Uni-Tübingen

C 06 Reis und Heilpflanzen. Die kulturelle Konstruktion nährender und heilender Pflanzen in Südindien

Projektleitung: Prof. Dr. Gabriele Alex
Mitarbeiter/ innen: Justus Weiß, Heribert Beckmann

Zusammenfassung

Das Projekt beschäftigt sich mit zwei Ressourcen in Südindien: Reis und Heilpflanzen. Reis bildet die hauptsächliche Anbaupflanze in den Schwemmgebieten der südostindischen Flussdeltaregion, Heilpflanzen wachsen vor allem in den Wäldern der Bergregionen Südindiens. Die Nutzung dieser Ressourcen und die Bewirtschaftung der damit verbundenen Naturräume findet ihren Niederschlag in den soziokulturellen Ordnungssystemen lokaler Gesellschaftsgruppen: so beziehen sich die unterschiedlichen Rituale und Mythen der Region auf die Landschaftsräume und die Beziehung der Menschen zu ihnen, aber auch die sozio-politischen Strukturen und ‚Gender‘-Konzepte sind eng verwoben mit den jeweiligen Subsistenzmodi und der Beziehung der unterschiedlichen Landschaften und ‚ihrer’ Menschen zueinander. Die Bewertung von, der Zugang zu und der Umgang mit den Naturräumen ist im Prozess des Kolonialismus und Postkolonialismus vielfältigen Wandlungen unterworfen worden,

1) in Bezug auf die Hoheits- und Nutzungsrechte der Naturräume,

2) in Bezug auf die Techniken, Bewirt-schaftungsformen und

3) die Konzepte und Bewertungen von Natur und Ressource.

Parallel dazu haben sich die politischen und sozialen Strukturen transformiert, die Sklaverei wurde aufgehoben, es kam zur Umverteilung von Teilen des Landes und zur Ausbildung von Klassen.

 

Wissenschaftliche Ziele

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen stehen im Mittelpunkt dieses Teilprojektes die Vorstellungen und Konzeptualisierungen der Ressourcen Reis und Heilpflanzen innerhalb unterschiedlicher und sich wandelnder ökologischer, sozialer und ökonomischer Lebenswelten. Die Forschung soll zum einen aufzeigen, welche unterschiedlichen Ordnungs- und Deutungsmuster von Reis und Heilpflanzen den Umgang und die Nutzung dieser Ressourcen bestimmen. Darauf aufbauend soll herausgearbeitet werden wie sich die Konzeptualisierungen und Praktiken um diese beiden Ressourcen verändern, zum einen durch wirtschaftlich-technologische Veränderungen (z. B. der Einführung genetisch modifizierter und monopolisierter Reispflanzen und Heilpflanzen, neuer Anbautechniken und -zyklen), zum anderen hinsichtlich der mit staatlichen (und überstaatlichen) Eingriffen verbundenen Diskurse über Nachhal-tigkeit und Umweltschutz. Weiterhin fokussiert das Projekt auf die Beziehung zwischen Ressourcennutzung, Ressourcenbedeutung und Identität. Zum einen spielt dies im Kontext des Kastensystems eine Rolle, zum anderen ist es die Ressource die den Menschen zum Bauern oder zum Heiler macht, und umgekehrt und schließlich beeinflusst die staatliche Kontrolle von Ressourcen die sozialen und politischen Identitäten der Bevölkerung.
Das Teilprojekt bezieht sich auf das im Wissenschaftlichen Profil des Sonderforschungsbereichs eingeführte Konzept der kulturellen Konstruktion von Ressourcen, indem es nicht von einer a priori vorhandenen Natur ausgeht, sondern anknüpfend an Latours und Descolas Thesen zur Neuformulierung der Natur/Kultur Beziehung fragt, wie sich Gesellschaft und Ressource im Kontext von sozialen, politischen und technologischen Rahmenbedingungen gegenseitig schaffen. Darauf aufbauend wird untersucht in welcher Form und Weise der staatliche und marktwirtschaftliche Umgang mit Reis und Heilpflanzen in Südindien die politischen und sozialen Beziehungen und die kulturellen Lebenswelten der Bevölkerung beeinflusst, umdeutet und neu strukturiert. Damit schließt das Teilprojekt an die zentrale Problematik des SFB an, die nach der Rolle von Ressourcen bei der Bildung, Aufrechterhaltung und Veränderung von Institutionen, Gruppen, Gemeinschaften und Gesellschaften dienen.


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