Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2018: Schwerpunkt

Cluster: Individualisierung von Tumortherapien durch molekulare Bildgebung und funktionelle Identifizierung therapeutischer Zielstrukturen (iFIT)

Maßgeschneiderte Therapien für Krebspatienten

Der Exzellenzcluster „Individualisierung von Tumortherapien durch molekulare Bildgebung und funktionelle Identifizierung therapeutischer Zielstrukturen (iFIT)“ möchte biologische Prozesse in Tumoren umfassend verstehen, um innovative und nachhaltige Krebstherapien zu entwickeln. Die derzeitigen Krebstherapien haben sich oft als nicht dauerhaft wirksam erwiesen. Zwar gelingt es mittlerweile auch bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen, die Krankheit durch moderne medikamentöse Krebstherapien einzudämmen, aber es kommt fast immer zur Entwicklung von Resistenzen. Die Tumore beginnen trotz Therapie erneut zu wachsen. Die Forscherinnen und Forscher wollen daher die biologischen Prozesse in Tumoren durch funktionelle genetische Untersuchungen umfassend analysieren und mögliche Schwachstellen identifizieren, die Angriffspunkte für neue Medikamente sein können.

Ein besonderes Augenmerk wird auf biologische Prozesse gelegt, die es Tumoren erlauben, unter Stressbedingungen zu überleben. Modernste bildgebende Verfahren werden eingesetzt, um Stresszustände von Tumoren zu visualisieren, sodass im Cluster neu entwickelte Krebstherapien, bildgebungsgesteuert und individuell auf den einzelnen Patienten und seine Erkrankung zugeschnitten, eingesetzt werden können. Innovative Immuntherapien sollen zusätzlich das köpereigene Abwehrsystem der Patienten gegen die Tumorzellen aktivieren und eine zielgerichtete medikamentöse Therapie unterstützen und ergänzen. Sprecher des Clusters ist der Onkologe Professor Lars Zender, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin VIII (Klinische Tumorbiologie). Co-Sprecher sind Professor Bernd Pichler, Direktor des Werner Siemens Imaging Center der Universität und der Immunologe Professor Hans-Georg Rammensee. Beteiligt sind zudem die Max-Planck-Institute für Entwicklungsbiologie und für Intelligente Systeme, das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik sowie das Margarete Fischer-Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie.

Interview mit Lars Zender (Hauptverantwortlicher Sprecher)

Was soll im Cluster erforscht werden?

Tumorzellen verfügen über eine Art Infrastruktur, die es ihnen ermöglicht, sich an Stressbedingungen, ausgelöst beispielsweise durch medikamentöse Krebstherapien, anzupassen. iFIT Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen werden die Stresszustände und -antworten der Tumore untersuchen. Sie wollen daraus neue Therapien entwickeln, die die Anpassungsvorgänge und Überlebensstrategien von Tumoren unterdrücken. Mithilfe modernster bildgebender Verfahren werden wir die Vorgänge in den Tumoren visualisieren und damit maßgeschneiderte Therapien für Patienten ermöglichen.

Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich?

Wir können zwar heute auch fortgeschrittene Tumorerkrankungen mithilfe von Medikamenten eindämmen. Allerdings entwickeln die Tumore fast immer Resistenzen und beginnen, trotz Therapie, erneut zu wachsen. Die Forschung im iFIT Cluster ist translational ausgerichtet, das heißt Forschungsergebnisse sollen möglichst zeitnah im Rahmen von klinischen Studien getestet werden, um die Behandlung der Patienten nachhaltig zu verbessern.

Welche konkreten Projekte sind geplant?

Ein gutes Beispiel für ein konkretes iFIT-Projekt sind die geplanten Studien zur sogenannten therapieinduzierten Seneszenz: Oft sterben Tumorzellen nicht direkt ab, wenn sie mit Krebstherapien behandelt werden, sondern gehen in eine Art Winterschlaf, die zelluläre Seneszenz. Seneszente Zellen teilen sich nicht und tragen somit nicht direkt zum Tumorwachstum bei. Sie schütten aber zahlreiche Botenstoffe aus, die benachbarte nicht-seneszente Tumorzellen aggressiver machen und die Bildung von Metastasen verstärken. iFIT-Wissenschaftler haben eine neue Methode entwickelt, mit der sie seneszente Zellen in Tumoren durch die Positronen-Emissions-Tomographie sichtbar machen können. Wir wollen neue molekulare Therapien entwickeln, die nach einer herkömmlichen Krebsbehandlung zur Anwendung kommen und alle verbliebenen seneszenten Zellen eliminieren. Dies sollte die Langzeitprognose der Patienten verbessern.

Was wird die größte Herausforderung sein?

Der Erfolg von iFIT hängt maßgeblich davon ab, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Forschungsrichtungen eng verzahnt und ohne Barrieren zusammenarbeiten. Außerdem müssen Strukturen verbessert werden, damit Forschungsergebnisse zu klinischen Studien führen und damit Patienten zugutekommen können.

Was reizt Sie persönlich an dem Projekt?

Jeder zweite Mann und jede dritte Frau erkranken im Laufe Ihres Lebens an Krebs. Trotz intensiver Forschungsbemühungen ist es in den letzten Jahrzehnten nicht gelungen, die Krebssterblichkeit bedeutend zu senken. Neue innovative und interdisziplinäre Konzepte und eine schnelle Translation, also klinische Anwendung von Forschungsergebnissen sind notwendig. Hier setzt iFIT an und wird hoffentlich einen sichtbaren Beitrag leisten.