Mit der Einführung von SAP hat die Universität Tübingen zum 1. Januar 2015 den endgültigen Wechsel von der Kameralistik zur kaufmännischen Buchführung vollzogen. Gleichzeitig wurde mit dem Rollout des Moduls „Supplier Relationship Management“-Modul (SRM) als Webportal für den dezentralen Einkauf begonnen.
Die größte Veränderung bei der Einführung von SRM an der Universität Tübingen stellt die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Kontierung dar: gleich bei der Bestellung muss die Kostenstelle und das Projekt angegeben werden – und nicht wie bisher erst bei der Rechnungsstellung. Dies bedeutet in vielen Bereichen eine große organisatorische Umstellung.
Walter Schaal, Geschäftsführer des Chemischen Zentralinstituts im Fachbereich Chemie gehört zu den Key-Usern an der Universität Tübingen, denn in seinem Bereich ist der Zentraleinkauf der Chemikalien für die ganze Universität konzentriert. Er ist deswegen als Beschäftigter einer dezentralen Einrichtung bereits seit Anfang 2013 in das Projekt und in die Erstellung der Fachkonzepte für die SRM-Einführung eingebunden, neben der zentralen Beschaffungsabteilung.
„Ich bin mit dem jetzigen Stand des SAP / SRM -Rollouts zufrieden“, sagt Schaal. „Wir, das sind mit mir 11 weitere Kolleginnen und Kollegen im Institut, konnten mit dem Produktivstart von SAP am 7. Januar im Live-System Aufträge buchen und Bestellungen tätigen.“ Parallel pflegt Schaal auch noch Vorgänge im Testsystem für SAP ein. Alle Vorgänge und Ableitungsregeln werden dort solange getestet, bis sie fehlerlos funktionieren. Erst danach werden sie vom landeseigenen Rechenzentrum LCC, das das SAP-Systeme der Universität Tübingen hostet, ins Live-System übertragen.
Für die SAP/ SRM-Einführung war zunächst ein detailliertes Fachkonzept notwendig. Dieses Fachkonzept beschreibt die Organisation bzw. die Arbeitsabläufe der Universität und wie die Umsetzung in das SAP / SRM System erfolgt. Zusätzlich war für SRM die Erstellung eines detaillierten Rollen- und Berechtigungskonzepts mit klaren Genehmigungsstrukturen für alle Organisationseinheiten der Universität – Dezernat, Fakultät, Institut, zentrale Einrichtung – erforderlich Für das Funktionieren der Arbeitsabläufe sind eindeutige Ableitungsregeln im System notwendig.
„Es muss die richtige Mischung aus Änderungen von Arbeitsprozessen und Änderungen an der Software sein, dafür ist ein hohes Maß an Kommunikation von allen Projektpartnern – internen wie externen – erforderlich. Arbeitsabläufe und Strukturen kann man nur bis zu einem gewissen Grad anpassen und optimieren. Anpassungen bei SAP/SRM sind kostenintensiv und verursachen bei Updates erheblichen Mehraufwand. Wir haben daher im System an vielen Stellen Standardmasken und -formulare von SRM, mit Feldern, die wir gar nicht benötigen. Wir müssen also unsere SAP und SRM-Anwender so schulen, dass sie schnell erkennen, welche Felder für sie relevant sind und welche ignoriert werden können. Ganz wichtig ist ferner, dass die Ableitungsregeln im System stimmen. Wenn ein Anwender falsche oder unvollständige Eingaben macht, muss das System das gleich erkennen. Wenn ein Kunde eine Bestellung in SRM eingegeben hat, dann muss der nächste in der Bearbeitungskette sich darauf verlassen können, dass alles korrekt ist. Oder beispielsweise in den Lagern: wenn ich hier die Kontierung x eingebe, muss das System wissen, dass es sich um eine Buchung im steuerlichen Bereich handelt. Oder um einen Vorgang im hoheitlichen Bereich. Beim Sonderfall „Barverkauf an Privatpersonen“ bei uns im Glasladen schlägt das System automatisch zehn Prozent Verwaltungsaufschlag auf den Preis auf. Alles das muss man dem System vor dem Produktivstart über Ableitungsregeln beibringen“, erklärt Walter Schaal. „Denn nur so kann der Eingabeaufwand minimiert werden und ist das komplexe System für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität Tübingen benutzbar.“
SRM ist das ‚Werkzeug‘ für die Endkunden der Beschaffungsabteilung und des Chemischen Zentralinstituts, die die bestellte Ware bekommen. Alle Waren sind nach sieben Einkaufsgruppen klassifiziert. Das System leitet Bestellung an den für die jeweilige Einkaufsgruppe zuständigen Mitarbeiter bzw. an die zuständige Mitarbeiterin, die den Vorgang weiterbearbeiten. Durch das neue System komplexer ist, sind auch Fehlerkorrekturen komplizierter geworden. „Gerade jetzt in der Einführungsphase müssen Fehler schnell korrigiert werden. Das gilt sowohl für das Testsystem als auch für Fehler, die erst nach Übertragung ins Live-System auftreten. Ansonsten ist hinterher der Aufwand für Korrekturen erheblich höher“, sagt der Geschäftsführer des Chemischen Zentralinstituts.
Mit dem Sommersemester 2015 hat der SRM-Rollout für dezentrale Einrichtungen mit fünf Pilotinstituten begonnen. In fünf Phasen von je drei Monaten soll das Bestellwesen in allen dezentralen Einrichtungen der Universität auf SRM umgestellt werden. Dazu werden jeweils im Vorfeld der Freischaltung Schulungen durchgeführt. Parallel sollen nach und nach die verschiedenen Bestellkataloge in das System eingepflegt werden. In der Übergangszeit von zwei bis drei Jahren wird es auf jeden Fall neben der SRM-Bestellung herkömmliche Bestellungen über Papier sowie Direktbestellungen bei Lieferanten geben.
„Künftig haben wir ein durchgängiges System für Bestellung, Lagerhaltung und Rechnungsstellung. Dies ermöglicht eine genauere Bestandsübersicht, die rechtzeitige Nachbestellung von Artikeln und mittelfristig auch günstigere Einkaufskonditionen bei stark nachgefragten Artikeln. Und wir können bestellte Ware im Lager gleich reservieren und bereitstellen“, sagt Walter Schaal. Für Einrichtungen und Institute wird es möglich sein, jederzeit ihren genauen Kontostand abzufragen, in dem auch aktuelle Bestellungen bereits berücksichtigt sind. SRM bedeutet also einen Mehrwert an Information für alle Beteiligten.
Maximilian von Platen