Die Universität Tübingen hat im November und Dezember 2011 an der Online-Umfrage „International Student Barometer“ (ISB) des i-graduate-Instituts in London teilgenommen, der größten regelmäßig durchgeführten Umfrage zur Zufriedenheit von internationalen Studierenden weltweit (siehe „Uni Tübingen aktuell“ Nr. 2/2012). Das Gesamtergebnis war sehr erfreulich: in vielen Bereichen hat die Universität Tübingen unter allen teilnehmenden deutschen Universitäten einen der ersten zehn Plätze oder sogar einen der ersten drei Plätze erreicht, darunter in den wichtigen Kategorien Fachkompetenz der Dozenten („Expert Lecturers“) und Qualität der Lehrangebote („Quality Lectures“). Die Qualität der akademischen Lehre wird also als sehr positiv beurteilt. Auf Platz 1 deutschlandweit liegt die Universität Tübingen sogar in den Kategorien Umweltfreundlichkeit („Eco-friendly attitude“) und Sicherheit („Safety“). Einmal mehr wurde bestätigt, welch große Bedeutung die Lebensqualität in der großen kleinen Universitätsstadt Tübingen - nicht nur - für die internationalen Studierenden und Gäste der Universität hat. Unzufriedenheit beziehungsweise Wünsche gab es bei den internationalen Studierenden aber durchaus in den Bereichen studentisches Wohnen, Verpflegung und Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung.
Die vom i-graduate-Institut aufbereiteten Ergebnisse der Umfrage wurden im Laufe dieses Sommers vom Dezernat Internationale Angelegenheiten innerhalb der Universität Tübingen vorgestellt und diskutiert.
Mindestens ebenso interessant wie die Ergebnisse waren für die Gesprächsteilnehmer oft die Fragestellungen des Student Barometer (Gründe für die Entscheidung für einen Studienaufenthalt in Tübingen; Zufriedenheit mit den Services von Studentenwerk und zentralen Hochschuleinrichtungen; Zufriedenheit mit Lehrveranstaltungen und der Betreuung im Studienverlauf; Gesamteinschätzung des Studienaufenthalts; Wünsche für Verbesserungen in Serviceangeboten und Lehre). Denn sie bilden sehr genau ab, welche Erwartungshaltungen Studierende weltweit zum Studium an einer Universität mitbringen – und diese Erwartungen sind geprägt von Standards, die sich in einem zunehmend globalisierten Bildungsmarkt entwickelt haben. Das International Student Barometer kann daher auch als Praxis-Führer zur Globalisierung im Bereich der akademischen Bildung gelesen werden.
Kritische Rückmeldungen der internationalen Studierenden bezogen sich vor allem auch auf enttäuschte Erwartungen in der Begegnung mit einer „anderen“ akademischen Kultur. So ist es an deutschen Universitäten beispielsweise nicht überall selbstverständlich, gleich zu Beginn die Dozenten kennenzulernen und von ihnen ausführlich beraten zu werden. Oft erscheint den internationalen Studierenden nicht hinreichend klar, welche Leistungen von ihnen erwartet werden und nach welchen Kriterien ihre Leistungen bewertet werden. Ihnen fehlen detaillierte Rückmeldungen, wie sie ihre Leistungen verbessern können. Es erschließt sich internationalen Studierenden nicht selbstverständlich, welche Erwartungshaltungen mit einem „Seminar“, mit einem „Referat“, mit einer „Seminararbeit“ verbunden sind. Und vor allem: viele internationale Studierende nehmen enttäuscht wahr, dass der Kontakt zu und die Zusammenarbeit mit deutschen Kommilitonen nicht so einfach ist wie erhofft.
Eine Schlussfolgerung, die sich in den meisten Gesprächen an der Universität Tübingen ergab: auf dem Weg der Internationalisierung lohnt es sich, in eine stärker ausgeprägte Willkommenskultur zu investieren – in den zentralen Einrichtungen, in den Fakultäten und Fächern, in den studentischen Gruppen und in jeder einzelnen Lehrveranstaltung. Und vor allem lohnt es sich, mehr über - nicht nur -akademische Erwartungshaltungen zu reden, die auf den ersten Blick selbstverständlich erscheinen, die es aber eben nicht sind. Davon werden sicher alle Studierenden profitieren, nicht nur die internationalen.
Die Universität Tübingen plant, im kommenden Jahr wieder an der Umfrage teilzunehmen.
Ursula Kimpel
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