Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2023: Studium und Lehre

Mit dem Fahrrad nach Athen

Informatikstudentin Indira Echsler fuhr über 2500 Kilometer in ihr Auslandssemester

Für ihren Weg ins Auslandssemester nach Athen war Indira Echsler nachhaltiges Reisen wichtig. „Wenn ich schon grün mache, kann ich auch mit dem Fahrrad fahren,“ dachte sich die Masterstudentin der Informatik. Was zunächst eher als Witz gemeint war, wurde am Ende eine Tour über 2620 Kilometer in 27 Tagen.

Indira wollte Höhenmeter vermeiden; statt der beliebteren Fernradstrecke über die Alpen und entlang der Adria plante sie eine Route über Wien und Bratislava quer durch Ungarn, weiter über Serbien und Nordmazedonien nach Griechenland. Mitte August 2022 ging es in ihrem Heimatort Essingen bei Aalen los: Rund 100 Kilometer täglich, Übernachtung unter freiem Himmel, alle paar Tage eine Unterkunft, meist privat als „Couchsurferin“. Neben der Ausrüstung für die Tour hatte die 23-Jährige fast alles aufs Rad gepackt, was sie für ihr Semester in Athen brauchte; nichts wurden nachgeschickt. Zwei Satteltaschen, ein großer Rucksack auf dem Gepäckträger, dazu bis zu sieben Liter Wasser – Indira Echsler beschränkte sich auf das Notwendigste.

„Die erste Woche war schon anstrengend,“ meint sie, „aber dann hab ich mich auch schnell dran gewöhnt.“ Ihr typischer Start in den Tag: „Man wacht auf mit Sonnenaufgang, packt seine Sachen zusammen, Frühstück dann nach 20, 30 Kilometern auf der Strecke.“ Im weiteren Tagesverlauf gab der Körper vor, wann eine Pause zum Essen oder Lesen nötig war. Wasser gab es unterwegs an Brunnen oder im Supermarkt, wo Indira auch Tagesverpflegung kaufte. Mal kehrte sie in Lokalen am Weg ein oder bediente sich – weiter im Süden – an Feigenbäumen. „Essen finden ging immer,“ sagt sie, auch wenn mal der eine oder andere unerwartete Feiertag den Einkauf erschwerte.

Meist radelte Indira, solange es hell war, dann hielt sie Ausschau nach einem Lagerplatz. Ihr Biwakzelt kam nur ein einziges Mal zum Einsatz, „sonst war es immer ‚Isomatte hinlegen und schlafen‘,“ berichtet sie – das Wetter war ihr wohlgesonnen. Schlafplätze waren in Wald und Wiese oder mal in einer Höhle oder unter einer Autobahnbrücke. „Laut ist es immer, egal wo man schläft,“ erklärt die Studentin. “Natur ist ziemlich laut, es gibt immer irgendwelche Vögel oder irgendwas raschelt und surrt herum.“

Manche Begegnung in der Nacht war recht eindrücklich: „Einmal waren zwei Wildschweine zehn, zwanzig Meter weit weg. Da fühlt man sich mulmig, wenn die über Stunden rumschreien.“ Die Tiere erwiesen sich aber als ebenso harmlos wie die Dachse, die Indiras Übernachtungsplätzen manchmal sehr nahekamen. Am Tag war die Studentin meist radelnd unterwegs. „Ich habe gar nicht so viele Menschen getroffen.“ Und wenn, dann waren sie oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Sei es der „Vulkanisateur“ mit Reifen-Expertise in Serbien, dessen Werkstatt dort war, wo Indira wegen Dornen auf der Strecke gleich zehn Löcher gleichzeitig im Schlauch hatte, oder der Autofahrer mit dem Werkzeug im Kofferraum, der auf einer sonst weitgehend unbefahrenen Straße just in dem Moment auftauchte, als ihr Plastikreifenheber gebrochen war. Angst, als junge Frau allein unterwegs zu sein, hatte sie nicht. „Ich hatte einfach ein Vertrauen, dass alle Menschen nett sind,“ sagt Indira, und tatsächlich waren die oft „superfreundlich“.

Bis Wien war Indira Echsler vor allem auf dem Donauradweg unterwegs – zwar leicht bergab, aber „es sah eine Woche lang alles gleich aus: unspektakulär und platt“. Bis Ungarn habe es durchgängig Radwege gegeben. „Ich fand es krass, wieviel ärmer es wurde, je weiter südlich ich kam. Ab Serbien dann nur noch Landstraßen, keine eigenen Fahrradwege mehr. Einheimische mit Rädern hatten alte Drahtesel, manche hatten leere Farbeimer als Satteltaschen im Einsatz,“ berichtet sie. Auch die vielen toten Tiere – Hunde, Rehe, Vögel – die dort häufig auf der Straße lagen, waren einprägsam.

Sightseeing in bedeutenden Städten hatte Indira auf ihrem Weg eingeplant: Sie erhöhte am Vortag das Tagespensum auf dem Rad, um dann einen Tag lang im wahrsten Sinne des Wortes kürzer zu treten und Zeit für Besichtigungen zu haben. Am besten gefiel ihr Budapest mit seiner Altstadt, auch die Festung von Belgrad hat Eindruck hinterlassen. Die Stadtaufenthalte waren auch mit einem festen Dach über dem Kopf verbunden: „Abendessen, Badezimmer, Strom und ein Bett,“, bringt Indira die Vorteile dieser Unterkünfte auf den Punkt, dazu hätten sich auch nette Begegnungen mit den Gastgeberinnen und Gastgebern ergeben.

Landschaftlich fand die Studentin vor allem Nordmazedonien „superschön“: Südliches Flair mit Granatapfel-, Kaki- und Olivenbäumen und auch mal einer Schildkröte auf dem Weg, dazu Gebirge – trotz aller Anstrengung sei das die abwechslungsreichere Landschaft und Route gewesen, meint Indira, Nach 23 Tagen auf dem Rad kehrte sie in einem Selbstversorgerkloster in den nordgriechischen Bergen ein. Hier gab es gegen Hilfe bei Gartenarbeit und Landwirtschaft drei Wochen lang Kost und Logis. Zudem konnte Indira abgelegte Kleidung der Nonnen mitnehmen: „Meine ganzen Winterklamotten habe ich dort geschenkt bekommen,“ freut sie sich. Mit diesem Mehr an Gepäck radelte sie anschließend noch vier Tage bis Athen.

„Es war gut, am Ende auch irgendwo anzukommen,“ sagt Indira, die sich für die Zeit in Athen problemlos vom Rad trennen konnte. „Es gibt dort kaum eine Infrastruktur für Fahrräder,“ berichtet sie. „Bevor ich angefahren werde, habe ich es lieber stehen lassen – und die öffentlichen Verkehrsmittel sind dort sehr günstig.“ Den Weg zurück nach Deutschland hat sie dann mit Zug und Fähre absolviert und ihr Rad dort mitgenommen.

Mitgenommen hat Indira bei aller Bescheidenheit auch das Gefühl, ihre Radreise mit allen Hürden alleine bewältigt zu haben. Das sei gut fürs Selbstbewusstsein und mache den Alltag entspannter: „Ich habe den Eindruck, dass ich mit allem Möglichen, was so auf mich zukommt, gelassener umgehe.“ Dachs oder Dornen, Matsch oder Masterarbeit – Indira Echsler ist gerüstet.

Tina Schäfer

Nachhaltiges Reisen: Erasmus Green Mobility

Für Reisen mit nachhaltigen Verkehrsmitteln auf mindestens 50 Prozent der Hin- und Rückreisestrecke wird im Rahmen von Erasmus+ ein Zuschlag von 50 Euro („Green Top Up“) zusätzlich zur regulären Förderung gewährt. Zudem kann die Förderdauer um bis zu vier Tage verlängert werden, wenn sich die Fahrzeit durch das nachhaltige Reisen erhöht. Eine noch längere Reisezeit, wie etwas bei Indira Echsler, kann nicht zusätzlich gefördert werden.