Uni-Tübingen

Abschätzung der Folgen der Twitternutzung durch den SFB 923

Eine Datenschutzfolgenabschätzung ist nach der allgemeinen Regel des Art. 35 Abs. 1 der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dann vorzunehmen, wenn eine Form der Verarbeitung, insbesondere bei Verwendung neuer Technologien, aufgrund der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung voraussichtlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zur Folge hat.

Das Twitter-Angebot des Sonderforschungsbereich 923 "Bedrohte Ordnungen" (SFB 923) selbst löst diese Folge aufgrund des nur sehr geringen Umfangs seiner eigenen Datenverarbeitung (vgl. insoweit die Datenschutzerklärung) nicht aus, insbesondere im Hinblick darauf, dass es sich bei den Tweets hauptsächlich um ein reines Senden von Inhalten ohne Personenbezug handelt, und bei einem Bezug zu anderen Twitterern nur die Daten verarbeitet werden, die diese selbst und freiwillig angegeben haben (Nutzername und Tweets).

Jedoch stellt aus Sicht des SFB 923 die Twitternutzung an sich aufgrund ihrer weitreichenden Auswirkungen, insbesondere hinsichtlich der Auswertung der Daten durch die Twitter Inc. zu Werbezwecken u. Ä., eine Verarbeitung mit einem hohen Risiko dar, für die eine Datenschutzfolgenabschätzung (durch Twitter) vorzunehmen ist. Denn durch die Nutzung eines Twitter-Accounts begibt sich der/die jeweilige Nutzer*in unter die systematische Beobachtung durch die Twitter Inc. Hierbei können auch sensitive Daten wie politische Einstellungen, die sexuelle Orientierung oder gesundheitliche Probleme offenbart werden, die miteinander verknüpft und zur Erstellung eines Persönlichkeitsprofils verwendet werden können. Auch besonders schutzwürdige Personen wie etwa Jugendliche können Twitter-Nutzer*innen und damit Betroffene sein. Selbst beim bloß passiven Mitlesen von Twitter ohne eigenen Account können durch die Erhebung von Log-Daten sensible Daten erhoben werden, etwa durch die vorher besuchten Webseiten oder die Standortdaten der Nutzer*innen. Dies gilt umso mehr, als dass die Twitter Inc. nicht oder nur eingeschränkt überprüft werden kann. Da die Daten deutscher Nutzer*innen nicht innerhalb Deutschlands, sondern in Irland verarbeitet werden, bestehen höheren Hürden für den Zugang zu (gerichtlichem) Rechtsschutz als bei einem in Deutschland ansässigem Unternehmen.

1. Risikoidentifikation:

Die eingangs beschriebenen Risiken, die mit einer Nutzung von Twitter einhergehen, bestehen grundsätzlich unabhängig von der eigenen Twitter-Nutzung des SFB 923. Auch wird durch die Tweets der Universität selbst in der überwiegenden Zahl der Fälle kein Bezug zu personenbezogenen Daten hergestellt, sondern es werden eigene, sachbezogene Inhalte verbreitet. Schließlich sind die Daten, die durch die Interaktion mit dem Twitter-Account des SFB 923 oder anderen Accounts verarbeitet werden – nämlich die Tweets oder/und der Accountname eines Twitterers – schon öffentlich/ allgemein zugänglich/ frei im Internet verfügbar. Jedoch werden sie durch das Erscheinen auf der Twitterseite des SFB 923 und die Wechselbeziehung einer breiteren/“spezifischeren“ Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und erreichen so u. U. eine größere Aufmerksamkeit und weitere Verbreitung als ohne diese Interaktion. Auch dadurch, dass SFB 923 anderen Accounts folgt oder diese ihr, entstehen zusätzliche Querverbindungen und Informationen über den jeweiligen Twitterer; so lässt sich z. B. das Interesse an Forschungsthemen an der Follower-Eigenschaft oder regelmäßigen Beiträgen ablesen. Schließlich werden auch beim passiven Mitlesen der Seite durch die Nutzer*innen Logdaten durch Twitter erhoben. Durch die eigene Twitternutzung erhöht der SFB 923 also die Menge der Daten, die von der Twitter Inc. verwendet und ausgewertet werden.

2. Risikoanalyse:

Durch die Erweiterung des Verbreitungskreises und die Vergrößerung der Verknüpfungsmöglichkeiten wird die Verarbeitung der Daten für andere Zwecke durch die Twitter Inc. und eine heimliche Profilbildung begünstigt. Auch kann die Offenheit für Besucherbeiträge zu nachteiligen gesellschaftlichen Folgen wie unangebrachten oder diskriminierenden Kommentaren oder der Verbreitung sensibler Daten führen. Mögen diese Schäden sich bei einer Verursachung durch die Twitter Inc. selbst als wesentlich darstellen, so werden diese durch das Twitter-Profil des SFB 923 nur in sehr begrenztem Maße erhöht. Denn die Daten sind zu einem wesentlichen Teil schon für die Twitter Inc. verfügbar. Insbesondere entsteht durch das Angebot des SFB 923 kein Zwang, einen Twitter-Account zu erstellen, da genügend alternative Kontakt- und Informationsmöglichkeiten zum SFB 923 bestehen. Auch sind die Themen Forschung und Studium nur in begrenztem Maß geeignet, hasserfüllte Debatten auszulösen, sodass auch insoweit die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens nur sehr begrenzt ist.

3. Risikobewertung

Insgesamt ist das durch den Twitter-Account des SFB 923 verursachte zusätzliche Risiko daher als gering bis mittel einzustufen. Zudem ist die Durchführung von Abhilfemaßnahmen möglich, die das Risiko weiter senken. Hierzu zählt etwa das Einwirken des SFB 923 auf die Anbieter. Ein Großteil dieser Maßnahmen liegt allerdings in der Sphäre der Nutzer*innen: So besteht bei einer Twitternutzung nicht die Pflicht zum Führen eines Klarnamens. Außerdem können sich Nutzer*innen durch verschiedene Einstellungen bis zu einem gewissen Grad schützen, etwa durch das Löschen seines Browserverlaufs, das Deaktivieren von Cookies, oder die fehlende Standortfreigabe bei der Verwendung von Fotos. Zudem ermöglicht die kontinuierliche redaktionelle Betreuung ein Eingreifen bei ehr- oder persönlichkeitsverletzenden Kommentaren bis hin zur Sperrung des Accounts. Der SFB 923 hat hier für die Nutzung ihres Angebots eine Netiquette formuliert, auf deren Einhaltung es bei der Betreuung der Seite achten wird.

4. Ergebnis

Die Twitternutzung durch den SFB 923 ist angesichts der beschriebenen Risiken und verbindlich vorgesehenen Maßnahmen vertretbar. Der SFB 923 verpflichtet sich, die weitere Entwicklung zu beobachten und die hier vorgenommene Prüfung regelmäßig zu wiederholen und ggfls. fortzuentwickeln.