Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2025: Leute
Ein Geschichtsbewahrer und Archivar mit Weitsicht
Zum Tode von Professor Dr. Volker Schäfer ein Nachruf von Dr. Regina Keyler
Am 1. März 2024 verstarb Professor Dr. Volker Schäfer im Alter von nahezu 90 Jahren. Als langjähriger Leiter des Universitätsarchivs Tübingen und als erster fachlich ausgebildeter wissenschaftlicher Archivar der Universität hat er deren Archivwesen von Grund auf aufgebaut. Er hat damit maßgeblich dazu beigetragen, die Geschichte der Universität für kommende Generationen zu bewahren.
Es sind zwei Sinnbilder, welche das Wirken Volker Schäfers für die Universität Tübingen verdeutlichen: Der „Brunnen“, als Symbol für Weisheit und Wissenschaft, und die „Quellen“, Grundlage für die Arbeit des Archivars.
„Aus dem ‚Brunnen des Lebens‘“ – so lautet denn auch der Titel der Festgabe, die ihm seine Freunde Professor Sönke Lorenz und Professor Wilfried Setzler zu seinem 70. Geburtstag im Jahr 2005 gewidmet hatten. Sie enthält jene Veröffentlichungen von Volker Schäfer, die sich mit der Tübinger Universitätsgeschichte befassen. Der „Brunnen des Lebens“, ein Zitat aus dem Freiheitsbrief von 1477, war auch das Motto der von Volker Schäfer und dem Universitätsarchiv 1977 gestalteten Jubiläumsausstellung. Aber Forschungsergebnisse lassen sich nur auf der Grundlage authentischer Quellen veröffentlichen: Diese für die Universität Tübingen zu erhalten, zu erschließen und der Forschung zugänglich zu machen war Volker Schäfers Lebensaufgabe.
Die Einrichtung eines Archivs an der Universität Tübingen geht auf Professor Dr. Hansmartin Decker-Hauff zurück. Der Professor für geschichtliche Landeskunde betonte 1961 mit Blick auf das 1977 anstehende 500-jährige Universitätsjubiläum, dass die Verwaltung der historischen Dokumente in fachlich qualifizierte Hände gelegt werden müsse. Unter der Leitung des in Marburg ausgebildeten Archivassessors Volker Schäfer, der am 15. März 1965 seinen Dienst antrat, entwickelte sich das Archiv schnell zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Universität. Besonders wichtig wurde es für Forschungs- und Ausstellungsprojekte, die im Zuge des Jubiläums von 1977 realisiert wurden.
Zu Beginn bestand Schäfers Aufgabe darin, das an vielen Stellen der Universität verstreute Schriftgut systematisch zu erfassen. Er überführte es in das Archiv, um es nutzbar zu machen und gleichzeitig für die Nachwelt zu bewahren. Schon früh interessierte er sich für den Einsatz von elektronischer Datenverarbeitung im Archivwesen. Bereits 1979 führte er TUSTEP, das Tübinger System von Textverarbeitungs-Programmen, im Archiv ein. Der konsequente Einsatz neuer Technologien führte dazu, dass bei seiner Verabschiedung in den Ruhestand im Jahr 1997 die auf TUSTEP basierende Übersicht über die Bestände des Archivs über das World Wide Web verfügbar war – das Tübinger Universitätsarchiv war damit ein Vorreiter in der Archivwelt.
Ein weiteres zentrales Anliegen von Volker Schäfer war die Vermittlung der Universitätsgeschichte. Dies tat er mit zahlreichen Ausstellungen, die er mit großem Engagement organisierte. Den Anfang machte die Ausstellung zum 500-jährigen Jubiläum der Burse. Es folgten weitere bedeutende Präsentationen, zuletzt die Ausstellung „Wiedergeburt des Geistes“, die die Universität Tübingen im Jahr 1945 beleuchtete.
Auch als Lehrbeauftragter am Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften förderte er die Universitätsgeschichte. Er vermittelte Wissen, unterstützte die Ausbildung zukünftiger Historikerinnen und Historiker und bildete Archivarinnen und Archivare aus. Für dieses Engagement wurde ihm 1991 die Würde eines Honorarprofessors verliehen. Seine Verbundenheit mit dem Institut führte dazu, dass er 1998 die Gründung des Fördervereins des Instituts mit initiierte und jahrelang als Schatzmeister dieses Vereins wirkte.
Sein Wirken ging jedoch weit über die Universität Tübingen hinaus. Als Vorsitzender der Fachgruppe 8 des Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare (VdA) von 1978 bis 1985 setzte er sich für die Professionalisierung der Arbeit in Archiven an Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland ein.
Seine Forschungsschwerpunkte finden sich in seinem umfangreichen Schriftenverzeichnis wieder. Dazu gehören Veröffentlichungen zur Universitätsgeschichte, zu Stammbüchern, zu Friedrich Hölderlin und Friedrich List. Er initiierte die Reihen „Contubernium“, „Werkschriften des Universitätsarchivs Tübingen“ sowie „Bausteine zur Tübinger Universitätsgeschichte“.
Mit Professor Dr. Volker Schäfer verliert die Universität Tübingen einen herausragenden Wissenschaftler und Archivar, der durch seinen Einsatz und seine Weitsicht das Archivwesen sowie die Universitätsgeschichte maßgeblich geprägt hat. Sein Engagement und seine Arbeit wirken bei all jenen, die davon profitiert haben, wie ein „Brunnen des Lebens“ nach.
Dr. Regina Keyler