Uni-Tübingen

B 03

Ressourcenerschließung und Herrschaftsräume im Mittelalter: Burgen und Klöster

Fachklassifizierung

Landesgeschichte
Archäologie des Mittelalters



Doktorand*innen
und Postdocs


Das Teilprojekt B 03 widmete sich während der ersten Förderphase (2013–2017) schwerpunktmäßig den ökonomischen und spirituellen Ressourcen mittelalterlicher Klöster und des mit ihnen interagierenden Adels in Oberschwaben. In der zweiten Projektphase (2017–2021) standen Burg, niederadlige Herrschaftsbildung und Ressourcen der Kulturlandschaft zwischen Rems, Fils und Donau im Fokus des Interesses. Ziel des Teilprojekts war es stets, das Zusammenspiel von Burg und Kloster systematisch und vergleichend zu betrachten, um sozio-kulturelle, räumliche und zeitliche Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Veränderungen der daran geknüpften RessourcenGefüge herauszuarbeiten. Dabei soll die individuelle Ausprägung spezifischer kloster- und burgengebundener RessourcenKulturen unterschiedlicher Akteursgruppen wie Hochadel und Niederadel beleuchtet werden. In der dritten Förderphase (2021–2025) wird der komparative und synthetisch-vergleichende Zugriff anhand von zwei weiteren lokalen Fallbeispielen interdisziplinär und detailliert beleuchtet und der Wandel der kleinräumigen RessourcenGefüge herausgearbeitet. Hierfür sind je eine Teiluntersuchung zu den Pfalzgrafen von Tübingen sowie zu den edelfreien Herren von Greifenstein vorgesehen, bei denen – mit unterschiedlichen Gewichtungen – gleichermaßen archäologische wie historische Zugriffe möglich sind.
Aufbauend auf den Erkenntnissen der beiden vergangenen Förderphasen, in denen deutlich wurde, welch grundlegende Bedeutung Klöster und Burgen jeweils als RessourcenKomplexe adliger Herrschaftsbildung besaßen, sollen nunmehr Burg und Kloster in ihrem Zusammenwirken als Teile adliger RessourcenKultur bei der Gestaltung und Entwicklung von Herrschaft untersucht werden. Die ältere Forschung sah hier die Aufgaben klar verteilt. Während seit dem 11. Jh. der Adel begann, mit der Burg einen Mittelpunkt der sich räumlich manifestierenden Herrschaft zu gestalten und zugleich von hier aus sein (neues) Verständnis als dynastisch definiertes Herrschaftsgeschlecht zu zentrieren (die namengebende Stammburg als ‚Stein gewordenes Symbol der Dynastie‘), wurde den im Umfeld der ‚Stammburg‘ gegründeten Klöstern und Stiften die Aufgabe als Familiengrablege und damit als Zentrum der Memoria für die Dynastie zugewiesen.
Burg und Kloster hatten, als zentrale Ressourcen bei einer agnatischen, patrilinear verstandenen dynastischen Familien- und Herrschaftsbildung im Adel seit dem Hochmittelalter, eine theoretisch passgenaue Aufgabenverteilung. Dies kontrastierte mit dem älteren, auf kognatischen Verwandtschaftsbeziehungen basierenden Sippenverständnis, womit sich in Stammburg und Hauskloster das neue Dynastieverständnis des Adels dokumentiert hätte.

Die neuere Forschung hat dieses Modell jedoch auf vielfache Weise differenziert und weiterentwickelt. In diesem Zuge wurde deutlich, dass das agnatische Denken das kognatische nicht etwa ablöste, sondern zu diesem vielmehr hinzukam und jenes allmählich überlagerte, ohne dass die Vorstellung einer sich auch über die weiblichen Linien definierenden Sippe je ganz aufgegeben worden wäre. Im Gegenteil zeigt sich neben der Formierung der Dynastie die bewusste Beibehaltung und Gestaltung von verwandtschaftlichen Schwiegerverhältnissen in aller Deutlichkeit, gerade im Konnubium des spätmittelalterlichen Adels. Ähnlich differenziert gestaltet sich dementsprechend auch die Burgenpolitik des Adels, die keineswegs auf eine einfache ‚Stammburg‘-Bildung hinauslief, sondern sich in vielfältiger Weise mit unterschiedlichen Burgen und von Burgen aus gestalteten Kernen der Herrschaftsbildung entwickelte, weiterentwickelte und gelegentlich auch wieder aufgab. Burgen waren demnach nicht nur steingewordene Zentren von Adelsherrschaften im Sinne eines militärischen Ausgangs- und Fixpunktes zur Beherrschung eines Raumes, sondern konnten auf vielfache Weise zentralörtliche Funktionen erfüllen und damit herrschaftsbildend eingesetzt und gegebenenfalls auch wieder aufgegeben werden: zur Sicherung und Erschließung von Ungunstlagen, als Verwaltungsmittelpunkt, als Handels- und Handwerkszentrum, als Herrschaftssymbol, als Bühne für adeliges Alltagsleben und entsprechenden Habitus und als sakrales Zentrum. Auch Klöster waren für den hoch- und spätmittelalterlichen Adel nicht nur geistliche Zentren zur Pflege der Memoria. Sie wurden vielmehr häufig zur Sicherung von Land und Herrschaft eingesetzt, indem sie als geistliche Einrichtungen Land vor dem Zugriff der Nachbarn sicherten und dabei zugleich über das Instrument der Vogtei der schenkenden Adelsfamilie eine neue, effektivere Beherrschung des Raumes ermöglichten. Sie konnten mit der Besetzung von Leitungsämtern den in den geistlichen Stand abgeschichteten Kindern eine standesgemäße und sichere, gleichwohl für die Familie nützliche und machtvolle Position verschaffen und konnten der eigenen Klientel den Zugang zu geistlichen Pfründen (und damit auch ökonomischen Ressourcen) sichern. Über diese Ressourcen als Herrschaftsinstrumente hinaus sind aber auch die sakralen Aufgaben als Investition in das Seelenheil der Stifter nicht zu vernachlässigen. Nur diese Bedeutung als RessourcenKomplex lässt die Unzahl an Klostergründungen durch den Adel und die enormen Landmassen, von denen dieser sich zu ‚trennen‘ bereitfand, nachvollziehen.

Das Teilprojekt versucht, von diesem aktuellen Forschungsstand ausgehend, die beiden zentralen Instrumente adliger Herrschaftsbildung und RessourcenKulturen über einen Zeitraum vom 11. bis in das 14./15. Jh. hinein zu betrachten und in ihrem jeweiligen Bedeutungswandel zu untersuchen. Dies soll zunächst an zwei anfangs genannten Fallstudien erfolgen: erstens, mit einer historisch-archäologisch ausgerichteten Studie zu Burgen und Klöstern als Kernelemente der RessourcenKultur der Pfalzgrafen von Tübingen und zweitens, mit einer archäologisch-historischen Studie zu Burgen und Klöstern als Kernelemente der RessourcenKultur der Herren von Greifenstein. In beiden Studien werden die relevanten Burgen und Klöster zunächst einzeln untersucht, um die jeweiligen spezifischen räumlichen RessourcenKomplexe zu analysieren und die daran geknüpfte Ressourcennutzung durch die Adelsfamilie bestimmen zu können. Im Anschluss werden die Anlagen in einer Zusammenschau auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen verglichen, um zu erforschen, wie die Adelsfamilien die individuellen Ressourcen ihrer unterschiedlichen Institutionen nutzten, um sie strategisch bestmöglich für ihre Herrschaftsbildung einzusetzen. Dabei wird außerdem zu klären sein, wie sich diese Ressourcennutzung im Sinne eines RessourcenGefüges in diachroner Perspektive veränderte und welche Faktoren für Gemeinsamkeiten und Unterschiede verantwortlich waren.

Die Pfalzgrafen von Tübingen

In der ersten Teiluntersuchung soll dies am Beispiel der (Pfalz-)Grafen von Tübingen untersucht werden, die – vermutlich aus dem nördlichen Schwarzwald stammend – im 12. Jh. zu einer der mächtigsten Adelsfamilien Südwestdeutschlands aufstiegen und sich mit Burg und Stadt Tübingen ein Zentrum und einen namengebenden Herrschaftsmittelpunkt schufen. Ihre südwestdeutsche Einflusszone reichte vom Schwarzwald über die Schwäbische Alb bis nach Oberschwaben. Sie traten insbesondere als Klostergründer einiger bedeutender monastischer Einrichtungen des Mittelalters in Erscheinung. Durch die Untersuchung der verschiedenen bekannten und vermuteten Herrschaftszentren – Klöster, Burgen und z. T. auch Städte – der Pfalzgrafen von Tübingen in ihrem Entstehungskontext und ihrer Betrachtung als RessourcenKomplexe und RessourcenGefüge, soll die RessourcenKultur einer der herausragendsten Adelsfamilie der Region nachvollzogen werden.


Die Herren von Greifenstein

In der zweiten Teiluntersuchung sollen Burgen und Klöster als Kernelemente der RessourcenKultur der Herren von Greifenstein untersucht werden. Mit diesen lässt sich am Nordrand der Schwäbischen Alb eine idealtypische lokale Herrschaftsbildung einer dem edelfreien Stand zugehörigen Adelsfamilie fassen, die in der Forschung bislang nur wenig beachtet wurde. Die spezifische RessourcenKultur dieser Familie prägte die Tallandschaft des oberen Echaztals und dessen nähere Umgebung von der zweiten Hälfte des 12. bis zum frühen 14. Jh. tiefgreifend. Ein besonderes Defizit stellt bislang jedoch die Analyse möglicher RessourcenKomplexe im Umfeld der einzelnen Burg- und Klosteranlagen dar und ebenso die Überprüfung der von Seiten der Lokalforschung formulierten These eines bewusst konzipierten Greifensteiner Burgensystems.