die Universität Tübingen hat am 16. April Abschied von Hans Küng genommen, einem ihrer bedeutendsten Repräsentanten, einem weltweit hochgeschätzten Wissenschaftler und vor allem einem visionären Verfechter der Idee einer friedfertigeren Welt, einer Welt, in der Menschen unterschiedlicher nationaler, weltanschaulicher und religisöser Herkunft in Eintracht miteinander zu leben vermögen.
In den vielen Jahren seines Wirkens als streitbarer Theologe, vor allem aber auch als unermüdlicher Impulsgeber für sein Projekt Weltethos hat er das Renommee der Universität Tübingen in unübertrefflicher Weise befördert. Zugleich hat er den Prinzipien der Freiheit der Wissenschaft und des standhaften kritischen Denkens eine weithin vernehmbare Stimme und ein einprägsames menschliches Gesicht verliehen. Die zahlreichen Auszeichnungen und Preise, die ihm zuteilwurden, haben dabei nicht nur ihn als Person geehrt, sondern haben indirekt auch die Universität Tübingen als seine langjährige Wirkstätte in aller Welt als Ort aufgeklärt-kritischer Wissenschaft und als Ausgangspunkt der Weltethos-Idee bekannt gemacht.
Hans Küngs Verdienste in der gebotenen Kürze würdigen zu wollen, ist ganz gewiss ein schon im Ansatz zum Scheitern verurteiltes Unterfangen: Zu vielfältig und prononciert sind seine Beiträge zu theologischen und weltanschaulichen Debatten, zu differenziert seine Darlegungen, die in ein beeindruckendes Oeuvre mündeten, das inzwischen in einer 24-bändigen Gesamtausgabe vorliegt.
Dass es gelang, ihm an der Universität Tübingen auch nach dem Entzug der Lehrerlaubnis eine akademische Heimstatt zu bieten, hat sich in jeder Hinsicht für uns, aber auch für ihn selbst als Glücksfall erwiesen. Seine Tübinger akademische Heimstatt verschaffte ihm die nötigen geistigen Freiräume, deren sein weit ausgreifendes Denken stets bedurfte, um seine umfassende Wirkung entfalten zu können.
Die Universität verdankt Hans Küng weltweite Strahlkraft, nicht zuletzt durch die Weltethos-Reden, die renommierte Fürsprecherinnen und Fürsprecher seiner Idee nach Tübingen brachten. Alle Weltethos-Redner bekräftigten in den vergangenen Jahrzehnten nachdrücklich die Küngsche Idee der Notwendigkeit einer ethischen Fundierung politischen Handelns.
Bei aller Trauer über den Tod dieses herausragenden Theologen dominiert die Dankbarkeit für die wegweisenden Impulse, die er uns mit auf unseren weiteren Weg zu geben vermochte. Die Universität Tübingen empfindet es als eine hohe Verpflichtung, die Ideen Hans Küngs und sein Wirken in seinem Sinne weiterzutragen und ihm damit die ihm gebührende Ehrerbietung zu erweisen. Wir werden ihn in dankbarer Erinnerung behalten und nehmen von ganzem Herzen Anteil an der Trauer seiner Familie und seiner vielen Freunde und Weggefährten.
Professor Dr. Bernd Engler, Rektor