Germanistik / Deutsch
Du interessierst Dich für die deutsche Sprache, Literatur und Kultur? Du möchtest gerne erfahren, wie sich die deutsche Sprache im Lauf der Jahrhunderte verändert und entwickelt hat? Du blühst im Deutschunterricht auf und erkennst, dass ein Germanistikstudium genau das Richtige für Dich ist? Warum noch länger damit warten?
Auf dieser Seite erhältst Du Einblicke in das Germanistikstudium. Du kannst Dir aufgezeichnete Vorlesungen ansehen und Dich über unsere Studiengänge informieren. Schnupper Dich einfach durch unsere Fachbereiche:
- Im Fachbereich der Linguistik erforschst Du das grammatikalische System der deutschen Sprache, verstehst wie Bedeutung entsteht und wie Sprache gelernt und angewandt wird. Innerhalb dieses Fachbereichs kannst Du auch Deutsch als Zweitsprache als eigenständigen Studiengang studieren.
- Im Fachbereich der germanistischen Mediävistik erfährst Du etwas über die Sprache und Literatur des Mittelalters bis zur frühen Neuzeit.
- Im Fachbereich der Neueren deutschen Literaturwissenschaft beschäftigst Du Dich mit der Literatur des 16. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Innerhalb dieses Fachbereichs kannst Du auch Internationale Literaturen als eigenständigen Studiengang studieren.
- Der Fachbereich Didaktik der Deutschen Sprache und Literatur ist für Studierende des Lehramts-Studiengangs. Die produktive Verbindung von Fachwissenschaft und einer auf die schulischen und gesellschaftlichen Bedürfnisse ausgerichteten Fachdidaktik ist uns deshalb ein wichtiges Anliegen.
- An der Universität Tübingen wird Skandinavistik als Bachelor-Nebenfach-Studiengang mit Schwerpunkt Mediävistik angeboten.
Möchtest Du eine unserer Lehrveranstaltungen während der Vorlesungszeit in Präsenz besuchen und Uni-Luft schnuppern? Dann melde Dich bei uns: deutsches.seminar.verwspam prevention@uni-tuebingen.de
Wusstest Du, dass Du während Deines Germanistikstudiums mit dem Austauschprogramm Erasmus ins Ausland gehen kannst?
Diese und viele weiteren Informationen rund um das Germanistikstudium findest Du hier.
Einladung zum Schnupperstudium
Aufgezeichnete Veranstaltungen
Schnuppervorlesung Linguistik
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Schnuppervorlesung Mediävistik
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Schnuppervorlesung Neuere Deutsche Literatur
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Unsere verschiedenen Studiengänge am Deutschen Seminar
hochschulreif. Der Tübinger Podcast zur Studienwahl
Folge #01: Germanistik / Deutsch
Ist Germanistik eigentlich ein "Laberfach"? Und was macht man später überhaupt damit? Die Antworten auf diese und viele weitere Fragen erfahrt ihr in unserer ersten Folge von "hochschulreif". Für das Studienfach Germanistik/Deutsch haben wir Professorin Dr. Annette Gerok-Reiter eingeladen. Mit ihr sprechen wir unter anderem darüber, was sie selbst zum Studium motiviert hat, was ihr im Studium so alles lernt und in welchen Berufsfeldern Germanistinnen und Germanisten arbeiten können. Zu allen Themen hört ihr auch Statements von Tübinger Studierenden.
Podcast hören
Christoph Jäckle (C. J.): Hallo Alex!
A. B.: Wir beide sind vom Team der Zentralen Studienberatung der Uni Tübingen und laden uns in jeder Folge einen Gast ein, mit dem wir über das jeweilige Fach sprechen. Heute dreht sich alles um das Fach Germanistik. Dazu haben wir uns Professorin Annette Gerok-Reiter eingeladen. Annette Gerok-Reiter lehrt die deutsche Literatur des Mittelalters und hat sogar selbst an der Uni Tübingen studiert. Damit ist sie heute genau richtig hier bei uns. Frau Gerok-Reiter wir freuen uns, dass Sie heute da sind.
Prof. Dr. Annette Gerok-Reiter (A. G-R.): Ja, schön, ich freue mich auch.
Persönliche Motivation (0:53)
A. B.: Wir sind schon sehr gespannt zu hören, warum Sie Germanistik studiert haben. Zuvor haben wir Studierende gefragt, warum sie sich für das Deutschstudium entschieden haben. Und Folgendes haben wir gehört:
Studi 1: Darauf habe ich wahrscheinlich die typischen Antworten, nämlich, dass zum einen Deutsch schon immer mein Lieblingsfach in der Schule war und zum anderen habe ich auch schon immer gerne gelesen.
Studi 2: Ich war nach der Schule unentschlossen, was ich studieren wollte und habe dann erst mit Physik angefangen, parallel Germanistikveranstaltungen besucht und mich dann letztlich dazu umentschieden.
Studi 3: Ich habe mich dazu entschieden Germanistik zu studieren, weil ich mich schon immer für alle möglichen Sprachen und auch Literatur begeistern konnte. Besonders viel Spaß hat es mir damals in der Schule gemacht, literarische Texte auch in der Theater-AG schauspielerisch umzusetzen.
Studi 4: Also ganz klassisch lese ich natürlich gerne. Ich schreibe auch sogar gerne. Ich finde Sprache auch extrem interessant, sowohl wie sie entstanden ist, als auch wie sie funktioniert. Da ist Germanistik einfach die naheliegende Wahl und ich bereue es auch nicht.
Studi 5: Mir hat das Fach Deutsch in der Schule von Anfang an immer großen Spaß gemacht und ich habe mir vor dem Studium mal eine Vorlesung an der Uni angeschaut. Das war in der Einführungsvorlesung der Sprachwissenschaft und das hat mich dann noch einmal mehr dazu motiviert.
C. J.: Frau Gerok-Reiter, Sie haben ja selbst auch Germanistik studiert, damals auch in Tübingen und vermutlich noch nicht modularisiert als Bachelorstudiengang, sondern noch auf Magister. Wie sind Sie denn selbst damals zu Ihrer Studienentscheidung gekommen?
A. G-R.: Ja, in der Schule habe ich ganz gern Mathe gemacht, also einen ganz anderen Bereich, aber eben auch Deutsch. Und dann war da schon die Wahl: In welche Richtung soll ich gehen? Und da hat eben doch das Fach Deutsch den Ausschlag gegeben. Der Umgang mit der eigenen Sprache, das war mir sehr wichtig. Ich war immer davon fasziniert: Wie funktioniert die eigene Sprache? Ich fand das so interessant, weil man da ganz besonders detailliert hineinschauen kann. Man meint viel zu kennen und merkt dann plötzlich auch die eigene Sprache ist irgendwie ein merkwürdiges Gebilde, ein Faszinosum. Und da genau hinzuschauen, wie das geht, dass aus dem Deutschen ein literarischer Text wird, ein Gedicht etwa, das dann ganz viel Emotion vermittelt. Das fand ich faszinierend. Aber auch, wie funktioniert überhaupt ein ordentlicher Satz? Was gehört dazu, dass wir uns untereinander gut verstehen? Wie kriegen wir das hin, dass es nicht dauernd in der Kommunikation Missverständnisse gibt? Dieser Bereich Sprache, wie funktioniert die auf verschiedenen Ebenen, das hat mich total fasziniert. Und vielleicht kann man auch anfügen, Lesen war natürlich ein wichtiger Punkt, aber ich fand auch sehr interessant in dem Bereich des Faches Deutsch, dass man ja mit vielen unterschiedlichen zeitlichen Kulturen im eigenen Sprachfeld zu tun hat. Das Fach Germanistik geht ja auch weit zurück in die Geschichte, geht bis ins achte Jahrhundert zurück und wieder bis in die Gegenwart. Man begegnet im eigenen Feld sehr verschiedenen Sprachstufen, aber eben auch Kulturen. Und diese Auseinandersetzung mit anderen Kulturen fand ich ungemein wichtig, weil sie auch immer wieder auf die Frage zurückführt, wie ist unsere Gegenwart heute gestaltet? Wie stehe ich in meiner eigenen Sprache und Kultur? Wie hat mich diese Sprache und Kultur geformt? Dann auch die Frage, was macht Sprache, was macht die deutsche Sprache, die deutsche Kultur, in der die Sprache eine wesentliche Rolle spielt, mit uns, mit mir selbst? Damit auch der Weg zu sich, der hat mich quasi in das Fach Deutsch geführt.
C. J.: Also man merkt Ihnen auf jeden Fall nach wie vor an, dass Sie eine ganz große Begeisterung für das Fach Germanistik bzw. das Fach Deutsch haben, die damals dann ja auch ganz offensichtlich für diese Studienwahlentscheidung wegweisend den Ausschlag gegeben hat. Wir haben jetzt schon mehrfach die Begriffe Germanistik und Deutsch verwendet. Vielleicht können Sie kurz zusammenfassen, was denn eigentlich der Unterschied zwischen Germanistik und Deutsch ist?
A. G-R.: Ja, im Grunde genommen geht das in eins. Germanistik ist der etwas weiterreichende Begriff. Das Deutsche gehört zu den sogenannten germanischen Sprachen, wie auch das Englische, das Dänische und so weiter. Es ist ein Teilbereich dieser großen germanischen Sprachfamilie und daher kommt dieser etwas ältere oder weitreichendere Name Germanistik. Deutsch bezieht sich dann vor allem auch auf das Lehramtsstudium, das eben das Fach Deutsch betrifft.
C. J.: Das heißt ganz simpel zusammengefasst, dass wenn ich auf Lehramt studiere, dann studiere ich Deutsch auf Lehramt und wenn ich mich für Germanistik entscheide, dann ist das eben das wissenschaftliche Fach Germanistik. Aber insgesamt ist es inhaltlich eigentlich relativ das Gleiche?
A. G-R.: Ja, das geht ganz zusammen. Die Trennung, die Sie aufgezeigt haben, kann man so im Prinzip ansetzen. Aber inhaltlich überlagern sich diese beiden Studiengänge, Lehramt bzw. Bachelor of Education und Bachelor oder Master of Arts, ganz stark. Viele Kurse werden gemeinsam abgehalten.
Studieninhalte (6:15)
C. J.: Wir haben Studierende auch gefragt, wie denn bei ihnen ein typischer Studienalltag, eine Studienwoche aussieht, sowohl bei Deutsch-auf-Lehramt-Studierenden als auch bei Germanistikstudierenden. Hören wir mal rein.
Studi 1: Vielleicht denkt man beim Germanistikstudium als erstes an die Klassiker wie Goethe und Schiller. Aber man beschäftigt sich nicht nur mit denen, sondern auch mit ganz vielen anderen Schriftstellern und literarischen Werken. Außerdem hat man auch einen Teil zur mittelhochdeutschen Literatur und zur Linguistik, bekommt also einen ganz umfassenden Einblick.
Studi 2: Eine Woche ist schon abwechslungsreich, da ich nach Interesse verschiedene Veranstaltungen in den verschiedenen Bereichen der Germanistik frei zusammenstellen kann.
Studi 3: Ich habe beispielsweise montags ein tolles Seminar zu Sprachlehrmethoden im Bereich Deutsch als Zweitsprache und donnerstags ein Literaturseminar zu Shakespeare. Und ich mag daran besonders das Arbeiten mit dem Text und auch das Zerlegen der einzelnen Szenen.
Studi 4: Man liest natürlich sehr viel und was auch echt cool ist, dass man sehr frei ist in seinem Stundenplan.
A. B.: Wir haben jetzt schon aus ganz verschiedenen Bereichen des Studiums von Studierenden gehört, was sie so im Studium machen. Aber gehen wir da noch mal einen Schritt zurück. Ganz allgemein, was machen denn Germanisten oder Germanistinnen eigentlich? Wozu dient das Studium?
A. G.-R.: Das Studium dient natürlich in erster Linie dazu, die eigene beziehungsweise die deutsche Sprache, die meistens, aber nicht immer Muttersprache ist, kennenzulernen. Und zwar sowohl im Bereich des Linguistischen, also des Sprachwissenschaftlichen, indem man sich fragt, wie funktioniert genau diese Sprache? Was muss zusammenkommen, dass wir uns verstehen, dass die Sprache sozusagen auch zielgerichtet ausgeführt werden kann? Welche Operationen sind da durchzuführen? Oder welche Vorgaben bringt die deutsche Sprache auch mit? Das ist der eine Bereich und der andere Bereich ist eben eher der literarische Bereich, den die Literaturwissenschaften in diesem Feld verfolgen. Die mittelalterliche Literatur wird da angeschaut, aber auch die neuere Literatur. Da ist die Zeitgrenze ganz grob so um 1500 oder im 16. Jahrhundert. Und in diesen literarischen Feldern fragt man vor allem danach, wie es gelingen kann, dass Wörter kombiniert werden – um es einmal ganz einfach zu sagen – und aus einer Kombination von Wörtern dann ein Kunstwerk entsteht, das sehr viel mehr aussagen kann, als eine reine Aussage es vermag. Ein Beispiel, wenn ich sage: „Ich liebe dich.“, dann ist das sozusagen eine Allerweltsplattitüde unter Umständen. Wie machen das etwa Gedichte, dass sie das, was ein einfacher Satz sehr direkt sagen möchte, so ausdrücken, dass sehr viel mehr an Emotionsnuancen herüberkommt, an Gefühlsfeldern, an Wünschen, an Sehnsüchten, als das, was ein ganz einfacher Satz mitbringt. Das herauszukriegen finde ich unglaublich faszinierend. Was muss da passieren in verschiedenen Zeiten, um sehr viel mehr zu sagen als „Ich liebe dich“? Was heißt Liebe? Was muss dazukommen, damit auch beim Rezipienten wirklich etwas gefühlsmäßig sozusagen losgeht, dass man in gewisser Weise getriggert wird. Dann auch zu überlegen, ja, was ist denn eigentlich Liebe? Was meine ich damit? Was meinen andere Zeiten und andere Kulturen und Literaturen damit? Das ist ein Faszination an diesem Feld Sprache in ganz verschiedenen Bereichen, im Funktionalen, aber auch im Künstlerischen. Das ist es, womit man sich vor allem beschäftigt.
A. B.: Ja, das ist ein schönes Beispiel, das sich eigentlich in alle Bereiche des Studiums ausdehnen lässt. Vielleicht können wir die verschiedenen Bereiche, die im Studium absolviert werden, fachlich auch noch mal benennen und was der Zugang in die jeweilige Perspektive ist.
A. G.-R.: Ich deutete das eben schon an. Ein großer Bereich, das ist die Linguistik, die Sprachwissenschaft, die quasi funktional zergliedernd fragt: Wie funktionieren das Sprechen und die Sprache an und für sich? Was muss passieren, um den Satz „Ich liebe dich“ ordentlich zu gestalten und so zu gestalten, dass er auch zu verstehen ist. Das ist natürlich interessanter, wenn man sehr viel komplexere Sätze vor sich hat oder das Thema missversteht, was ich vorhin auch schon angewandt habe. Wann führt ein solcher Satz etwa zu Missverständnissen? Das ist ja nun eine Situation aus dem alltäglichen Leben. Missverständnisse kommen ganz oft vor. Welches Weltwissen, welches Vorverständnis braucht man, um Aussagen sinngerichtet, dem Rezipienten oder dem Hörer zuzuführen? Und die anderen beiden Bereiche sind, wenn man die Hauptbereiche anschaut, der Bereich der älteren deutschen Literatur, der sogenannten Mediävistik, und der Bereich der neueren deutschen Literatur, die eben die Literaturen ab 1500 oder ab dem 16. Jahrhundert umfasst. Diese drei Hauptgebiete werden in der Tübinger Germanistik noch von anderen Bereichen flankiert. Man kann auch innerhalb des Deutschstudiums kombinieren, das Studium des Deutschen zum Beispiel mit den internationalen Literaturen. Es gibt auch den Zweig Deutsch als Zweitsprache. All das kann integriert werden in die Studiengänge des Deutschen Seminars beziehungsweise des Faches Deutsch.
A. B.: Ich komme nochmal zurück auf die Zugänge, auf die verschiedenen Methoden, mit denen man wissenschaftlich arbeitet. Haben Sie da vielleicht noch aus dem einen oder anderen Bereich ein anschauliches Beispiel, was man tatsächlich dann mit dem Text macht? Wie komme ich da ran? Mit welchem Instrument?
A. G.-R.: Ich gehe jetzt mal stärker auf die Literaturwissenschaften ein, die ja auch mehr mein Feld sind. Wobei ich von der Genese auch sagen kann, ich war lange Zeit in der neueren deutschen Literatur zugange, bin dann erst später in die Mediävistik gewechselt, kenne also beide Felder recht gut. Die Zugänge. Das Wichtigste ist, dass man liest und liest und liest. Also ganz nah an die Texte herankommt. Und zwar, wenn man den linguistischen Bereich dazu nimmt, egal welcher Textbereich das ist, egal ob es ein Zeitungsartikel ist, eine Analyse eines Fernseh- oder Radiointerviews, einer Fernsehaufzeichnung ist oder ob das ein literarischer Text im emphatischen Sinn ist: Man muss nah an die Sprache ran. Im literarischen Bereich sage ich gern: Man muss die Sprache schmecken! Man muss also eine Art durchaus sinnliche Beziehung zur Sprache entwickeln, gerade wenn man es mit Kunstwerken zu tun hat, um dann heraus zu analysieren. Das ist wieder eher der rationale Bereich: Was passiert denn da, dass ich so affiziert werde und dass mich ein, sagen wir mal 15-zeiliges Gedicht ungemein anspricht? Und das Zweite, was im literarischen Bereich sehr wichtig ist, dass man immer konfrontiert ist, auch mit den verschiedenen, nennen wir es mal Kulturmustern, die in einem Text transportiert werden oder die dessen Grundlage bilden und die einerseits in die verschiedenen Kulturen und Zeiten, mit denen man im Studium konfrontiert wird, hineinführen, aber andererseits auch immer in den Vergleich mit der eigenen Zeit führen. Also nochmal um bei diesem Beispiel des Liebesthemas zu bleiben, wie ist heute unser Kulturmuster des Liebens? Ist es nur ein Kulturmuster oder sind es ganz viele? Was sagen die heutigen Literaturen, die heutigen Texte darüber? Auch im Vergleich mit Lebensformen natürlich. Und wie sieht es aus, wenn wir ins 19. Jahrhundert gehen? Wie sieht es aus, wenn wir ins 16. Jahrhundert gehen? Oder wie sieht es aus, wenn wir ins Mittelalter gehen? Welche Kulturmuster der Partnerschaft treffen wir dort an? Und da Einblick zu gewinnen und dann eben vergleichend an die Gegenwart heranzuhalten, das ist ungemein spannend. Das ist auch der Ort, wo Selbstbegegnung stattfindet in der Auseinandersetzung mit fremden Zeiten, Sprachstufen und Kulturen.
A. B.: Ja, das hört sich auch schon nach einem Feld an, in dem man wahrscheinlich zeitlebens nicht auslernt. Jetzt ist die Frage, so ein Studium ist ja begrenzt, wie lange dauert denn das Studium?
A. G.-R.: Da gibt es im Grunde genommen klare Vorgaben. Für die Bachelor-Studiengänge, egal ob Bachelor of Arts oder Bachelor of Education, sind sechs Semester vorgesehen. Aber man kann auch ohne Probleme länger studieren. In der Regel sind es doch fast immer bis zu acht Semestern, die hier angesetzt werden. Im Masterbereich ist die reguläre Studienzeit auf vier Semester angesetzt. Auch da kommt es durchaus vor, dass einmal fünf oder auch sechs Semester studiert werden. Manche schaffen es auch tatsächlich in der Gesamtregelzeit von zehn Semestern Bachelor und Master zu absolvieren.
A. B.: Jetzt haben wir ja schon diese Zweiteilung von Bachelor und Master, sowohl in dem System auf Arts als auch auf Education. Wie ist das denn? Reicht der Bachelor oder ist es wichtig, auch den Master zu machen?
A. G.-R.: Im Bereich Bachelor/Master of Arts, außerhalb des Lehramts, kann man durchaus mit dem Bachelorabschluss von der Uni gehen, hat etwas Tolles in der Tasche und kann dann in Berufsfelder wechseln. Das kommt immer wieder vor und ist einfach ein gutes Angebot für diejenigen, die sagen „Ja, mein Koffer ist gepackt, ich kann jetzt schon ins Berufsleben gehen. Für das, was ich machen will, bin ich gut ausgestattet“. Schwierig ist es im Lehramt, da braucht man in jedem Fall den Master of Education noch zusätzlich, um dann ins Referendariat zu gehen. Die meisten sind aber, das muss man schon sagen, so fasziniert vom Bachelorstudium, dass sie auch weiter studieren wollen. Manche wechseln in andere Masterbereiche, das kommt durchaus vor und ist auch eine sehr schöne Möglichkeit. Andere machen im Bereich der Germanistik weiter, um einfach nochmal vertieft in die Felder hineinzugehen, die man sich schon erschlossen hat. Also man kann nach dem Bachelor, wenn es nicht Lehramt ist, auch von der Uni gehen. Aber oft ist die Neugier da gerade entfacht, ist auch die Faszination angekommen. Man fängt an, sich wohlzufühlen in den verschiedenen Sektionen, die einem angeboten werden. Denn das überrascht einen oft, wenn man ins Fach Deutsch hineinkommt oder in die Germanistik, wie verschieden die Angebote sind, die einem offeriert werden. Und wenn man das einmal gemerkt hat, dann will man auch alles auskosten und macht noch weiter.
A. B.: Ich ergänze noch kurz zum Referendariat. Wer den Begriff nicht kennt, das ist der Vorbereitungsdienst an den Schulen, also die praktische Ausbildung zum Lehrer, zur Lehrerin, die jeweils nochmal mit dem Staatsexamen abgeschlossen wird. Unsere Germanistikstudierenden in Tübingen haben wir gefragt, was sie denn am Studium begeistert und hören uns da nochmal an, was sie gesagt haben.
Persönliche Voraussetzungen (18:58)
Studi 1: Was mich am meisten am Germanistikstudium begeistert, ist glaube ich, der Austausch mit den anderen Studierenden, also vor allem die Diskussion und das ins Gespräch kommen über Literatur.
Studi 2: Was sehr cool ist, dass man, wenn man gerne liest, quasi einfach sein Hobby studiert mit anderen.
Studi 3: Mir macht es einfach Spaß mich mit Literatur zu beschäftigen und ich finde, man kann ganz oft einfach was für sich persönlich aus Literatur ziehen.
Studi 4: Mich begeistert vor allem die Vielfalt der ganzen unterschiedlichen Texte der Literatur, von lustigen mittelalterlichen Erzählungen bis hin zu Texten, die einen nachdenklich stimmen.
Studi 5: Ich mag am Germanistikstudium, dass man sein Verständnis für die eigene Sprache, aber auch generell für Literatur stark vertieft, indem man beides in anderen Sprachstufen analysiert.
C. J.: Frau Gerok-Reiter, ganz kurz zusammengefasst in drei Begriffen, welche Voraussetzungen sollte man als Studienanfänger mitbringen, wenn man sich für ein Germanistikstudium interessiert?
A. G.-R.: Interesse an der eigenen Sprache. Man sollte gerne lesen, auf jeden Fall. Und ein großes Interesse an der Auseinandersetzung mit der eigenen Kulturtradition, das wären die drei Punkte, die ich nennen würde.
C. J.: Manche Kritiker oder manche Menschen werfen der Germanistik oder auch anderen geisteswissenschaftlichen Fächern vor, das seien Laberfächer und alles ist reininterpretiert oder gar nicht so haltbar. Was würden Sie denen entgegnen?
A. G.-R.: Oh ja, das ist ein Vorwurf, über den ich lächeln muss. Ja, natürlich, man redet viel. Aber das ist gut! Das ist das Forum, wo wir auch versuchen zu vermitteln oder worin die Studierenden geübt werden sollen: Wie argumentieren wir? Wie sprechen wir? Wie nehmen wir uns ernst im Gespräch? Was ist ein gutes Argument? Diese Fragestellung teilen wir etwa auch mit der Rhetorik und das ist zentral in unserer öffentlichen und demokratischen Auseinandersetzung. Ich finde, wir merken das in den heutigen Zeiten mehr denn je! Was heißt gutes Argumentieren? Ein Argumentieren, das auch Respekt hat vor der Meinung des anderen. Natürlich versuchen wir das, was wir als Meinung von uns geben, wissenschaftlich zu fundieren. Das ist der zweite Strang: Wie fundiert man ein Argument wissenschaftlich? Das heißt vor allem, wie legen wir offen, auf welchen Grundlagen wir argumentieren? Das finde ich auch einen ungemein wichtigen Akt, gerade in der heutigen Zeit, wo wir sehen, wie Fake News rauf und runter vermittelt werden. Das ist nicht wissenschaftlich. Wissenschaftlich heißt, ich habe eine Meinung, aber ich habe nicht nur einfach eine Meinung, sondern ich kann sie begründen. Und auch das reicht noch nicht. Als Drittes lege ich offen, was meine Voraussetzungen sind, um die Begründungen aufzubauen. Das ist ein hochkomplexer Prozess, den man ganz besonders schulen kann in der eigenen Sprache, weil man da nicht ständig drüber nachdenken muss, welche Vokabeln man nutzen muss. Man kann sehr vertieft in dieses Feld hineingehen und man muss es besonders sorgfältig tun, weil man mit Stoffen zu tun hat, die oft künstlerisch geformt sind, wo man in sehr subtile Bereiche hineinkommt und wo man genau lernen muss, nicht nur zu sagen, mir gefällt das Gedicht oder der Text ist schön, tut mir gut, lese ich gern am Strand liegend, sondern man muss sehr differenziert am Ende sagen können, warum der Text einen genau fesselt. Ist es die Sprachstruktur? Sind es die Satzgefüge? Sind es die Themen Liebe, Tod, Genderrollen und so weiter? Das bieten die Literaturen, diese großartigen Themen. Wie kommt es zustande, dass ich gepackt bin und auch gerne mit anderen über diese Texte spreche? Man redet viel, ja. Aber es ist genau diese Schulung, zu unterscheiden, was heißt labern und was heißt argumentieren. Und das ist eine Kenntnis, die man meines Erachtens in ganz fundamentaler Weise in andere Berufsfelder mitnehmen kann und soll. Das ist die Stärke der Germanisten, die dann in andere Felder einzubringen ist.
Berufsperspektiven (23:42)
C. J.: Ja, wenn wir schon dabei sind, Vorurteile zu widerlegen. Ein anderes Vorurteil, das man manchmal hört, ist, dass Germanisten oder Geisteswissenschaftler nach dem Studium vor allem als Taxifahrer im Berufsfeld tätig sein sollen. Wir haben Studierende der Germanistik gefragt, ob sie selbst schon berufliche Pläne nach ihrem Studium haben und unterhalten uns gleich darüber, was man denn außer Taxifahren sonst noch so machen kann nach seinem Studium.
Studi 1: Ich werde später einmal Lehrerin und freue mich schon sehr darauf, den Kindern und Jugendlichen Literatur, Textverständnis und auch Grammatik beizubringen.
Studi 2: Ich strebe eine akademische Laufbahn an, insofern würde ich eigentlich gern Professor werden. Jedoch halte ich es mir auch offen.
Studi 3: Ich studiere Germanistik im Bachelor of Education, mein zweites Fach ist Spanisch. Das heißt, mein Berufswunsch ist Lehrerin am Gymnasium.
Studi 4: Ich studiere gerade in erster Linie einfach, weil es mir sehr viel Spaß macht. Also ich halte mir meine Möglichkeiten offen, könnte mir aber sehr gut vorstellen, mal in einem Verlag oder in einer Bibliothek zu arbeiten.
Studi 5: Ich habe fest vor Lehrerin zu werden und sehe mich auch total in dem Beruf. Falls ich mich allerdings doch noch umentscheide, kann ich mir gut vorstellen im Journalismus zu arbeiten.
Studi 6: Also ich studiere Germanistik im Bachelor of Arts. Mich persönlich würde besonders das Kulturmanagement interessieren.
A. B.: Jetzt haben wir schon verschiedene Berufswünsche gehört. Was sind denn so die typischen Berufsfelder, in denen Germanistinnen oder Germanisten arbeiten?
A. G-R: Ja, es wurde sehr viel gesagt, natürlich ganz wichtig der Zweig der Schule, das ist ganz klar das Fach Deutsch. Dann wurde auch schon gesagt Kulturmanagement, Zeitungen, Radio, Fernsehen, die ganzen Medien kann man von dem Fach Deutsch aus bespielen und mitbespielen. Auch der Bereich, denke ich, der Fremdsprachenintegration in den Kulturbereich des Deutschen ist sehr wichtig. Kulturmanagement in dem Sinne, dass wir von unseren Angeboten auch sehr viel mit anderen Kulturen zu tun haben und da ein Instrument entwickeln, dass Fremde als Fremdes ernst zu nehmen, Mittel finden, wie man es verstehen kann, ohne es etwa zu okkupieren. Das finde ich, sind Voraussetzungen, die sehr wichtig sind im Bereich der Arbeit mit und in anderen Kulturfeldern. Und ich möchte noch ein weiteres Feld nennen, das Feld der Industrieberatung, das Feld des Coachings, auch Felder, die genuin gar nichts mit dem Fach Deutsch zu tun haben. Wir erleben immer mehr Abgänger und Abgängerinnen, die in diese Felder gehen. Und ich glaube, man muss realisieren, dass das Fach Deutsch eine ganz breite Möglichkeit hat, Grundlagen zu vermitteln. Und diese Grundlagen bestehen oft darin, sehr flexibel und kreativ Lösungen für Probleme zu suchen. Das klingt jetzt sehr allgemein, aber ich halte es für fundamental und man sollte es sehr wertschätzen, kreativ auf schwierige Situationen einzugehen. Das höre ich etwa von Leuten, die in den Coachingbereich gehen oder auch in den industriellen Bereich, etwa in die Werbebranche. Wie gehe ich mit einem Problem um und wie finde ich sehr schnell zu Denkformen, die etwas alternativ sind, die einen gewissen Pepp hineinbringen, die erlauben, einmal in eine ganz andere Richtung zu denken. Diese Übung im Denken auch mal auf ganz anderen Wegen, das ist etwas, was im Bereich des Studiums sehr stark gefördert wird.
A. B.: Ich glaube, an der Stelle ist es vielleicht auch Zeit für ein Outing, denn Christoph und Frau Gerok-Reiter, Sie wissen, dass ich selber auch Germanistik studiert habe, heute in der Zentralen Studienberatung arbeite und nun hier mit Ihnen sitze und diesen Podcast mache.
A. G.-R.: Ich würde gerne noch etwas nachsetzen zu dem, was ich eben gesagt habe. Ich glaube, beim Lehramtsstudiengang ist immer klar, wohin der Weg führt. Es ist aber für viele, die im Bachelor of Arts anfangen, tatsächlich am Anfang nicht immer nur ein schönes Gefühl, gar nicht zu wissen, wohin die Reise geht. Und da ist meine Erfahrung, das muss man eine Weile aushalten und vielleicht auch irgendwann genießen, diese Freiheit. Ich bin noch nicht festgelegt und ich darf einfach mal rechts und links gucken, um dann zu sehen, dass man tatsächlich aus dem Fach Deutsch heraus so eine breite Plattform, ein so breites Angebot bekommt, wie wir das jetzt eben auch gehört haben, um dann sehr differenziert und sehr auf die eigenen Wünsche zugeschnitten, doch Richtungen zu finden. Da ein bisschen Mut haben, ins Ungewisse zu gehen. Die Antworten kommen! Es ist vielleicht eine ganz schöne und inzwischen seltene Möglichkeit, sich auch diese Zeit nehmen zu dürfen.
A. B.: Ja, ich kann das sehr bestätigen! Es ist Fluch und Segen zugleich, aber den Segen manchmal zu sehen, ist auch wichtig. Ganz richtig.
C. J.: Und es schadet auf jeden Fall nicht, wenn man sich für so ein Fach, gerade wenn man im Bachelor studiert, mit der Zeit schon mal ein paar Sätze zurechtzulegen, die man den Eltern oder Freunden oder auf Familienfesten erzählen kann, was man denn damit alles machen könnte, auch wenn man es selbst noch gar nicht genau weiß.
A. B.: Da sind wir auch bei der Frage nach den Berufschancen bzw. wie ich meine Chancen verbessern kann. Wie sieht es denn mit der Praxis im Studium aus? Gibt es Raum für Praktika oder gibt es vielleicht sogar ein Pflichtpraktikum, das absolviert werden muss?
A. G.-R.: Generell stehen die Praktika nicht ganz im Vordergrund. Es ist eben ein wissenschaftliches Studium. Aber erstens, ganz viele Studierende machen Praktika in den Semesterferien. Das wird von uns auch sehr empfohlen, damit man frühzeitig die Berufswelt kennenlernt, frühzeitig sieht, in welche Richtung es gehen könnte und mit diesem doppelten Portfolio, einerseits Studium, andererseits Erfahrung in den Praktikumsbereichen, seine Aussichten auf Anstellung entschieden verbessert. Es wird also empfohlen, viele setzen das um. Das kann man zeitlich in den Semesterferien schaffen. Es gibt aber auch Studiengangsbereiche, in denen Praktika auch formal integriert sind und man dafür auch ECTS erwerben kann. Ein Beispiel ist etwa der Master Deutsche Literatur. Da ist eine ganze Spannweite an ECTS vorgesehen, die man über Praktika einspeisen kann. Auch im Master Literatur und Kulturtheorie ist das möglich. Und auch die Linguisten arbeiten immer wieder und intensiv mit praktischen Angeboten, etwa indem einzelne Studierende in Forschungszusammenhänge eingebunden werden, die in der Linguistik auch sehr praxisorientiert angesetzt werden. Also Praxis gehört nicht genuin zum Studium, ist aber in manchen Studiengängen durchaus verankert und wird in jedem Fall sehr stark aufgegriffen und kombiniert. Im Lehramt hat man natürlich die Praktika an den Schulen, da ist es auch dezidiert festgeschrieben, dass das dazugehört. Also man sitzt keineswegs nur hinter Büchern. Das wäre eine ganz falsche Vorstellung. A führen Bücher und Texte immer wieder ins Leben zurück und B erreicht man selber sozusagen die praktischen Felder über Praktika.
A. B.: Ich schiebe noch mal hinterher: Je nach Studiengang gibt es ein Pflichtpraktikum, beispielsweise im Bachelor of Education, im Bachelor of Arts gibt es das Pflichtpraktikum nicht. Es gibt aber andere Möglichkeiten, dann auf freiwilliger Basis das zu absolvieren und die ECTS, von denen Sie gerade gesprochen haben, das sind sogenannte Leistungspunkte, nur damit das die Schülerinnen und Schüler einmal gehört haben. Danach wird der Leistungsaufwand im Studium berechnet. Damit werden sie dann im Studium häufiger zu tun haben.
C. J.: Ich glaube, damit haben wir auch schon einen sehr umfassenden Einblick in das Studium und all die verschiedene Inhalte bekommen. Frau Gerok-Reiter, ganz herzlichen Dank, dass Sie heute bei uns waren. Alex, hast du noch irgendeine Frage, die dir auf dem Herzen brennt?
A. B.: Nein, für mich ist alles beantwortet. Vielen Dank, Frau Gerok-Reiter.
A. G.-R.: Ich danke auch und ich lade sozusagen alle ein. Probieren Sie es aus. Das Fach Deutsch bietet so viel, Sie werden sicher satt werden.
C. J.: Das ist doch ein wunderbar schönes Schlusswort. Ganz lieben Dank fürs Zuhören! Weitere Infos gibt es auf den Webseiten des Deutschen Seminars der Uni Tübingen. Auch auf der Website zum Bereich Studium der Uni Tübingen. Und ansonsten schreibt uns eine E-Mail an hochschulreif@unitübingen.de
Shownotes
„hochschulreif“ spricht mit Prof. Dr. Annette Gerok-Reiter über die folgenden Themen:
00:53 Persönliche Motivation
06:15 Studieninhalte
18:58 Persönliche Voraussetzungen
23:42 Berufsperspektiven
Individuelle Unterstützung bei der Studienwahl findet Ihr bei der Zentralen Studienberatung der Universität Tübingen. Infos zu allen Studiengängen an der Universität Tübingen gibt es im Verzeichnis der Studiengänge.
Bei Fragen, Anregungen oder Kritik schreibt uns an: hochschulreifspam prevention@uni-tuebingen.de