Am 13. Juli um 14:31 Uhr MESZ wurde der russisch-deutsche Satellit Spektrum-Roentgen-Gamma (SRG) erfolgreich vom Kosmodrom im russischen Raumfahrtzentrum Baikonur gestartet. Mit an Bord ist das Röntgenteleskop eROSITA, das von einem Konsortium deutscher Institute unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching entwickelt und gebaut wurde. Auch das Institut für Astronomie & Astrophysik der Universität Tübingen ist an dem Projekt beteiligt. Unterstützt wurde das Konsortium vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Nach dem Transfer in eine L2-Umlaufbahn in einer Entfernung von 1,5 Millionen Kilometern von der Erde wird eROSITA in den nächsten vier Jahren eine Durchmusterung des gesamten Röntgenhimmels durchführen und die erste vollständige Himmelskarte im mittleren Röntgenbereich erstellen.
Das Röntgenteleskop eROSITA ist Teil der russisch-deutschen Raumfahrtmission Spektrum-Roentgen-Gamma (SRG), zu der auch das russische ART-XC-Teleskop gehört. eROSITA wurde unter Leitung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) entwickelt und gebaut, zusammen mit mehreren Universitätsinstituten. Im harten Röntgenbereich von 2 bis 10 Kiloelektronenvolt (keV) wird es die allererste Himmelskarte für diese Energien erstellen. Über einen Zeitraum von vier Jahren wird eROSITA umfangreiche Informationen zu etwa 100.000 Galaxienhaufen, von mehreren Millionen aktiven Schwarzen Löchern in den Zentren von Galaxien sowie von unzähligen anderen Quellen sammeln. Darunter werden sich auch seltene Objekte wie isolierte Neutronensterne, die nur schwer aufzuspüren sind, befinden.
„Das wissenschaftliche Hauptziel der Mission ist es, die Struktur des Universums auf größten Skalen zu beobachten und die gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen, um mehr über die Eigenschaften der ‚dunklen Energie‘ und der ‚dunklen Materie’ zu lernen, also der nicht sichtbaren und nur schwer nachweisbaren Bestandteile des Universums“, erklärt Professor Andrea Santangelo, Leiter der Arbeitsgruppe für Hochenergieastrophysik an der Universität Tübingen. „Röntgenstrahlung aus dem All ist für diese Beobachtungen besonders gut geeignet, da sie in großem Maß durch das heiße Gas in Galaxienhaufen erzeugt wird, den massereichsten Strukturen, die wir im Universum kennen. Wir werden tausende dieser Galaxienhaufen bei unterschiedlichen Rotverschiebungen, das heißt über riesige Distanzen verteilt, beobachten. Dadurch können wir ihre Wachstumsgeschichte im Laufe der Zeit rekonstruieren. Diese wiederum reagiert sehr empfindlich auf die Eigenschaften von dunkler Energie und dunkler Materie. Aber eROSITA wird auch noch Millionen weiterer, bisher unbekannter Röntgenquellen im All aufspüren, was ein ganz neues Bild unseres Universums generieren wird.”
"Die Eigenschaften der dunklen Energie und dunklen Materie zu untersuchen erfordert ein sehr empfindliches Teleskop”, fasst Dr. Chris Tenzer von der Universität Tübingen die technischen Details zusammen: "eROSITA besteht eigentlich aus sieben einzelnen Teleskopen, die jeweils ein Spiegelmodul mit 54 verschachtelten Spiegelschalen und eine Röntgenkamera im Fokus kombinieren. Die Oberfläche jeder Spiegelschale muss extrem glatt sein – die Oberflächenrauigkeit beträgt 0,3 Nanometer – und ist mit Gold beschichtet, um das Reflexionsvermögen für einen streifenden Einfall der Röntgenstrahlen zu erhöhen. Die am MPE entwickelten speziellen Röntgenkameras enthalten extrem empfindliche CCD-Sensoren aus hochreinem Silizium für ein Sichtfeld der Teleskope mit einem Durchmesser von 1 Grad."
Dieses große Sichtfeld wird es eROSITA ermöglichen, die erste vollständige Himmelskarte im mittleren Röntgenbereich bis 10 keV mit bisher unerreichter spektraler und räumlicher Auflösung durchzuführen. Etwa drei Monate nach dem Start wird das Teleskop seinen Zielorbit um L2, den zweiten Lagrangepunkt des Erde-Sonne-Systems, erreichen. Ein Orbit um L2 ist ideal für den geplanten Scan des Himmels: das Teleskop dreht sich langsam um sich selbst und die Erde bedeckt im Gegensatz zu einem erdnahen Orbit nicht einen Großteil des Himmels. Zudem ist es einfacher, die Kameras auf einer konstanten Temperatur zu halten (-85°C), weil die Sonneneinstrahlung relativ konstant ist. Nach Positionierung, Kalibrierung und Funktionstests wird eRosita die nächsten vier Jahre den Himmel scannen, wobei in sechs Monaten eine komplette Karte des gesamten Himmels entsteht und durch nachfolgende Beobachtungen vertieft wird. Im Anschluss werden noch mehrere Jahre lang gezielte Beobachtungen der neu entdeckten Objekte möglich sein.
Der Tübinger Beitrag zum eROSITA Teleskop umfasst mechanische Teile, die in der Werkstatt des IAAT gefertigt wurden, sowie Teile der Software und Firmware zur Analyse der wissenschaftlichen Daten. Auch in den Arbeitsgruppen, die sich auf die Analyse der Beobachtungen vorbereitet haben, sind die Tübinger Wissenschaftler stark vertreten und hoffen nun auf eine erfolgreiche Inbetriebnahme des Teleskops.
Maximilian von Platen
Mehr Fotos auf der Seite des Max-Planck-Instituts für Extraterrestrische Physik
Entwicklung und Bau des Röntgenteleskops eROSITA wurde vom MPE geleitet mit Beiträgen des Instituts für Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen (IAAT), des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP), des Universitätsobservatoriums Hamburg und der Dr. Karl Remeis Sternwarte Bamberg. Die Universitätssternwarte München und das Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn sind zudem an der Vorbereitung der Wissenschaft mit eROSITA beteiligt. Das russische Partner-Institut ist das Space Research Institut IKI, Moskau; technisch verantwortlich für die gesamte Mission SRG ist die Firma NPOL, Lavochkin Association, in Khimky bei Moskau. Unterstützt wird das Projekt von den Raumfahrtagenturen Roskosmos in Russland und dem deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR.