Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 4/2025: Studium und Lehre

Vom Netzwerktreffen zum etablierten CIVIS-Lehrprojekt

Initiativen in Koreanistik und Rechtwissenschaften als Erfolgsmodelle der europäischen Zusammenarbeit

English version available: CIVIS helps grow established teaching projects

Die Europäische Universitätsallianz CIVIS bietet Lehrenden und Forschenden verschiedene Formate für gemeinsame Projekte. Zudem möchte CIVIS Ideen zur selbstorganisierten Zusammenarbeit aus der Basis fördern. In der Koreanistik und den Rechtwissenschaften haben sich so etablierte Kooperationen in der Lehre ergeben.

Bernd Heinrich, Professor für Strafrecht an der Juristischen Fakultät, wurde kurz nach Gründung der CIVIS-Allianz auf Anregung des Rektorats aktiv, um eine Kooperation im Bereich Jura auf den Weg zu bringen. Nach einer Anfrage bei allen CIVIS-Universitäten war Heinrich positiv überrascht, dass an fast jeder Hochschule jemand Interesse an einer solchen Vernetzung hatte. „Bei einem ersten von CIVIS finanzierten Sondierungstreffen 2021 in Tübingen stand schnell fest, dass wir ein gemeinsames Seminar machen wollen“, erzählt Heinrich. Im nächsten Schritt organisierte die Gruppe um Heinrich eine Videoreihe für Studierende. Jede Universität lieferte Videos zur Einführung in das Zivil-, Straf- und Öffentliche Recht ihres jeweiligen Landes. Rund 30 etwa halbstündige Filme kamen zusammen – ein europäischer Rechtsvergleich in Kürze, den jede Universität für ihre jeweiligen Zwecke nutzen kann.

Professor Dr. You Jae Lee, Direktor der Tübinger Abteilung für Koreanistik, hatte sich zum Ziel gesetzt, ein Netzwerk der Koreanistik innerhalb von CIVIS aufzubauen, um den wissenschaftlichen Austausch zu intensivieren und die Mobilität der Studierenden und Lehrenden zu fördern. Die Koreanistik sei bei Studierenden zunehmend gefragt, die Lehrkapazitäten dagegen blieben begrenzt, so Lee. „Da bot es sich an, Kräfte zu bündeln und die jeweiligen Stärken der Partneruniversitäten zusammenzuführen.“ Dazu sondierte der Wissenschaftler, an welchen CIVIS-Universitäten es Abteilungen für Koreanistik gibt, und nahm Kontakt zu den Fachbereichen in Aix-Marseille, Bukarest, Rom und Stockholm auf. „Die Rückmeldungen waren durchweg positiv“, so Lee. Nach einigen Online-Meetings konnte die Gruppe um Lee ein europäisches „Koreanistik-E-School-Konsortium“ planen, ein Kursprogramm mit Online-Lehre. Das Projekt startete im Wintersemester 2021/22 mit den ersten drei Onlinekursen; seither bietet jede Partneruniversität jährlich einen Kurs an, über 850 Studierende haben bislang an der E-School teilgenommen.

Etablierte Veranstaltungen und weitere Lehrprojekte

Die Initiativen in der Koreanistik und den Rechtswissenschaften sind mittlerweile fest etabliert und um zusätzliche Komponenten erweitert worden. You Jae Lee konnte weitere Universitäten zum Mitmachen gewinnen. Ergänzend zu den Onlinekursen haben die Partner eine jährliche Graduate Summer School etabliert, bei der Master-Studierende und Doktoranden ihre Forschung präsentieren können. Jurist Bernd Heinrich hat die Videoreihe zum Rechtsvergleich um einige Testfragen ergänzt und bietet sie regelmäßig als fremdsprachige Lehrveranstaltung an, wie sie im Curriculum des Staatsexamens gefragt ist. Mit dem Format der Blended Intensive Programmes (BIPs), die Online-Lehre mit einer einwöchigen Präsenzphase verbinden, ergab sich ab 2022 eine weitere Anwendungsmöglichkeit: Die Videos sind Grundlage des Online-Teils im BIP „Europe and the Rule of Law“, das bereits vier Jahre in Folge stattgefunden hat. „In vorbereitenden Präsenztreffen besprechen wir, was wir ändern wollen oder wer noch ein Video liefern oder aktualisieren sollte“, so Heinrich, „aber ansonsten ist es ein Selbstläufer.“

Auch in der Koreanistik ist der direkte persönliche Kontakt wichtig. „Neben der Online-Lehre besuchen die Dozierenden die Partneruniversitäten vor Ort, sodass auch ein direkter Austausch mit den Studierenden vor Ort gewährleistet ist“, erklärt You Jae Lee. Die enge Zusammenarbeit habe nicht nur zu einer besseren Vernetzung der beteiligten Institute geführt, sondern auch die Sichtbarkeit der Koreanistik in Europa deutlich erhöht. In Zukunft möchte Lee ein Doppelmaster-Programm entwickeln, an dem neben CIVIS-Partnern auch koreanischen Universitäten beteiligt sind.

Die länderübergreifende Arbeit im Konsortium empfand Lee oft als herausfordernd: Die Koordination der unterschiedlichen Universitätssysteme in fünf Ländern sei anspruchsvoll gewesen, insbesondere im Hinblick auf unterschiedliche Semesterzeiten, Prüfungsordnungen und Anmeldeverfahren für Studierende. Das habe zwar einen hohen Grad an Abstimmung zwischen den Partnern erfordert, man habe aber immer flexible Lösungen gefunden. „Zugleich haben diese Herausforderungen den Zusammenhalt und die Kooperationsfähigkeit im Netzwerk gestärkt“, findet Lee. Bernd Heinrich sieht die Schwierigkeit eher darin, passende Förderformate etwa für Treffen der Lehrenden zu finden. Beide Professoren stellen allerdings auch die Unterstützung durch die zuständigen Einrichtungen in Tübingen, etwa die CIVIS-Stabsstelle, heraus. „Durch deren Begleitung bei der Umsetzung wird der administrative Prozess enorm erleichtert“, so Lee.

Positive Effekte für die Studierenden

Nicht zuletzt betonen beide Hochschullehrer die positiven Effekte ihrer Projekte für die Studierenden: Wenn in den Koreanistik-Kursen Studierende aus unterschiedlichen Ländern, Fachtraditionen und Ausbildungsstufen zusammenkommen, fördere das den interkulturellen Dialog und trage auch spürbar zur Motivation bei, so You Jae Lee. Zudem entstünden nachhaltige Kontakte und Netzwerke, oft auch über die Dauer der Kurse hinaus. Das bestätigt Bernd Heinrich: „Ich bekomme immer wieder Bilder von Leuten, die sich auch Jahre nach einem BIP wieder getroffen haben“, sagt er. Die internationale Komponente sei für viele Studierende ein Highlight im Jura-Studium. „In einem Staatsexamensstudiengang mit nationalem Recht sind wir limitiert in dem, was wir an Veranstaltungen dieser Art anbieten können“, so Heinrich.

Koreanist Lee sieht die Förderung von Netzwerkaktivitäten durch CIVIS als äußerst hilfreich, um die ersten Schritte zu einer europäischen Kooperation zu unternehmen und ein belastbares Netzwerk aufzubauen. „Gerade in der Anfangsphase ist eine solche Unterstützung entscheidend, um Partneruniversitäten zusammenzubringen, erste Projekte zu entwickeln und den organisatorischen Rahmen für eine langfristige Zusammenarbeit zu schaffen“, sagt er. Bernd Heinrich freut sich über die gute Gemeinschaft der Lehrenden, die seit fünf Jahren in fast derselben Besetzung zusammenarbeitet. „Wenn wir uns sehen, ist das für mich wie ein Familientreffen“, sagt er. „Ich würde mich freuen, wenn es mit CIVIS und den Fördermöglichkeiten so weitergeht.“

Tina Schäfer

Weitere Informationen: