Uni-Tübingen

Adventskalender 2016

Schätze aus der Universitätsbibliothek und dem Universitätsarchiv

23. Dezember: Feldpost 1914 -1918

Tübinger Studierende im 1. Weltkrieg (Universitätsbibliothek)


Lieber Karl! 23.XII.1916
[…] Wir liegen seit 5 Wochen wieder an der Somme, diesmal in Fins, einem grossen Teils traurig zusammengeschossenen und verwüsteten Drecknest. Unsere Hoffnung vor Weihnachten abgelöst zu werden, ging nicht in Erfüllung. Die Division wurde „bodenständig“, d.h. wird bis auf weiteres nicht abgelöst. […]
 
Dein Fr.

Als das Jahr 1916 zu Ende ging, war viel Blut geflossen: die Schlacht um Verdun dauerte vom 21. Februar bis 19. Dezember, die Schlacht an der Somme vom 1. Juli bis 18. November. Die genaue Zahl der Toten, Verwundeten und Vermissten nach dem monatelangen gegenseitigen Beschuss mit Granaten, Minen und Maschinengewehren ist nicht bekannt, sie liegt aber bei mehreren Hunderttausend bei Verdun und über einer Million an der Somme.

Bei Kriegsbeginn 1914 waren in Tübingen über 2200 Studenten immatrikuliert. Die Bereitschaft der Tübinger Studenten zum Kriegsdienst war verhältnismäßig hoch, fast 90 Prozent waren bereits im ersten Kriegsjahr im Feld. Viele empfanden dies als ihre Pflicht gegenüber ihrem Vaterland, als künftige nationale Führungselite. Über 700 von ihnen überlebten den Krieg nicht.

Die Alten Herren der Verbindungen versuchten den Kontakt zu den Bundesbrüdern im Feld durch Briefe zu halten. 1955 wurde im Packraum der Universitätsbibliothek in einer Kiste der Nachlass des Tübinger Professors und Bibliothekars Karl Bohnenberger aufgefunden. Er enthält Briefe von Kriegsteilnehmern aus den Jahren 1914 bis 1918, viele davon wie Bohnenberger selbst Angehörige der Königsgesellschaft Roigel. Stilistisch meist nüchtern und kurz gehalten, berichten sie vom Kriegsalltag. Einige wenige Bilder zeigen das Leben im Unterstand und bis auf den Grund zerstörte Ortschaften. Und mancher Briefwechsel endet mit einer Todesanzeige.

Hochverehrter Herr Professor! d. 28.12.16

[…] Am 26.9.16 mittags 3h wurde S. kurz vor mir in Thiepval gefangen genommen und wurde an meiner Seite abtransportiert. Wir gingen nebeneinander, als S. plötzlich durch eine Inf.Kugel getroffen wurde, die sofort seinen Tod herbeiführte.[…]
Ihr L. M.
Sehr geehrter Herr Professor! [Rumänien] 8.11.16
 
[…] Am meisten schlauchte aber das Biwakieren im Freien bei fortwährendem Regen u. Nebel, denn von Unterständen ist hier keine Rede. Nachts brennen auf allen Höhen hunderte von Biwak-Feuern; habe in meinem ganzen Leben noch nie so mit den Zähnen geklappert wie in diesen 10 Tagen. War froh, als wir gestern abgelöst wurden. […] Mit der Verpflegung war es auch immer schwierig, oft 2 Tage nichts erhalten. […]
 
Ihr J. F.

Literatur: