Uni-Tübingen

B 02: Gunst – Ungunst? Ressourcenerschließung in Marginalräumen

Projektleitung: PD Dr. Thomas Knopf, Dr. Peter Kühn, Prof. Dr. Thomas Scholten

Mitarbeiter/ innen: Jan Ahlrichs, Jessica Henkner

Zusammenfassung

In diesem Teilprojekt sollen die Ursachen der Erschließung und dauerhaften Nutzung von Räumen untersucht werden, die aus heutiger Sicht als Ungunsträume (Marginalräume wie z. B. Mittelgebirge) betrachtet werden. Die Zusammenarbeit von Prähistorischer Archäologie und Geographie konzentriert sich auf die Ressource Boden und damit zusammenhängend die Landnutzung vor dem Hintergrund der sozio-kulturell bestimmten Bewertung von Ressourcen. Der Zugriff auf diese Dimension der Bewertung von Siedellandschaften als Gunsträume und Ungunsträume im Rahmen der Bewegungen von Menschen wird in diesem Teilprojekt über die kritische Gegenüberstellung von Siedlungen und jeweiligen Ressourcen, der Bodennutzung und der Klimageschichte in Herkunfts- und Zielgebieten dieser Bewegungen erfolgen. Über den Abgleich von Phasen intensiver Bodenbearbeitung und daraus resultierender Kolluvien mit der Besiedlungsgeschichte der ‚Gunst-‘ ebenso wie der ‚Ungunstgebiete‘ vor dem Hintergrund klimatischer und technologischer Parameter können die wechselnden Dynamiken ressourcenabhängiger Bewegungen in Marginalräume und wieder zurück in Altsiedellandschaften ermittelt werden. Dabei wird eine enge Verbindung zwischen der Wahrnehmung und Bewertung von Ressourcen wie Boden und Erzen auf der einen sowie Klima und weiteren naturraumabhängigen Standortfaktoren auf der anderen Seite angenommen. So können etwa zuvor als ,ungünstig‘ empfundene Räume (hinsichtlich ihrer Böden) aufgrund mineralischer Ressourcen (Erze) als ,günstig‘ betrachtet werden, wenn sich die Bewertung dieser Ressourcen verändert. Letztlich werden Klima und Naturraum ab einem gewissen Zeitpunkt ebenfalls zu Ressourcen für die ur- und frühgeschichtlichen Menschen.

Wissenschaftliche Zielsetzung

Folgende Ziele werden verfolgt:

1. Generell sollen Ursachen der Erschließung von Ressourcen in sogenannten Ungunsträumen gefunden und die damit verbundenen Bewegungen von Menschen und Siedlungen erklärt werden. Dabei geht es darum, über die bisher meist monokausalen Erklärungsmuster (‚Bodenschätze‘ oder Klima) hinauszukommen.

2. Dies geschieht, indem mit einer innovativen Verbindung der Bearbeitung archäologischer Quellen und bodenkundlicher Archive ein Abgleich von Besiedlungsmustern, Landnutzungsphasen und klimatischen wie technologischen Prozessen erzielt wird, der als Grundlage einer weitergehenden Deutung im Hinblick auf die Bewertung und ,Inwertsetzung‘ der jeweiligen Ressourcen dient.

3. Zentral ist der Ansatz, die Erschließung von Ressourcen im Zusammenhang mit dem Ressourcenbedarf – ob eher ökonomisch oder eher sozial motiviert, der Ausgangsgebiete, also den ‚Gunsträumen‘ zu ermitteln. Dafür werden die archäologischen Quellen und die bodenkundlichen Archive (Kolluvien) ausgewertet und in Beziehung zueinander gesetzt. Je nach Variation der Parameter ‚Intensität der Besiedlungsdichte‘ und ‚Intensität der Landnutzung‘ in Kombination mit klimageschichtlichen Überlegungen werden verschiedene Szenarien betrachtet, die soziale, ökonomische und klimatische Ursachen vergleichend gegenüberstellen. Dabei wird berücksichtigt, dass auch ökonomisch bzw. klimatisch induzierte Bewegungen in vielfältige soziale Praktiken eingebettet sind.

Bedeutung des Teilprojekts für den SFB

Für die ur- und frühgeschichtliche bzw. mittelalterliche Archäologie ist ebenso wie für die Bodenkunde eine archäopedologische Zusammenarbeit, die von Projektbeginn an alle Arbeitsschritte integriert und inhaltlich aufeinander abstimmt, bislang kaum etabliert. Mit dem Teilprojekt B 02 werden somit, was den Umfang dieser Kooperation betrifft, neue Wege beschritten. Mit dem Bezug auf die Ressourcenthematik wird durch die Verbindung naturwissenschaftlicher und kulturgeschichtlicher Methodik ein wichtiger Beitrag für den SFB geleistet. Bewegungen nicht nur anhand der archäologischen materiellen Hinterlassenschaften, sondern durch die direkt und indirekt von den Menschen beeinflusste Landschaft mit ihren Ressourcen zu erfassen, wird für den SFB ein grundlegender Baustein der fachübergreifenden Zusammenarbeit. Unter Einbeziehung der ideell-symbolischen Wertungen von Ressourcen durch die Menschen wird somit die Dynamik zwischen Bewegungen, klimatisch-geographischen Gegebenheiten und den sozio-kulturellen Dimensionen der Ressourcen untersucht. Das Teilprojekt liefert Aufschlüsse über die Wechselwirkung von Ressourcenbewertung und Bewegungen bzw. Entwicklungen von der Urgeschichte über das Mittelalter bis in die Gegenwart.


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