Materialität von Ressourcen
Dieses Querschnittsthema eignet sich, um Gemeinsamkeiten und Differenzen von Ressourcen bzw. RessourcenKomplexen im SFB 1070 herauszuarbeiten. Als Konzept kann Materialität dazu beitragen, neue Aspekte im Umgang mit Ressourcen sichtbar zu machen und innovative Perspektiven auf RessourcenKulturen zu entwickeln. Die Rückkehr zu den Dingen stellt für die Archäologien einen Paradigmenwechsel dar, sie zeigt erstmalig den Sozialwissenschaften neue Wege auf (Olsen 2003). So wird in den Material Studies unter Materialität all das verstanden, was dem Material als Eigenschaft zugesprochen wird. Neuere Ansätze betonen die Prozesse oder „Neigungen“ (Soentgen 2014), die materielle Dinge durchlaufen, weil sich im Laufe der Zeit ihre physischen oder chemischen Eigenschaften verändern. Vor allem im Rahmen der unter dem Begriff new materialism (Coole/Frost 2010) zusammengefassten Ansätze werden Prozesse nun komplexer gedacht: man betrachtet die vielen miteinander verbundenen (materiellen) Systeme, die Wirkungen produzieren. Innerhalb der Kulturwissenschaften wird Materialität als Form der Untersuchung von Beziehungen zwischen interagierenden Entitäten betrachtet, d. h. als Subjekt/Objekt oder Mensch/Ding. Alfred Gell (1998) hat durch Vergleiche herausgearbeitet, dass weltweit Menschen den Dingen eine Intentionalität zuschreiben, um bestimmte Ereignisse zu verstehen. Bruno Latour (1999) zeigte in seinen Arbeiten, dass Dinge Konsequenzen haben für die Menschen, die sie nutzen, und bezeichnet dies als Agency der Dinge. Ian Hodder (2012) hebt die verschränkte Interaktion von Menschen und Dingen als entanglement hervor. Während Daniel Miller (1994) auf die Demut (humility) der Dinge hinweist, spricht Latour vom „Eigensinn der Dinge“. Der Mensch hat Latours „symmetrischer Anthropologie“ zufolge sein Monopol als Protagonist der Weltläufe verloren und den „Eigensinn der Dinge“ in Rechnung zu stellen (Latour 2008). Die Wirkmacht von Dingen steht auch im Mittelpunkt der Arbeiten von Tim Ingold (2010), der zeigt, wie der Umgang mit der Umwelt das Wissen, die Fähigkeiten und die Wahrnehmungen der Menschen prägt.
In Studien zur materiellen Kultur wurde herausgearbeitet, dass Dinge oft einen eigenen Lebenslauf mit verschieden langen Lebensspannen haben. So gibt es Dinge mit sehr kurzen Biographien, wie etwa Verpackungen, die nur für einen kurzen Zeitraum in Benutzung sind und schnell in Hausmüll o.ä. transformiert werden, und Dinge mit sehr langen Biographien, etwa Kirchenglocken, die zu einem zentralen Identitätsfaktor für ganze Gemeinschaften werden können (Miller 1994). Auch die soziale Bedeutung der Dinge ändert sich im Laufe ‚ihres Lebens‘, wie Appadurai (1986) schon vor längerer Zeit hervorhob. Im Kontext der Museen ist die sinnliche Konkretheit der Dinge ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal, auf das sich diese Institution gerade in den letzten Jahren wieder verstärkt bezieht. Dinge ermöglichen eine eigenständige Art zu denken, die sich grundlegend von abstrakteren Formen der Wissensproduktion unterscheidet. Sie ermöglichen einen anderen Blick auf soziale Realität und werden als historische und sozialwissenschaftliche Ressource ernst genommen (Korff 2007). Im Museum ist ein Statuswechsel der Objekte vom Gebrauchsgut hin zu Dingen der Reflexion oder Anschauung (Kunst) Voraussetzung, um die Dinge als Exponate neu in Wert zu setzen und sie intellektuell oder epistemisch zu nobilitieren. Sie werden zu WissensRessourcen, die über vergangene Lebenswelten oder Geschmacksregime Auskunft geben bzw. eine ganz eigene ästhetische Ausstrahlung besitzen (Pomian 1998; Korff 2007; Hahn 2014).