Aktuelles
15.12.2022
Revolution um die Jahrtausendwende? SFB-Ausstellung "Threat!Box" eröffnet in Barcelona
Die internationale Ausstellung „Threat!Box – An Exhibition on Threat“ des Sonderforschungsbereichs 923 „Bedrohte Ordnungen“ der Universität Tübingen (SFB 923) macht von November bis Dezember 2022 Station im Institut d’Estudis Catalans in Barcelona. In mehreren Modulen beschäftigt sich das Projekt damit, wie historische und aktuelle Gesellschaften auf unterschiedliche Bedrohungen reagiert haben und mit ihnen umgehen. Die einzelnen Module werden weltweit an acht Standorten gezeigt, unter anderem in Washington, D.C. (USA), Johannesburg (Südafrika), Canberra (Australien), Barcelona (Spanien) und Istanbul (Türkei). Die Themenpalette reicht dabei von bedrohlichen Pestausbrüchen im Reiche Justinians, den giftigen Hinterlassenschaften des Goldabbaus in Johannesburg bis hin zu den literarischen Verarbeitungen rassistischer Gewalt in den USA.
Zwischen November und Dezember 2022 wird in den Räumen des Institut d’Estudis de Catalans das Modul Révolution féodale? Bosheit, Raub und Sünde im 11. Jahrhundert zu sehen, das sich mit der vermeintlichen „Geburtsstunde“ des Mittelalters um die erste Jahrtausendwende beschäftigt. Die Tübinger Mediävist*innen Dr. Annette Grabowsky, Dr. Christoph Haack, Prof. Dr. Steffen Patzold und Isaac Smith gehen der Frage nach, inwieweit damals eine neue Ordnung im Entstehen begriffen war oder wie stabil vorangegangene Ordnungsmuster tatsächlich waren. Nachdem Könige als zentrale Autoritäten vielerorts an Einfluss verloren und bis dahin etablierte Verfahren zur Streitschlichtung nicht mehr zuverlässig funktionierten, setzen sich neue Herrschaftsformen durch. Am Beispiel der auf das Jahr 1021 datierten „Convenientia“ zwischem dem Grafen Berenguer Ramon I. von Barcelona und Ermengol II. von Urgell zeigen sie exemplarisch, wie sich neue (vertragliche) Formen politischer Ordnung in Katalonien um das Jahr 1000 etablierten.
Die internationale Ausstellung Threat!Box – An Exhibition on Threat basiert auf der virtuellen Ausstellung des SFB 923 (www.bedrohte-ordnungen.de). Die Ausstellung umfasst 24 Module, die die verschiedensten „Bedrohten Ordnungen“ vorstellen. Ebola-Ausbrüche in Westafrika, Revolutionen im Manila des 17. Jahrhunderts oder Freiheitskämpfe ukrainischer Kosaken gegen Peter den Großen zeigen, dass selbst lang vergangen Geglaubtes bis heute Auswirkungen auf Gesellschaften hat. Gleichzeitig zeigen Module über den Umgang mit dem 11. September 2001 in den USA, Globalisierungsdynamiken in der Corona-Pandemie oder der beispiellosen Mobilisierung von Hilfe im Zuge der Geflüchtetenkrise um das Jahr 2015, dass Bedrohte Ordnungen auch in der Gegenwart immer wieder zu finden sind.
Die einzelnen Module der internationalen Ausstellung stellen Bedrohungsszenarien vor, die eine inhaltlichen Verbindung zum jeweiligen Ausstellungsort haben. Sie dienen als exemplarische Startpunkte, von denen aus mehr über Geschichte und Gegenwart von „Bedrohten Ordnungen“ erfahren werden kann. So erfahren die Besucher*innen mehr darüber, wie Menschen mit Bedrohungen und Krisen umgegangen sind und wie damit eine Welt im Wandel vorangetrieben wird.
Sonderforschungsbereich 923 „Bedrohte Ordnungen“
Das Projekt startete 2011 an der Universität Tübingen und läuft noch bis zum Sommer 2023. Unter „Bedrohten Ordnungen“ werden historische oder aktuelle Situationen verstanden, in denen Menschen das Vertrauen in gewohnte Abläufe, das Handeln ihrer Mitmenschen oder den Glauben an die Zukunft verlieren. Sie reagieren darauf emotional und fühlen sich unter Druck gesetzt, über die Bedrohung zu sprechen und nach Lösungen zu suchen. Zu allen Zeiten und in unterschiedlichen Gesellschaften kommt es im Angesicht solcher Bedrohungen zu vergleichbaren Handlungsmustern, die der Sonderforschungsbereich seit 2011 in mehr als 110 Fallstudien untersucht. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert den SFB mit circa 2 Millionen Euro pro Jahr. Knapp 60 Wissenschaftler:innen forschen aktuell in 19 Teilprojekten, die interdisziplinär, historisch oder gegenwartsnah sowie raumübergreifend angelegt sind. Beteiligt sind die Fächer Geschichtswissenschaften, Soziologie, Empirische Kulturwissenschaft, Politikwissenschaften, Theologie, Philologie, Rechtswissenschaften und Medizin.
Kontakt
Thorsten Zachary
Universität Tübingen
SFB 923 „Bedrohte Ordnungen“
Wissenschaftskommunikation
Telefon +49 7071 29-75095
thorsten.zacharyspam prevention@uni-tuebingen.de
Prof. Dr. Reinhard Johler
Universität Tübingen
Institut für Empirische Kulturwissenschaft / SFB 923 "Bedrohte Ordnungen"
Telefon +49 7071 29-75448
reinhard.johlerspam prevention@uni-tuebingen.de