Uni-Tübingen

B 03: Ressourcenerschließung und Herrschaftsräume im Mittelalter: Klöster und Burgen

Projektleitung: Prof. Dr. Jörn Staecker, Prof. Dr. Steffen Patzold

Mitarbeiter/ innen: Christina Vossler-Wolf, Marco Krätschmer, Katja Thode

Zusammenfassung

In diesem Teilprojekt soll das Zusammenspiel materieller (Rohstoffe, Werkstoffe) und immaterieller Ressourcen (Netzwerke, Bildung, Schriftlichkeit) im Rahmen spezifischer sozialer Strukturen und kulturell geprägtem Handlungskontext anhand ausgewählter mittelalterlicher Klöster und Burgen eines bestimmten Raumes (Oberschwaben) vom 8. bis zum 14. Jh. erforscht werden. Die Untersuchung sozio-kultureller Dynamiken bietet sich bei mittelalterlichen Burgen und Klöstern in besonderem Maße an, da sie wichtige Wirtschafts- und Kulturzentren darstellten und Klöster darüber hinaus durch die monastischen Regeln eine strenge soziale Ordnung aufweisen. Zugleich waren Klöster und Burgen Herrschaftszentren, von denen aus die mittelalterliche Gesellschaft entscheidend geprägt wurde. Es steht damit ein Bündel sich gegenseitig beeinflussender Ressourcen, sog. Ressourcenkomplexe, zur Verfügung, die für keinen anderen Bereich der Mittelalterforschung in dieser Dichte vorhanden sind. Entsprechend vielfältig sind die ökonomisch, kulturell sowie sozial motivierten Bewegungen, die sich an ihnen erforschen lassen.

 

Wissenschaftliche Ziele

Indem in fächerübergreifender Kooperation zwischen Archäologie und Geschichtswissenschaft der Zusammenhang von Ressourcenerschließung, ihrer Nutzung und Kontrolle durch kirchliche und weltliche Herrschaftsträger zum Ausbau ihrer jeweiligen Herrschaftsräume sowie ihre sozio-kulturelle Relevanz untersucht werden, verfolgt das Teilprojekt drei eng aufeinander bezogene Ziele:


1. Es wird erstens betrachtet, welche materiellen und immateriellen Ressourcen für die ‚Gründung eines Klosters bzw. einer Burg‘ ausschlaggebend waren und wie sie in der Folge genutzt und zu räumlichen, kulturellen und sozialen Veränderungen bzw. Bewegungen wurden. Vor allem die immateriellen Ressourcen wurden bislang kaum berücksichtigt, doch gerade in der Vielfältigkeit der Ressourcen wie Rohstoffe, Wassernutzung, Kapital durch Verkauf der Produktion, soziales Netzwerk der monastischen Gemeinschaften und schließlich kulturelle Ressourcen wie Schriftlichkeit und Regelwerke entsteht hierbei ein neuer Forschungsansatz.

2. Zweitens soll das Verhältnis von Ressourcennutzung und soziokulturellen Ordnungen in Klöstern bzw. einer Burg erforscht werden. Dies einerseits zwischen Klöstern der gleichen Ordenszugehörigkeit, andererseits – bisher in der Forschung nicht berücksichtigt – im Vergleich verschiedener monastischer Ausprägungen: denn die unterschiedlichen Formen schriftlich fixierter normativer Texte (z. B. bei Benediktinern und Zisterziensern) bedeuten unterschiedliche Voraussetzungen für den Umgang mit einem bestimmten Naturraum und seinen Ressourcen ebenso sowie für die spirituelle und soziale Ordnung einer Klostergemeinschaft.

3. Darüber hinaus wird drittens untersucht, wie sich die Nutzung einzelner Ressourcen auf Herrschaftsbildungen auswirkten, in welchem Verhältnis sich also weltliche und geistliche Herrschaftsträger begegneten. Dabei besteht eine enge Verbindung zwischen Burg und Kloster, wenn Klöster von Adligen als Ort des Gebetsgedenkens an die eigene Person und als Familiengrablege gestiftet werden; dennoch entstehen unter territorialen Aspekten Konkurrenzverhältnisse. Dieses Spannungsfeld bietet die Möglichkeit, über das Einzelbeispiel hinaus soziokulturelle Dynamiken mittelalterlicher Gesellschaften zu erarbeiten.

Langfristige Planung

Diese Aspekte sollen für den oberschwäbischen Raum zwischen Bodensee und Donau unter diachroner Perspektive untersucht werden, wobei der Fokus zunächst auf den Klöstern des 8.–14. Jh. liegt. Von ihnen ausgehend sollen in der zweiten Förderphase die Burgen mit ihrer Ressourcennutzung im Mittelpunkt stehen, in der dritten Förderphase wird die Untersuchung zeitlich und räumlich ausgedehnt, um die Veränderungen oder auch Kontinuitäten der Relevanz von Ressourcen über einen langen Zeitraum, der das ganze Mittelalter umfasst, erarbeiten zu können.
Mit diesem Teilprojekt werden Fallbeispiele untersucht, die sich in mehrerer Hinsicht in den Forschungsverbund des SFB hervorragend einfügen. So kann an mittelalterlichen Klöstern und Burgen das Zusammenspiel von wirtschaftlichen, sozialen und politischen Aspekten der Erschließung und Nutzung von Ressourcen erarbeitet werden, da hier in einmaliger Weise Sachquellen und Schriftlichkeit einander ergänzend Einblicke in Strukturen einer bestimmten Region liefern.

Bedeutung des Teilprojekts für den SFB

Das Teilprojekt ist im Bereich B. BEWEGUNGEN angesiedelt, doch ergeben sich vielfältige Vernetzungen mit den Projektbereichen A. ENTWICKLUNGEN (hinsichtlich den Prozessen gesellschaftlichen Wandels) und C. BEWERTUNGEN (hinsichtlich symbolischer und religiöser Aspekte von Ressourcen). Erst durch den komparativen, umfassenden Ansatz des SFB bietet sich die Möglichkeit, übergreifende Mechanismen sozio-kultureller Dynamiken zu beobachten und Modelle historischer Lebenswirklichkeiten zu entwerfen.


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