufenthalt in Japan klar geworden“, berichtet Julia Monjarás. „In Japan wie auch in Deutschland sind die Fördermöglichkeiten sehr gut. Das Forster-Stipendium bietet eine hervorragende Unterstützung.“


Deutschland kannte sie vor ihrem längeren Aufenthalt von einigen Reisen. „In Tübingen sind die Leute sehr nett und die Wege kurz. Ich brauche nur 20 Minuten zur Arbeit“, sagt sie. Gleich am Ende ihrer Tübinger Wohnstraße beginnt der Wald, wo sie manchmal mit ihren Kollegen joggen geht. Doch sie liebt auch das Leben in Mexiko-Stadt, wo sie bald heiraten möchte. „Die Jahre in einem deutschen Forschungslabor sind eine wertvolle Erfahrung, da ich in Mexiko weiter in der Wissenschaft tätig bleiben will“, sagt Julia Monjarás. Die Kontakte, die sie jetzt knüpfen kann, bieten eine gute Grundlage für die internationale Forschungszusammenarbeit.

Janna Eberhardt