Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2015: Leute

Pionier der Computergrafik und Gründervater der Tübinger Informatik

Zum Tode von Professor Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Wolfgang Straßer ein Nachruf von Wolfgang Rosenstiel und Andreas Schilling

Mit Wolfgang Straßer verlieren wir einen großartigen Menschen und hervorragenden Wissenschaftler und Lehrer, der sich mit großem Einsatz und Erfolg hohe Verdienste sowohl um den Aufbau der Tübinger Informatik als auch um die wissenschaftliche Disziplin der Computergraphik erworben hat.

Der gebürtige Metzinger studierte Nachrichtentechnik an der TU Berlin, arbeitete drei Jahre als Ingenieur bei Nixdorf und promovierte 1974 bei Professor Dr. Wolfgang Giloi. In seiner Dissertation beschrieb er als erster das bekannte Z-Buffer-Verfahren, das heute von fast jedem computergraphischen System vom Handy bis zur Workstation zur Ausgabe von 3D-Graphik verwendet wird. Zitat aus seiner Dissertation: „...hier kann nur die Entfernung der verdeckten Flächen Abhilfe schaffen. Dies ist theoretisch in Echtzeit möglich.“ Und er sagt darüber hinaus auch wie, nämlich durch Einführung der sogenannten z-Koordinate, also sozusagen der dritten Dimension für zweidimensionale Bilder, anhand derer man feststellen konnte, welche Bildteile ohnehin verdeckt werden, und daher auch nicht in den sogenannten Bildspeicher geschrieben werden müssen. Erst Mitte der 80er-Jahre wurde der Versuch unternommen, dieses Verfahren durch ein Patent zu schützen, die Veröffentlichungen von Wolfgang Straßer wurden erfolgreich herangezogen und die freie Nutzung dieses Verfahrens blieb der Allgemeinheit erhalten.

Vor seiner Tätigkeit als C3-Professor an der TU Darmstadt war er Abteilungsleiter am Heinrich-Hertz-Institut in Berlin. 1986 wurde er als ordentlicher Professor an die Universität Tübingen berufen. Dort baute er mit vollem Einsatz den damals noch in der Fakultät für Physik angesiedelten Lehrstuhl Graphisch-Interaktive-Systeme am Wilhelm Schickard-Institut für Informatik (WSI/GRIS) auf und wurde zu einem der Gründerväter der Tübinger Informatik, die als selbständige Fakultät dank des unermüdlichen Einsatzes von Wolfgang Straßer 1990 gegründet werden konnte.

In den 23 Jahren unter seiner Leitung wurden von ihm und seinen Mitarbeitern ca. 700 Arbeiten veröffentlicht, mit denen er auf allen wichtigen Konferenzen und in allen angesehenen Zeitschriften vertreten war. Diese Arbeiten führten zu 45 Dissertationen unter seiner Anleitung. Hunderte von Diplom- und Studienarbeiten wurden betreut. Straßer-Absolventen findet man in allen bedeutenden Firmen der Computergraphik und verwandten Bereichen im In- und Ausland. In selbstloser Weise forderte und förderte er seine Schüler, von denen sich acht für das Fach Informatik habilitierten. Die Relevanz seiner Forschungs- und Entwicklungsarbeiten machte fünf Firmenausgründungen möglich. Das von ihm gegründete Steinbeis-Transferzentrum Graphische Datenverarbeitung und Bildverarbeitung (G+B) pflegt den Kontakt zur Wirtschaft. Sein Lehrstuhl hat überdurchschnittlich viele Drittmittel bei DFG, BMFT, Land Baden-Württemberg, EU und Industrie eingeworben.

1986 initiierte er die erfolgreiche Serie der Graphics Hardware Workshops, die heute ein unverzichtbarer Bestandteil im Programm der Siggraph- bzw. Eurographics-Konferenzen sind. Neben der Herausgebertätigkeit für mehrere Fachzeitschriften führte er bei zahlreichen internationalen Konferenzen und Workshops den Vorsitz. Er war als Gastredner zu bedeutenden Konferenzen eingeladen. Zusammen mit zwei Kollegen verfasste er ein Standard-Lehrbuch zur Computergraphik.

Sein Freitagskolloquium der Graphischen Datenverarbeitung mit Rednern aus dem In- und Ausland war über die Jahre feste Kommunikationsplattform zwischen den Konferenzen in Deutschland und darüber hinaus.

Die wissenschaftliche Arbeit von Wolfgang Straßer wurde durch viele Ehrungen und durch die Wahl in wichtige Ämter anerkannt. So verlieh die Technische Universität Darmstadt Professor Wolfgang Straßer den akademischen Grad „Doktor Ingenieur Ehren halber“ in Anerkennung seiner richtungsweisenden wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Informatik, insbesondere der graphischen Datenverarbeitung, sowie der Umsetzung seiner Forschungsergebnisse zu Systemarchitekturen, Problemlösungen und Anwendungen. Viele weitere Ehrungen folgten.

Wolfgang Straßer zählt zu den führenden Informatikern Deutschlands und genießt in der nationalen und internationalen Fachwelt hohes Ansehen. Nicht zuletzt wird dies auch durch die Tatsache verdeutlicht, dass nicht weniger als 19 seiner Schüler Professoren an Fachhochschulen und Universitäten wurden und renommierte Lehrstühle besetzen.

Doch nicht nur in fachlicher Hinsicht war Wolfgang Straßer ein außergewöhnlicher Mensch. Er wusste seine durch harte Arbeit errungenen Erfolge einzuordnen und erinnerte stets daran, auch andere Dinge des Lebens nicht zu vergessen. Er selbst nannte hier zuerst seine Familie, seine Tiere, die Musik und vor allem den Sport. Er war ein begeisterter Tennisspieler, Reiter, Segler, Bergsteiger, Wildwasser- und Skifahrer.

Wir sind sehr traurig über den plötzlichen und unerwarteten Verlust von Wolfgang Straßer. Er wird uns fehlen. Unser besonderes Mitgefühl gilt seiner Frau, seiner Familie und seinen Angehörigen.