Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2014: Forschung

Religion und Toleranz gehören in Japan zusammen

Jubiläumstagung des Arbeitskreises „Japanische Religionen“

Religion und Toleranz gehören in Japan zusammen: Was Religionen betreffe, pflege das asiatische Land eine große Vielfalt und eine Kultur des „sowohl als auch“, sagt Professor Dr. Klaus Antoni vom Asien-Orient-Institut (AOI) der Philosophischen Fakultät der Universität Tübingen. Er gehörte vor 20 Jahren zu den Gründungsmitgliedern des Arbeitskreises „Japanische Religionen“, in dem Wissenschaftler gemeinsam forschen. Antje Karbe hat ihn für „Uni Tübingen aktuell interviewt.


Herr Antoni, „Japanische Religionen“ klingt nach einem weitem Feld ‒ welche Themen interessieren Sie und Ihre Kollegen?

Mit dem Arbeitskreis wollten wir alle Kollegen, die sich mit Phänomen der Religion in Japan befassen, in einem Gesprächsforum zusammenführen. Das Themenfeld ist in der Tat weit: Wir setzen uns mit Fragen auseinander, die alle Religionen betreffen, beispielsweise Jenseitskonzepte. Wir haben aber auch den Umgang japanischer Religionen mit Katastrophen wie Fukushima untersucht, Religionen im Internet oder Moderne Mythen.

Sie thematisieren auch moderne Einflüsse ‒ wie hat sich Japan verändert?

Japan ist durch eine sehr große religiöse Vielfalt geprägt. Bis zum zweiten Weltkrieg war die „Staats-Shito“ eine verpflichtende Religion für alle Japaner, danach hat die Trennung von Staat und Religion eingeführt. Eine Zäsur war 1995 der Giftgas-Anschlag der OM-Sekte in Tokio. Dieser führte in zu einer Debatte über die Stellung der Religion: Man diskutierte, ob es möglicherweise zu wenig Kontrolle religiöser Gruppen wie der terroristischen Om-Sekte gibt.

Sie sagen, im Westen ist die Begeisterung für Religionen wie den Buddhismus ungebrochen oder steigt sogar – ist das in Japan genauso?

Das stimmt, im Westen gibt es eine große Begeisterung für den Zen-Buddhismus. In Japan sieht man das nüchterner, es gibt historisch viele unterschiedliche buddhistische Ausrichtungen. In der heutigen japanischen Gesellschaft spielen die Tempel und Schreine eher bei Übergangsriten eine Rolle, die Shintô-Schreine bei Geburt und Heirat, die buddhistischen Tempel im Tod, also ein pragmatischer Umgang. Die „esoterische“ Begeisterung für den Buddhismus ist eher ein westliches Phänomen.

Wie lässt sich das erklären?

Es könnte damit zusammenhängen, dass der Buddhismus dem Image nach für religiöse Vielfalt und Toleranz steht ‒ und damit im Kontrast zu dogmatischen Ansätzen, die wir kennen. Religiös ist Japan eine Kultur des „sowohl als auch“ während das Christentum eher als eine des „entweder – oder“ beschrieben werden kann.

Spielt das Christentum in Japan eine Rolle?

Eine sehr geringe. Schon im 16. Jahrhundert setzte die christliche Mission stark auf religiösen Dogmatismus, das haben die Japaner immer mit westlichen Kolonialisierungs-Bestrebungen verbunden. Auch stellt das Christentum aus japanischer Sicht die politische Machtfrage, weil es den Glauben an die eine Gottheit über den Kaiser, bzw. Tennô, stellt. Das kam nicht gut an.

Ihre Jubiläumstagung fand zum Thema „Geburt und Tod“ statt, gab es dafür einen besonderen Grund?

Wir haben ein Thema gesucht, das einen breiten Zugang ermöglicht. Die Frage woher wir kommen und wohin wir gehen ist ja Kernthema jeder Religion. Wir haben uns angeschaut, wie diese Frage in den verschiedenen religiösen Denominationen Japans behandelt wird.

Arbeitskreis Japanische Religionen (AJR)

Im „Arbeitskreis Japanische Religionen“ (AJR) schlossen sich 1994 deutschsprachige Wissenschaftler aus der Japanologie, Religionswissenschaft und Theologie zusammen. Die etwa 60 Mitglieder treffen sich jährlich und publizieren gemeinsam. Seit 2012 erscheint zudem die online-Zeitschrift BAJR. Zum 20-jährigen Bestehen trafen sich, unter der organisatorischen Leitung von Birgit Staemmler, ca. 50 Teilnehmer vom 8. bis 10. Mai zur Jubiläumstagung „Geburt und Tod ‒ Werden und Vergehen“ auf Schloss Hohentübingen.
www.uni-tuebingen.de/fakultaeten/philosophische-fakultaet/fachbereiche/aoi/projekte/ajr.html