Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2018: Schwerpunkt

Tübingen Distinguished Guest Professor: Pharmazeut Antti Poso aus Finnland

Experte für virtuelles Wirkstoffdesign zu Gast

Sechs herausragende internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden bislang zu „Tübingen Distinguished Guest Professors“ ernannt. Sie forschen und lehren jeweils drei Jahre an der Universität Tübingen. Dieses Programm wird zu gleichen Teilen vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg und dem Zukunftskonzept der Universität Tübingen finanziert. Maximilian von Platen hat den finnischen Pharmazie-Professor Antti Poso interviewt.

Wie wird man ein „Distinguished guest professor“?

Das erste Mal bin ich 2012 nach Tübingen gekommen, auf Einladung von Professor Lars Zender, dem Leiter der Abteilung für Klinische Tumorbiologie am Universitätsklinikum Tübingen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Stefan Laufer, Professor für Pharmazeutische und Medizinische Chemie und Leiter des Tübingen Center for Drug Discovery & Development (TüCAD2), haben wir eine sehr intensive und fruchtbare Zusammenarbeit gestartet. Vor drei Jahren haben mir meine Kollegen Laufer und Zender vorgeschlagen, mich als „Distinguished guest professor“ an der Universität Tübingen zu bewerben. Beide waren sich einig, dass dieses Förderformat im Rahmen der Exzellenzinitiative besonders geeignet ist, unsere wissenschaftliche Zusammenarbeit weiter zu intensivieren. Die Förderung wurde 2016 für drei Jahre bewilligt.

Was ist der Schwerpunkt Ihrer Arbeit in Tübingen – in der Forschung und in der Lehre?

Ich suche nach neuen Wirkstoffen, insbesondere auf dem Gebiet der Krebsforschung sowie für die Behandlung von Infektionskrankheiten. Kurz zusammengefasst: ich analysiere die Wechselwirkungen zwischen möglichen Wirkstoff-Kandidaten und dem Protein, also der Angriffsstelle im Körper, auch Target genannt. Für dieses virtuelle Wirkstoffdesign arbeiten wir mit 3D-Modellen der Proteine und benutzen Hochleistungsrechner.

Natürlich gebe ich auch Seminare und halte Vorlesungen an der Universität Tübingen, das ist Teil des Förderformats „Distinguished guest professor“. Meine Studierenden lernen alles Notwendige für die Arbeit am virtuellen Wirkstoffdesign: wie kann man neue Wirkstoffe designen sowie alle chemischen Details zu der Reaktion von Wirkstoff-Molekülen und dem Target. 

Ich plane, langfristig in Tübingen zu arbeiten. Gleichzeitig werde ich aber auch meine Professur an der University of Eastern Finnland in Kuopio behalten. So kann ich große Hochleistungsrechner, die der finnische Staat für finnische Universitäten bereitstellt, auch für meine Forschung in Tübingen nutzen. 

Wie werden in Tübingen neue Wirkstoffe entwickelt und was ist Ihr Part in diesem Prozess?

Ich arbeite in Tübingen sehr eng mit Krebsforschern wie Lars Zender zusammen, aber daneben auch mit Mikrobiologen und Antibiotika-Forschern. 

Praktisch sieht das so aus: Prof. Zender kommt mit einem neuen Target zu mir, zum Beispiel einem Protein, das Krebswachstum auslöst oder verstärkt. Unser Ziel ist es, dieses Protein auszuschalten oder zumindest einzudämmen. Oder Professor Samuel Wagner, Leiter der Sektion Zelluläre und Molekulare Mikrobiologie, findet ein neues Target und wir sollen einen Wirkstoff vorschlagen, der eine Salmonelleninfektion stoppen könnte. – Nun beginnt meine Arbeitsgruppe mit dem virtuellen Wirkstoffdesign. Wir entwerfen ein 3D-Modell des Protein-Targets am Computer und suchen in riesigen Datenbanken nach möglichen Wirkstoffen, die dieses Target binden und so die Krebszellen oder Bakterien hemmen können. Diese Wirkstoffe werden beschafft und im Labor getestet. Die neu identifizierten aktiven Wirkstoff-Kandidaten gehen dann zur Arbeitsgruppe von Stefan Laufer, wo sie synthetisch modifiziert und optimiert werden. Diese werden wiederum im Labor und in vivo getestet. Meistens gibt es dabei mehrere Optimierungsrunden. 

Das virtuelle Wirkstoffdesign hat einen großen Vorteil gegenüber anderen Testmöglichkeiten: man muss nicht 1.000.000 Wirkstoffe testen, das kostet viel Zeit und Geld. Mit dem computergestützten Modell kann man nicht mit 100-prozentiger Sicherheit sagen, welcher Wirkstoff in der Lage ist, sich mit dem Target zu verbinden. Aber man kann damit alle Wirkstoffe ausschließen, die definitiv nicht in Frage kommen. Dadurch muss man letztlich nur 100 oder vielleicht 500 Wirkstoffe im Labor testen.

Wo sehen Sie die Stärken der Universität Tübingen? Warum arbeiten Sie gerne hier?

Ich bin sehr glücklich, dass ich die Möglichkeit habe, in Tübingen zu arbeiten. Ich mag die Atmosphäre hier. Mir gefällt an der Universität Tübingen besonders, dass alle Kolleginnen und Kollegen hier auf exzellentem Niveau arbeiten und damit ein klares Bekenntnis für Spitzenforschung abgeben. 

In Tübingen kann ich sicher sein: wenn beispielsweise Professor Nisar Malek von der Leiter der Abteilung Innere Medizin I oder auch Lars Zender zu mir mit einem neuen Target kommt, dann handelt es sich tatsächlich um ein Target. Ich muss mir über diese Frage keine Gedanken machen und kann mich voll auf meine Arbeit konzentrieren. 

Letztendlich geht es uns darum, etwas zu finden, was den Patienten wirklich hilft. Das ist mein Maßstab für medizinische Grundlagenforschung.

Tübinger Kooperationen, an denen Antti Poso beteiligt ist:

Anti Posso wird künftig auch mit den beiden Ende September genehmigten Tübinger Exzellenz-Clustern „Individualisierung von Tumortherapien durch molekulare Bildgebung und funktionelle Identifizierung therapeutischer Zielstrukturen (iFIT)“ und „Kontrolle von Mikroorganismen zur Bekämpfung von Infektionen (CMFI)“ zusammenarbeiten.