Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2016: Schwerpunkt

Eine Interessenvertretung für alle Promovenden

Die Arbeit der Doktorandenkonvente

Im letzten Jahr konstituierten sich an der Universität Tübingen die ersten Doktorandenkonvente als Interessenvertretung aller Doktorandinnen und Doktoranden einer Fakultät (vgl. Artikel im Newsletter 3/2015). Pia Engel von der Philosophischen Fakultät, Magdalena Heimgärtner von der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät (MNF) und Christian Stritzelberger von der Evangelisch-Theologischen Fakultät berichten über die Arbeit im Vorstand ihrer Konvente – stellvertretend für alle Konvente an der Universität Tübingen.

Die verbindliche Betreuungsvereinbarung zwischen Doktorandinnen und Doktoranden einerseits und Ihren Betreuerinnen und Betreuern andererseits sowie Fragen der Finanzierung einer Promotion und in diesem Kontext auch die Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes 2016 sind zentrale Themen für die Konvente. Die Betreuungsvereinbarung ist Voraussetzung für die Annahme als Doktorand oder Doktorandin an einer Fakultät. Sie enthält die Namen der Betreuer des Promotionsvorhabens, den Abgabetermin als Ziel und teilweise legt sie auch fest, wie häufig Promovenden und Betreuende sich im Promotionsprozess treffen. Die verbindliche Betreuungsvereinbarung ist Teil der Neufassung des Landeshochschulgesetzes (LHG) vom April 2014.

Die Betreuungsvereinbarung sehen die Vertreter der Konvente grundsätzlich positiv. „Wichtig ist zunächst, dass durch die verbindliche Betreuungsvereinbarung erstmals alle Doktorandinnen und Doktoranden erfasst werden – egal ob sie beispielsweise Stipendiaten, Angestellte, Individualpromovierende oder Studierende sind. Bisher konnte man im Jahresbericht der Universität nur die Anzahl der erfolgreich abgeschlossenen Promotionen nachlesen. Durch die Vereinbarung werden tatsächliche Promotionszeiträume und die Abbrecherquote erfasst“, betont Pia Engel. „Gerade in den Geisteswissenschaften ist die Anzahl der Individualpromovierenden hoch, die Promotionsphase mitunter eine sehr einsame Zeit. Aber die genaue Zahl der Promovierenden war bislang nicht bekannt“, weiß Engel.

Auch die Festlegung eines Ziels für die Abgabe der Promotion wird grundsätzlich positiv gesehen. Denn gleichzeitig verpflichtet sich die Universität, Arbeitsverträge nicht mehr nur für sechs Monate abzuschließen, sondern an die in der Betreuungsvereinbarung vorgesehene Zeit anzupassen. Dies ist so auch im neuen Wissenschaftszeitvertragsgesetz vorgesehen, und die universitätsinterne Arbeitsgruppe „Gute Arbeit“, in der die Konvente vertreten sind, hat das ebenfalls so vereinbart. Die „Richtlinie für die Befristung von Beschäftigungsverhältnissen“ ist im Intranet der Universität abrufbar. Und trotz dieser Verbesserung: In der Vereinbarung wird ein Zeitraum von zwei Jahren für die Promotion festgeschrieben, der Vertrag auch entsprechend abgeschlossen. Realistisch für die Fertigstellung einer Promotion, die durch eine Stelle als akademische Mitarbeiterin oder akademischer Mitarbeiter mit Lehrdeputat finanziert wird, ist das nicht.

„Das ist ein Problem, denn Anschlussstipendien zur Fertigstellung einer bereits einige Jahre durchgeführten Promotion gibt es so gut wie nicht“, erläutert Christian Stritzelberger von der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Und selbst drei Jahre sind in vielen Fällen nicht realistisch: „Der Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät Professor Dr. Wolfgang Rosenstiel hat bei der Podiumsdiskussion mit Wissenschaftsministerin Theresia Bauer am 12. November 2015 eine Grafik präsentiert, laut der die durchschnittliche Promotionsdauer an der Fakultät in den meisten Fächern bei vier bis fünf Jahren liegt“, sagt Magdalena Heimgärtner. Problematisch wird es außerdem bei den zahlreichen Drittmittel-geförderten Projekten, bei denen die Geldgeber die Mittel in der Regel nur kurzfristig vergeben: Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass Drittmittelgeber nicht fördern, weil sie nicht für zwei oder drei Jahre fördern wollen. „Das betrifft aber auch das Fortüne-Programm der Universität und die Anschubfinanzierung“, betont Heimgärtner. Aus Sicht der Konvente wurde ein Problem verschoben, eine Nachjustierung bei den Drittmittelgebern, aber auch der universitären Stellenpolitik an den neuen Rahmen sei hier notwendig.

An der Universität Tübingen sind die Konvente auf Fakultätsebene angesiedelt, sie haben dort eine beratende Stimme in den jeweiligen Promotionsausschüssen bzw. dem Fakultätsrat. Bei einer Neufassung der Promotionsordnung dürfen die Konvente eine Stellungnahme an das Rektorat verfassen. Falls der Konvent darin die Ablehnung der Neufassung empfiehlt, ist dies aber für den Promotionsausschuss nicht bindend.

Die Konvente sind bisher nur als beratende Mitglieder, also ohne eigenes Stimmrecht, in Gremien vertreten. Dennoch ist Christian Stritzelberger der Meinung, dass gerade die beratende Funktion auch eine große Chance zur Interessenvertretung der Doktorandinnen und Doktoranden darstellt – mehr vielleicht sogar als durch eine Gegenstimme im Promotionsausschuss der Fakultät, die womöglich keiner beachtet. „Wir haben bei der letzten Neufassung der Promotionsordnung im Vorfeld als Konvent beschlossen, eine Promotionsordnung ohne festgeschriebene Begutachtungsfrist nicht zur Annahme zu empfehlen. Dies war uns wichtig, damit im Zweifelsfall das Dekanat der Fakultät bei Betreuern nachhakt und die Doktorandinnen und Doktoranden so nicht in einen Interessenkonflikt geraten. Die Fakultät hat das ernst genommen und entsprechend so aufgenommen“, so Stritzelberger.

Die Vertretung der Konvente auf Fakultätsebene in den Promotionsausschüssen ist aus Sicht von Pia Engel bei Fakultäten mit vielen Fächern wie der Philosophischen Fakultät gut und wichtig. Für die Gesamtheit der Doktorandinnen und Doktoranden wäre aber, da sind sich die Konventsvertreter einig, auch eine Repräsentation auf Universitätsebene im Senat wünschenswert, so wie es beispielsweise an der Universität Heidelberg und anderen Hochschulen der Fall ist. „Wir wünschen uns eine Repräsentation auf Fakultätsebene und ein bis zwei Mitglieder im Senat. Juristisch schließt das Landeshochschulgesetz das nicht aus, nur die Hochschulen legen das als ‚entweder – oder’ aus“, so Heimgärtner.

Generell überlegen sich die Vertreterinnen und Vertreter der Konvente in ganz Baden-Württemberg, ob eine eigene homogene Statusgruppe „Doktorandinnen und Doktoranden“ – unabhängig von der Form der Promotion sinnvoll wäre. „Aktuell ist es so, dass wir uns teilweise als (Promotions)-Studierende von Studierenden vertreten lassen, die wir gleichzeitig unterrichten. Oder wir werden als Mittelbauvertreter im Senat vertreten durch Mittelbaumitglieder, die uns bewerten – diese Vermischung ist schwierig“, findet Magdalena Heimgärtner. Pia Engel berichtet, dass es eine solche Statusgruppe in anderen Ländern wie Schweden gibt, dies hat sie beim Besuch einer schwedischen Delegation von der Universität Uppsala in Tübingen erfahren.

Die Konstituierung und Vernetzung stehen für alle Konvente am Anfang ihrer Arbeit. Die eigene Rolle und die Ziele innerhalb des vorgegebenen gesetzlichen Rahmens müssen definiert werden. Eine Satzung bzw. Geschäftsordnung muss erarbeitet und ein Vorstand gewählt werden, Ziele definiert werden. Ganz wichtig ist aber auch die Öffentlichkeitsarbeit, um möglichst viele Doktorandinnen und Doktoranden zu erreichen - denn die Beteiligung bei den ersten Vollversammlungen reichte oftmals gerade für die Beschlussfähigkeit und dafür, einen Vorstand zu wählen. Daher müssen die Konvente aktiv über ihre Arbeit informieren. Nahezu alle Konvente haben auf den Webseiten ihrer Fakultät eine eigene Homepage, der Konvent der Philosophischen Fakultät darüber hinaus auch eine Facebookseite. Aus Gründen des Datenschutzes können die Doktorandenkonvente nicht direkt die Kontaktdaten der Doktorandinnen und Doktoranden erhalten und sind somit auf die Unterstützung der Dekanate angewiesen. Diese informieren die Doktorandinnen und Doktoranden bei ihrer Annahme durch die Fakultät über die Doktorandenkonvente und auch die Angebote der Graduiertenakademie. Der Konvent der Philosophischen Fakultät bereitet gerade einen Info-Flyer vor, der über die Fakultät bzw. die Graduiertenakademie finanziert und verteilt werden soll. Die Dekanate versenden Rundmails für die Doktorandenkonvente an alle Promovenden.

Eine wichtige Vernetzungsmöglichkeit sind darüber hinaus in allen Fakultäten Doktorandenstammtische. An der MNF hat sich gezeigt, dass insbesondere internationale Doktorandinnen und Doktoranden das Angebot der Stammtische gerne nutzen, da sie es aus ihren Heimatländern kennen. Darüber hinausgehende Initiativen zur gezielten fachlichen Vernetzung, wie sie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät anlaufen, sind hingegen an kleineren Fakultäten natürlich viel leichter zu realisieren als an den sehr diversen Großfakultäten. Weitere Möglichkeiten zur Vernetzung über die Fakultäten hinaus bieten auch der Doktorandenclub des Forum Scientiarum und die Veranstaltungen der Graduiertenakademie.

Auf Landesebene gab es bereits fachübergreifend zwei Treffen aller Doktorandenkonvente, das erste im September 2015 in Tübingen. Magdalena Heimgärtner ist dieser Austausch besonders wichtig. „Wir planen eine gemeinsame Mitgliederumfrage auf Landesebene, um eine größere und damit aussagekräftigere Datenbasis zu erhalten über die Wünsche und Probleme der Doktorandinnen und Doktoranden. Das kann uns wiederum helfen, gemeinsame Ziele zu definieren und geschlossen für die Rechte und Anliegen aller baden-württembergischen Doktorandinnen und Doktoranden einzutreten.“

Der Konvent der Philosophischen Fakultät hat hingegen bereits eine eigene Umfrage durchgeführt. Ziel war es, zu erfahren, ob die Promovenden die Angebote der Graduiertenakademie kennen, ob sie sie nutzen und wie sie die Angebote einschätzen. Ein Ergebnis: Notwendig sind Einführungskurse in die „German Academic Culture“ für die zunehmende Zahl der internationalen Doktorandinnen und Doktoranden – diese Einschätzung teilen auch Christian Stritzelberger und Magdalena Heimgärtner. Die Graduiertenakademie bietet solche Kurse bereits an, für September gibt es noch freie Plätze.

Maximilian von Platen

Vollversammlung des Konvents der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät:
Mittwoch, 22. Juni 2016, 17 Uhr s.t., Hörsaal N5, Hörsaalzentrum Morgenstelle

Vollversammlung des Konvents der Evangelisch-Theologischen Fakultät:
Montag, 4. Juli 2016, 20 Uhr c.t.

Liste aller Doktorandenkonvente der Universität Tübingen:
https://www.uni-tuebingen.de/forschung/graduiertenakademie/vernetzung/doktorandenkonvente.html