Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2023: Alumni Tübingen

„Nur wer die Welt versteht, kann sie verändern!“

Alumna Professorin Dr. Bärbel Renner ist Geschäftsführerin der experimenta gGmbH

Frau Renner, welche Position haben Sie inne und welche Aufgaben sind damit verbunden?

Seit Juli vergangenen Jahres bin ich die Geschäftsführerin der experimenta gGmbH. Die experimenta versammelt über 80 verschiedene Berufe und bietet Besuchenden ein sehr vielfältiges Angebot – entsprechend vielfältig sind auch meine Aufgaben. Heute Vormittag ging es um die Sternwarte der experimenta, nachmittags um eine Fachkonferenz und das anstehende Science & Theatre-Festival, zudem um die Vorbereitung der jährlichen Pressekonferenz und das Jahrbuch, das kurz vor der Drucklegung steht.

Was begeistert Sie an Ihrer Stelle?
Die interdisziplinäre Art und Weise, wie wir Wissen vermitteln. Kürzlich hatten wir eine Veranstaltung zu „Die Sterne in den vier Jahreszeiten“, bei der das Württembergische Kammerorchester Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“ spielte und einer unserer Astrophysiker im Planetariumsmodus unseres Science Domes erklärte, welchen Einfluss die Sonne und die Sterne auf die Jahreszeiten haben. 

Welcher Gedanke leitet Sie?
Jüngeren Menschen Mut zu machen! Wir leben in sehr unsicheren Zeiten, in denen es besonders wichtig ist, auf die eigenen Fähigkeiten und Stärken zu vertrauen. Unser Ziel ist es, Freude an Wissen zu vermitteln und das eigenständige Lernen und Verstehen zu fördern. Dafür ist das Experimentieren, Entdecken und Erleben von entscheidender Bedeutung. Wir schaffen Möglichkeitsräume und verstehen uns als ein inspirierender Ort des Lernens für die Zukunft. Als Mutmacherin habe ich mich schon als Professorin verstanden. Junge Menschen zu befähigen, ihren eigenen Weg zu finden, ist überaus erfüllend.

Sie haben in Ihrer Karriere viele verschiedene Stationen durchlaufen. Auf welche berufliche Errungenschaft sind Sie besonders stolz?
Die meisten Errungenschaften erreicht man im Team, nicht alleine. Worüber ich mich jedoch sehr gefreut habe, war 2011 die Auszeichnung zur Professorin des Jahres. Der Fokus lag damals auf „Wegbereiten für Karrieren“, auf Professorinnen und Professoren, die Studierende bestmöglich auf den Berufseinstieg vorbereiten. Durch meine vorherigen Tätigkeiten in der Wirtschaft war meine Lehre immer sehr praxisnah und anwendungsorientiert. Und natürlich freue ich mich, nun als Geschäftsführerin die Verantwortung für das größte Science Center Deutschlands inne zu haben.

Welche Fächer haben Sie in Tübingen studiert und wie haben diese Ihren Berufsweg geprägt?
Ich habe in Tübingen Germanistik und Geschichte studiert. Die Wahl meiner Fächer hing eng mit meinem damaligen Wunsch zusammen, im Verlagswesen zu arbeiten. Schon während meines Studiums war ich viel in verlagsnahen Bereichen tätig – und konnte dann nach Beendigung meines Studiums tatsächlich meine erste Stelle im Schroedel Schulbuchverlag in Hannover antreten.

Welchen Begriff verbinden Sie mit Ihrem Studium in Tübingen?
„Studium Generale“! Ich hatte damals das große Glück, u.a. Hans Küng und Walter Jens in Vorlesungen des Studium Generale erleben zu dürfen. Eine Sternstunde des Studium Generale fand im Festsaal der Neuen Aula statt: Die zwei Professoren sprachen über Nathan der Weise und während Hans Küng das Werk aus theologischer Perspektive analysierte, erläuterte es Walter Jens als Rhetoriker und Literaturwissenschaftler. Diese Vorlesungen waren ungemein bereichernd – und sind unvergessen.

Welche Rolle spielen Wissenschaftszentren wie die experimenta bei der Vermittlung von Wissen?
Die Aufgabe der experimenta ist es, Menschen im Alter von 3 bis 103 Jahren spielerisch für Wissen zu begeistern. Anders als in Museen heißt es in der experimenta, „Berühren erlaubt!“ An den Exponaten in unserer Ausstellung können Sie nicht ehrfürchtig vorbeischreiten, sie müssen mit ihnen interagieren. Auch in unseren Laboren, in der Sternwarte, im Maker Space und im Forum oder den Studios geht es um das Mitmachen. Auf diese Weise können wir in vielfältigen Formaten unterschiedliche Zielgruppen erreichen und Wissen vermitteln. Getreu unserem Motto: Nur wer die Welt versteht, kann sie verändern! Wir zeigen unseren Besuchenden beispielsweise, welch langen Weg eine Jeans zurücklegt, bis sie im Bekleidungsgeschäft ausliegt – und greifen dann das Thema Nachhaltigkeit auf, um Schülerinnen und Schüler nicht nur zu informieren, sondern auch zu nachhaltigem Handeln zu bewegen.

Wenn Sie unverhofft eine Stunde Zeit hätten: An welcher Mitmachstation der experimenta würden wir Sie finden?
Alle Mitmachstationen wurden mit unglaublich viel Fachwissen und didaktischer Expertise konzipiert, weswegen ich mich für alle begeistern kann. Eine Station, die ich jedoch sehr liebe, heißt „Super Ich“. An dieser können Sie ihren eigenen Körper in einer anderen Materialität erscheinen lassen, er sieht dann so aus, als bestünde er rein aus Wasser oder aus Molekülen. Diese Station lädt auch dazu ein, darüber nachzudenken, wer wir sind, was uns ausmacht.  

Vervollständigen Sie bitte diesen Satz. Viele meiner Mitmenschen wären überrascht, wenn sie wüssten, dass… 
…ich Gründungsmitglied des Fördervereins Schwäbischer Dialekt e.V. bin, der 2002 in Tübingen ins Leben gerufen wurde.

Das Interview führte Rebecca Hahn