Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2014: Forschung

Spannung im Profisport: Die Wechselwirkung von Wettbewerbsintensität und Fanverhalten

Der Sportökonom Tim Pawlowski untersucht, warum Fans sich für Sportereignisse interessieren und welche Entwicklungen das Fan-Interesse negativ beeinflussen könnten

Die Zuschauerzahlen der Fußball-Bundesliga boomen seit Jahren, der vorläufige Rekord wurde vor zwei Jahren aufgestellt. Gleichzeitig steht aber in diesem Jahr der FC Bayern München bereits seit Ende März als deutscher Meister fest, sieben Spieltage vor Saisonschluss – so früh wie noch nie zuvor in der 40-jährigen Bundesligageschichte. Droht der Liga jetzt die große Langeweile? Und welche Auswirkungen könnte dies mittel- und langfristig auf den Profifußball generell und insbesondere auf das Zuschauerverhalten haben?

Fragen, die die (Ungleich-)Verteilung von finanziellen Ressourcen zwischen Vereinen, die Entwicklung der Wettbewerbsintensität in Sportligen und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Spannung oder das Fanverhalten analysieren, gehören zum Kerngebiet der Sportökonomik, einem der Forschungsschwerpunkte von Professor Dr. Tim Pawlowski. Pawlowski ist seit dem Wintersemester 2012/2013 Leiter des Arbeitsbereichs Sportökonomik, Sportmanagement und Sportpublizistik am Institut für Sportwissenschaft der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen. Im Januar präsentierte Pawlowski aktuelle Ergebnisse seiner Studien zur Wettbewerbsintensität im Profifußball den Verantwortlichen der UEFA am Sitz im schweizerischen Nyon. Eine Teil-Studie zur wahrgenommenen Spannung und deren Bedeutung für Fans in Deutschland, Dänemark und den Niederlanden wurde von der UEFA mit einem Stipendium aus dem UEFA Research Grant Programme 2011/12 gefördert.

„Die Spannung im Sport lebt vor allem von der Unsicherheit – man weiß eben vorher nicht, wer gewinnt“, betont Tim Pawlowski. „Wir wollen herausfinden, wie die Fans aktuell den europäischen Profifußball sehen, welche Faktoren sie zum Stadionbesuch oder zum Verfolgen von Spielen im Fernsehen motivieren. Darüber hinaus möchten wir aber auch anhand von Fanbefragungen Prognosen erstellen, wie sich bestimmte Entwicklungen – beispielsweise die zunehmende Dominanz einzelner Mannschaften – mittel- und langfristig auf das Fanverhalten und damit den Profifußball generell auswirken.“

In vielen Ligen, wie der englischen Premier League, der spanischen La Liga oder eben der Bundesliga gebe es – nicht zuletzt aufgrund der hohen Einnahmen aus der UEFA Champions League und Vermarktungsunterschieden zwischen den Clubs – eine zunehmende finanzielle und auch sportliche Kluft zwischen wenigen Topteams und den anderen Profiklubs. Das kann aus Fansicht problematisch sein. So sind beispielsweise in der spanischen Liga erste Sättigungserscheinungen und – nach Informationen eines Liga-Vertreters – ein rückläufiges Interesse der Fans infolge der langjährigen Dominanz der Top-Teams Real Madrid und FC Barcelona zu beobachten. Dennoch sieht Pawlowski den europäischen Vereinsfußball aktuell noch nicht in der Krise: „Gerade in der Bundesliga sind fast alle Spiele von Relevanz. Selbst wenn der Meister frühzeitig feststeht, ist auch das Rennen um die Champions League-Plätze, die Europa League-Plätze, die Abstiegs- oder Relegationsplätze häufig bis zum Schluss spannend.“

Aktuell geht das Team des Arbeitsbereichs der Frage nach, wo genau der Wendepunkt einsetzt, ab welchem das „Auseinanderdriften“ der sportlichen Leistungen innerhalb einer Liga deren Attraktivität negativ beeinflusst. Die dritte und letzte Stufe der Forschungsarbeiten – der normative Ansatz – ist dann „die Aufstellung von konkreten Handlungsempfehlungen für Verbände und Vereine: Welche Maßnahmen könnten ergriffen werden, um einem drohenden Zuschauerrückgang entgegenzuwirken?“, so Pawlowski. Tatsächlich gebe es bereits heute verschiedene Instrumentarien, um im sehr stark wettbewerbsorientierten Profifußball einer übergroßen Dominanz einzelner Vereine entgegenzuwirken, erläutert Pawlowski. In Deutschland geschehe dies beispielsweise über die zentrale Vermarktung der Fernsehübertragungsrechte und die Umverteilung dieser Einnahmen. Noch stärker sind beispielsweise die nordamerikanischen Profiligen reguliert, wo bereits seit Jahrzehnten Gehaltsobergrenzen und spezielle Regelungen für Spielertransfers gelten, um – so zumindest die Argumentation der Verantwortlichen – für mehr Wettbewerbsgleichheit zu sorgen.

Maximilian von Platen

Kontakt:

Universität Tübingen
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Institut für Sportwissenschaft
Arbeitsbereich Sportökonomik, Sportmanagement und Sportpublizistik
Prof. Dr. Tim Pawlowski
Telefon: +49 7071 29-76544
E-Mail: tim.pawlowski[at]uni-tuebingen.de

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