Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2016: Forschung

Tübinger Förderpreis für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie für die Erforschung der Jagdstrategien früher Menschen

Der Spanier Antonio Rodríguez-Hidalgo rekonstruiert anhand von 400.000 Jahre alten Tierknochen, wie Gruppen zur Nahrungsbeschaffung zusammenarbeiteten. Dafür ist er mit dem Tübinger Förderpreis für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie ausgezeichnet worden.

Der diesjährige Tübinger Förderpreis für Ältere Urgeschichte und Quartärökolgie ging an den spanischen Archäologen Dr. Antonio Rodríguez-Hidalgo vom Catalan Institute of Human Paleoecology and Scoial Evolution (IPHES) in Tarragona. Der Spezialist für Archäozoologie, einer Disziplin zur Erforschung der fossilen Überreste von Tieren, hat in seiner Doktorarbeit die Strategien früher Menschen bei der Nahrungsbeschaffung vor mehr als 400.000 Jahren untersucht. Seit 2003 gehört er zu Ausgrabungsteams, die in der Sierra de Atapuerca nahe Burgos in Nordspanien arbeiten, einer der größten eiszeitlichen Fundstellen weltweit. Anhand tierischer Knochen, vor allem von Bisons, die immer wieder in einer 28 Meter hohen Schicht zu finden waren, rekonstruierte Rodríguez-Hidalgo frühe Jagdstrategien, die auf eine komplexe Planung schließen lassen. Der Förderpreis wurde 2016 zum 18. Mal verliehen. Er ist mit 5.000 Euro dotiert und wird von der Firma Romina Mineralbrunnen GmbH gestiftet. Antonio Rodríguez-Hidalgo ist der zweite spanische Wissenschaftler in Folge, der an der Sierra de Atapuerca arbeitet und den Tübinger Förderpreis für Ältere Urgeschichte und Quartärökolgie erhält. Im vergangenen Jahr wurde er Dr. Adrían Pablos für seine Arbeit über den menschlichen Fuß verliehen.

Rodríguez-Hidalgo untersuchte Tierknochen aus zwei Schichten der Gran Dolina, einer der Fundstellen der Sierra de Atapuerca, in der auch Fossilien eines frühen Menschen, genannt Homo antecessor, entdeckt wurden. In der älteren, 400.000 Jahre alten Schicht waren Knochen von rund 60 Bisons eingeschlossen, die von Menschen getötet wurden. „Zum Teil ist es schwer, die Spuren an Tierknochen zuzuordnen, ob sie von Werkzeugen stammen oder von Zähnen, vom Menschen oder Tier“, sagt er. Er hat untersucht, wie Tiere erbeutet wurden und wie die frühen Menschen ihre Beute zerteilten. Da das Alter der Tiere von der Fundstelle zum Todeszeitpunkt stark variierte, geht der Wissenschaftler davon aus, dass eine ganze Herde Bisons auf einmal starb.

„Die Menschen vor 400.000 Jahren haben eine natürliche Falle genutzt, um bei einer Gemeinschaftsjagd Bisons zu töten“, sagt Rodríguez-Hidalgo. An der Fundstelle gibt es Hinweise, dass mehrere solcher Jagden stattgefunden haben. Die Herde wurde von Menschen umringt und in die Höhle der Gran Dolina getrieben. Das lasse auf abstrakte Planung und ein komplexes Verhalten der Menschen schließen. „Es werden viele Personen bei der Jagd gebraucht, die auch miteinander kommunizieren müssen, um sich über die Aufgabenteilung zu verständigen.“ Er vermutet, dass nicht nur die Männer, die üblicherweise auf Großwildjagd gingen, sondern auch Frauen und Alte bei der Gemeinschaftsjagd gebraucht wurden. In der zweiten, 300.000 Jahre alten Schicht fand der Archäologe Hinweise, dass die Stätte den Frühmenschen nun als Basislager gedient hatte und sie von dort ausgehend gezielt Rothirsche erbeutet hatten, ähnlich wie später auch der Neandertaler und der moderne Mensch.

Antonio Rodríguez-Hidalgo, geboren 1978, studierte zunächst Geschichtswissenschaft mit dem Fachgebiet Archäologie im spanischen Cáceres und dem italienischen Parma. Seinen Master in Quartärarchäologie und menschlicher Evolution schloss er 2008 in Tarragona ab. Seine mit dem Förderpreis ausgezeichnete Dissertation erschien 2015.

Janna Eberhardt