Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 4/2015: Leute

Herausragender Vertreter der Komplexen Analysis und sprachlicher Ästhet

Zum Tode von Professor Dr. Wilhelm Kaup ein Nachruf von Frank Loose und Jürgen Hausen

Im Juni dieses Jahres verstarb nach längerer Krankheit Professor Dr. Wilhelm Kaup im Alter von 77 Jahren. Er war 35 Jahre Ordinarius für Mathematik an der Universität Tübingen und hat das Mathematische Institut nachhaltig geprägt. Wilhelm Kaup gehörte national und international zu den herausragenden Vertretern in seinem Fachgebiet, der Komplexen Analysis.


Geboren wurde Wilhelm Kaup in Haselünne im Emsland und begann sein Studium der Mathematik an der Universität Münster in Westfalen. In Münster wuchs in dieser Zeit eine neue Generation Komplexer Analytiker heran, die viel Beachtung finden sollte. Wilhelm Kaups mathematische Begabung verschaffte ihm schnell Zugang zu diesem anregenden Umfeld. Nach Abschluss des Studiums wechselte er mit seinem späteren Doktorvater Reinhold Remmert nach Erlangen, wo seine eigentliche wissenschaftliche Arbeit begann. Er promovierte und habilitierte dort und wurde 1970 an die Universität Tübingen auf den Lehrstuhl für Komplexe Analysis berufen.


Seine frühen Arbeiten behandelten vor allem das Thema der holomorphen Transformationsgruppen, die ihn international bekannt machten. Später wandte er sich der Untersuchung der Jordan-Algebren zu und wurde hier einer der führenden Vertreter. Die von ihm organisierten Tagungen im Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach brachten regelmäßig die besten Forscher auf diesem Gebiet zusammen. In den späten Jahren seines Wirkens beschäftigte er sich vor allem mit der Cauchy-Riemannschen Geometrie auf Mannigfaltigkeiten. Hier entstanden wegweisende Arbeiten, vor allem mit seinen Schülern Dmitri Zaitsev und Gregor Fels, die in den führenden Mathematik-Journalen publiziert wurden.


Typisch für Wilhelm Kaups wissenschaftliche Arbeiten war nicht nur deren inhaltliche Tiefe. Er stellte höchste Ansprüche daran, seine neuen Erkenntnisse klar und ästhetisch darzustellen. In diesem Sinne war Mathematik für ihn nicht nur Wissenschaft, sondern auch Kunst. In Abwandlung zu einem bekannten Zitat von Wittgenstein könnte man sagen: Alles was man überhaupt sagen kann, kann man auch klar und schön sagen.


Wilhelm Kaup war ein ausgezeichneter Hochschullehrer. Er hatte eine unnachahmliche Art, seine Wissenschaft schwungvoll und anregend, zugleich aber auch klar, geradlinig und auf das Wesentliche konzentriert, darzustellen. Seine Begeisterung für Mathematik war immer zu spüren und sprang auf seine Studierenden über, ohne dass er sich dafür besonderer Effekte bedienen musste.


Seine vielfältigen internationalen Kontakte führten Wilhelm Kaup zu zahlreichen Konferenz- und auch längeren Forschungsreisen, oft in Begleitung der ganzen Familie. Mehrmals wurde er zum Dekan der Mathematischen Fakultät oder Direktor des Mathematischen Instituts gewählt und lange Zeit war er Beauftragter des Mathematischen Kolloquiums, das unter seiner Leitung zu voller Blüte gelangte. Mit Günter Scheja aus Tübingen und Klaus Kirchgässner aus Stuttgart belebte Wilhelm Kaup zudem das traditionsreiche „Schwäbische Mathematische Kolloquium“, bei dem die Mathematischen Institute der beiden Universitäten einmal pro Semester zusammentrafen, um einem hochrangigen Sprecher über aktuelle Ergebnisse der Mathematik zu folgen und untereinander ins Gespräch zu kommen. Viele Einladungen in sein Haus unterstrichen das soziale Engagement von Wilhelm Kaup und seiner Frau, sie werden Schülerinnen und Schülern, Kolleginnen und Kollegen sicher noch lange in bester Erinnerung bleiben.