Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2023: Uni intern
„Wenn Sie der Kanzler sind, dann bin ich der Bundespräsident!“
Kanzler Dr. Andreas Rothfuß feiert sein 20-jähriges Dienstjubiläum
Andreas Rothfuß ist aufgewachsen im Schwarzwald, dort war Jürgen Klopp sein Mitschüler: Der eine wurde Fußballtrainer, der andere machte Karriere – als Uni-Kanzler: Seit Juli 2003 ist Dr. Andreas Rothfuß Kanzler der Universität Tübingen und damit auch Leiter der Universitätsverwaltung.
An seine Jugend denkt Rothfuß gerne zurück: „Ich habe diese Zeit und auch die Natur im Schwarzwald sehr genossen. Und ich gehe auch heute noch gerne dorthin, vor allem zum Wandern mit meiner Frau und mit meinen Kindern. Der Nationalpark Schwarzwald, insbesondere die schönen Aussichtspunkte und Fernblicke auf den Rhein – liegen mir besonders am Herzen“, bekennt er.
Später studierte Andreas Rothfuß VWL und BWL. Nach dem Vordiplom an der Universität Mannheim ging er in die USA und absolvierte an der Portland State University ein zweijähriges MBA-Programm in einem Jahr. „Das war ein riesiger Kontrast: in Mannheim das Diplom-System mit bis zu 1.000 Studierenden in einer Vorlesung und großen Prüfungen am Ende des Studiums. In Portland dagegen kleine Gruppen mit nur 28 Studierenden, man wurde mit Namen (!) angesprochen“, sagt Rothfuß und fährt fort: „Als ich nach Mannheim zurückkehrte, war ich frustriert über das deutsche Hochschulsystem: Ich hatte bspw. einen MBA – also quasi einen Master in BWL – in der Tasche und hatte Schwierigkeiten, diesen in meinem Diplomstudium der Volkswirtschaftslehre in Deutschland als Studienfach Allgemeine Betriebswirtschaftslehre anerkannt zu bekommen.“
Auch aufgrund dieser persönlichen Erfahrung, begann Rothfuß die beiden Hochschulsysteme zu vergleichen und promovierte schließlich 1997 über „Hochschulen in den USA und in Deutschland. Ein Vergleich aus ökonomischer Sicht.“ am Staatswissenschaftlichen Seminar der Universität zu Köln, wo er auch wissenschaftlicher Mitarbeiter war. Zuvor hatte er bereits in seiner Diplomarbeit die Gesundheitssysteme in Deutschland und den USA miteinander verglichen.
Vom Wissenschaftsministerium an die Universität Tübingen
Nach der Promotion ging Andreas Rothfuß ins baden-württembergische Wissenschaftsministerium, als Referent für die soziale Betreuung der Studierenden und die Studierendenwerke. „Damals mussten die Studierendenwerke nach einem Gutachten des Rechnungshofes in kaufmännische Unternehmen umgewandelt werden und ein neues Studierendenwerksgesetz musste aufgesetzt werden. Das war eine herausfordernde, aber auch schöne Aufgabe“, erinnert er sich. Im Ministerium wurde er intern schließlich abgeworben für den Haushaltsbereich und übernahm die Leitung der Gruppe ‚Globalhaushalte und neue Steuerungsinstrumente und Controlling‘.
Durch seine Arbeit im Ministerium hatte Rothfuß bereits Kontakte nach Tübingen. Ende 2002 erhielt er eine E-Mail von einem Mitarbeiter der Universität, Inhalt: die Ausschreibung für die Nachfolge des damaligen Kanzlers Professor Georg Sandsberger. Rothfuß bewarb sich und wurde gewählt – der Rest ist (Universitäts)-Geschichte...
Gleich zu Beginn seiner Amtszeit gab es eine schwierige Situation zu meistern. „Es war damals zu einer Unterschlagung bei einer Ausgründung der Universität (der Attempto Service GmbH) gekommen. Die Aussagen des damaligen Geschäftsführers zu bestimmten Finanzierungen kamen mir nicht plausibel vor. In vielen Gesprächen habe ich die tatsächlichen Sachverhalte damals aufgedeckt, am Ende kam es zum Prozess und zu einer Verurteilung“, erinnert sich Kanzler Rothfuß an seinen Start.
Ebenfalls in den Beginn seiner Amtszeit fiel die Bologna-Reform: „Die Umstellung der Studiengänge vom Diplom-/Magister- auf das Bachelor-/Master-System war für alle Universitäten ein großer Kraftakt. Mein Vorteil war, dass ich beide Systeme gut kannte und durch meine Zeit in den USA sowohl einen Diplom- als auch einen Master-Abschluss hatte“, so Rothfuß.
Auch das Scheitern der Universität Tübingen in der ersten Runde der Exzellenzinitiative 2006 ist ihm noch im Gedächtnis geblieben: „Der baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg machte damals den Vorschlag, die Universität Tübingen solle eine Lehr-Universität werden und sich gar nicht mehr um Forschung ‚kümmern‘. Das neue Rektorat unter der Leitung von Bernd Engler hat das klar abgelehnt und als Reaktion das Programm ‚Exzellenz aus eigener Kraft‘ gestartet: Ein Innovationspool wurde aufgelegt, Sparmaßnahmen definiert und Gelder wie auch Stellen eingesammelt. Diese Mittel wurden dann ganz bewusst eingesetzt für neue Forschungsrichtungen und neue Professuren. Parallel dazu gab es die Fakultätsreform mit der Bildung von drei Großfakultäten und die Verwaltungsreform mit einem neuen Zuschnitt der Dezernate. – Das neue Rektorat hat das Scheitern in der Exzellenzinitiative damals als Chance für grundlegende Veränderungen erkannt, sich neu aufgestellt und governance demonstriert. Mit Erfolg, wie die zweite Runde der Exzelleninitiative 2012 gezeigt hat“, resümiert Rothfuß nicht ohne Stolz.
Die Elefantendame Molly
Gerne denkt Andreas Rothfuß auch an die heiteren Momente der vergangenen 20 Jahre zurück: „Im Sommer 2011 bekam ich eines Morgens einen Anruf aus dem Landesdenkmalamt. Eine Frau erklärte mir am Telefon ganz trocken, dass es verboten sei, einen Elefanten in einem denkmalgeschützten Gebäude zu vergraben. Auf Nachfrage konkretisierte sie, dass sie Schloss Hohentübingen meinte. Ich wusste gar nicht, wovon sie sprach und hielt den Anruf erst für einen Aprilscherz. Der von mir beauftragte Hausmeister ging zum Nachschauen aufs Schloss und berichtete mir anschließend telefonisch, dass es doch im Hasengraben [nicht öffentlich zugänglicher Teil des Schlossgrabens] doch recht bedenklich stark rieche... Im Laufe weiterer Recherchen kam heraus, dass die Elefantendame Molly im Juli 2011 in der Wilhelma gestorben war und es ein großes wissenschaftliches Interesse von Seiten unserer Archäozoologen gab. Also wurde Molly mit einem gemieteten Sprinter aus Stuttgart geholt und auf dem Schloss vergraben (siehe Schwäbisches Tagblatt vom 22.05.2020). Dafür lag aber aufgrund der gebotenen Eile weder eine Genehmigung des Kreisveterinäramtes noch des Denkmalamtes noch sonst einer zuständigen Behörde vor. Ich habe die Angelegenheit dann Oberbürgermeister Boris Palmer, Landrat Joachim Walter und Regierungspräsident Herrmann Strampfer ‚gebeichtet‘ und gemeinsam haben wir eine konstruktive und unbürokratische Lösung für Molly gefunden…“
Eine andere Anekdote: Bei einer Tübinger Kinderuni-Vorlesungen 2005 mit dem Astronauten und Physiker Ernst Messerschmid war der Hörsaal im Kupferbau völlig überfüllt. Einige Eltern versuchten mit allen Tricks, noch in die Vorlesung reingelassen zu werden. Andreas Rothfuß griff deshalb ‚hart‘ durch. Daraufhin baute sich vor ihm eine Mutter auf und fragte, wer er denn sei und was er sich einbilde, ihr den Zutritt zu verwehren. „Ich habe ihr gesagt, dass ich der Kanzler der Universität sei. Sie schaute mich wütend an und erwiderte bloß: Wenn Sie der Kanzler sind, dann bin ich der Bundespräsident!“, schmunzelt Rothfuß.
Größte Herausforderung: der Themenkomplex Energie, Klima und Umwelt
Wenn man den Kanzler auf die größten zukünftigen Herausforderungen für die Universität anspricht, nennt er als erstes den Themenkomplex Energie, Klima und Umwelt,– obwohl es hier durchaus Erfolge gibt: „Die Universität Tübingen hat im Juli 2009 ein Umweltmanagementsystem nach EMAS eingeführt und war 2011 die erste klassische Universität in Deutschland, die das EMAS-Zertifikat erhalten hat. Der Anstoß dazu kam damals von der Studierendeninitiative ‚Greening the University‘. Dank dieses Öko-Audits haben wir unsere Umweltbilanz im letzten Jahrzehnt kontinuierlich verbessern können.“ Erschwert wird der Prozess allerdings dadurch, dass die Universität Tübingen immer noch auf rund 176 Gebäude verteilt ist und es bei diesem Gebäudebestand einen enormen Sanierungsstau gibt. „Hier muss das Land Baden-Württemberg in der Zukunft massiv investieren, um das Ziel Klimaneutralität zu erreichen“, sagt Rothfuß.
Die Corona-Krise hat aus Sicht des Kanzlers gezeigt, dass Wissensvermittlung auch über Online-Formate gut möglich ist. Diese kann und soll natürlich die Präsenzlehre mit persönlichem Austausch nicht ersetzen, sondern bedarf dann der Ergänzung durch kleinformatige, persönliche Veranstaltungen, in denen das Wissen angewendet und erörtert wird, betont er.
Auch die Digitalisierung der Universität ist eine große Herausforderung, weiß Rothfuß: „Wir haben aktuell 88 Projekte definiert, um die sich die neue Stabsstelle „Digitale Transformation und Change Management“ Schritt für Schritt kümmern wird.“ Und dann ist da noch der Fachkräftemangel: „Wir tun uns immer schwerer damit, gutes qualifiziertes Personal zu finden. Manche Stellen haben wir achtmal ausgeschrieben – ohne Erfolg. Und gleichzeitig werden die Anforderungen des Landes an uns und unsere Berichtspflichten immer größer“, so Rothfuß
Zwei Rektoren und eine Rektorin hat Andreas Rothfuß in seiner Amtszeit bislang erlebt: „Jede Persönlichkeit ist natürlich unterschiedlich, hat einen ganz verschiedenen Stil, ganz andere Schwerpunkte und differierende Vorgehensweisen. Für mich ist es besonders schön, dass ich mit allen dreien – Eberhard Schaich, Bernd Engler und Karla Pollmann – auf der persönlich-menschlichen Ebene sehr gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten konnte und kann“, stellt er fest.
Das Herz der Universität
Als Verwaltungschef ist Rothfuß auch zuständig für rund 8.000 Beschäftigte: „An der Universität Tübingen arbeiten ganz unterschiedliche Menschen – im wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Dienst, in der Verwaltung oder auch in den Werkstätten. Sie alle zusammen sind das Herz dieser Universität und sorgen dafür, dass unsere Studierenden hervorragende Studienbedingungen haben und wir zu den besten Universitäten in Deutschland und Europa gehören“, weiß er.
Dass die Entscheidungen des Rektorats nicht immer allen Beschäftigten und Studierenden der Universität Tübingen gefallen, ist auch Kanzler Rothfuß bewusst: „Wichtig ist grundsätzlich, dass man Entscheidungen wie die aktuell notwendigen Einsparungen aufgrund der Energiekrise transparent macht. Dass man die Situation darlegt, wie sie tatsächlich ist und offen kommuniziert. Tatsächlich bin ich als Kanzler häufig in einer Art ‚Sandwichposition‘: Ich kann ja nicht darüber verfügen, wieviel Geld die Universität vom Land bekommt. Ich kann mich nur dafür einsetzen und meine Kontakte nutzen, also quasi Lobbyarbeit für die Universität betreiben, damit das Land sich bei den Mehrkosten für Energie stärker beteiligt.“
Was kann man tun, um bei all diesen Herausforderungen trotzdem fit zu bleiben, mental wie auch physisch? – „Für mich persönlich ist Sport immer ein wichtiger Ausgleich, deswegen gehe ich jeden Tag joggen. Daneben sind für mich die Familie und meine drei Kinder sehr wichtig. Ich genieße es sehr, mit meiner Frau und den Kindern im Urlaub in den Bergen zu wandern oder Radtouren zu unternehmen. Das bringt mich immer wieder sehr schnell auf andere Gedanken, wenn es im Job mal schwierig ist. Und zeigt mir, dass die Welt auch noch viele andere Facetten hat.“
Und tritt er 2026 noch einmal zur Wahl an? „Ich bin dann 60 Jahre alt und es ist noch ein bisschen Zeit bis dahin. Aber grundsätzlich kann ich mir schon vorstellen, nochmal anzutreten. Man muss abwarten, wie dann die Situation ist und ob das überhaupt erwünscht ist“, sagt Kanzler Andreas Rothfuß mit einem Schmunzeln.
Maximilian von Platen