„Handele stets so, dass Dir die öffentlichen Effekte Deines Handelns langfristig vertretbar erscheinen. Aber rechne damit, dass dies nichts nützt.“ – so lautet nach Meinung von Professor Dr. Bernhard Pörksen und Hanne Detel der „kategorische Imperativ für die neue Zeit“. Anhand zahlreicher Fallbeispiele erläutern die Autoren die Entstehung von öffentlichen Skandalen, die ohne einen digitalisierten Alltag so nicht denkbar gewesen wären. Oft war es nur ein unbedachter Klick an der falschen Stelle, die falsche Einschätzung der Reichweite einer medialen Plattform oder schlicht technische Inkompetenz, was ganze Karrieren zum Einsturz und vielfach gelobte Personen des öffentlichen Interesses in die Negativschlagzeilen gebracht hat. Doch auch Privatpersonen, die sich vollkommen jenseits der öffentlichen Wahrnehmungen wähnen, sind potenzielle Opfer eines Skandals. Pörksen und Detel nennen dieses Phänomen den „Reputationsverlust als Dauerrisiko“.
Auf über 240 Seiten schildern die Wissenschaftler unterschiedliche Aspekte des „entfesselten Skandals“ und erläutern jeden Aspekt anhand eines Beispiels. So werden beispielsweise die Plagiatsaffäre um Promotionen, der durch eine publik gewordene Äußerung ausgelöste Rücktritt des ehemaligen Bundespräsidenten Professor Dr. Horst Köhler und die Aktivitäten der Enthüllungsplattform WikiLeaks analysiert. Im Zusammenhang mit den Plagiatsvorwürfen an den ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wird unter anderem das Phänomen des „Crowdsourcing“ veranschaulicht. Grundlage des Crowdsourcing sind das Web 2.0 und die damit verbundenen Möglichkeiten der ortsunabhängigen Zusammenarbeit von Internetusern. So analysierten zahlreiche Web 2.0-Nutzer die Doktorarbeit Guttenbergs online über eine Gratis-Software und prüften sie auf Plagiat-Stellen. „Die Initiatoren und Enthüller der Skandaliserungsprozesse sind nicht mehr nur […] die Journalisten […], sondern auch Blogger, in Schwärmen oder Mobformationen auftretende Kollaborateure im Social Web, oder auch Einzelne, die den richtigen Moment erwischen, ihr ganz persönliches Thema einem aufnahmebereiten Publikum vorzustellen“, stellen Pörksen und Detel in ihrem Buch fest. Die heute allen zugänglichen Medien wie beispielsweise Handys, Digitalkameras und Social Web-Plattformen sind laut den Autoren die „neuartigen Instrumente solcher Skandalisierungsprozesse“. Mit ihrem Buch wollen sie deutlich machen, dass der Skandal im digitalen Zeitalter eine neue Evolutions- und Eskalationsstufe erreicht hat.
Johannes Baral
Bernhard Pörksen ist Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen. Er analysiert in seinen Forschungsarbeiten die Inszenierungsstile in Politik und Medien und kommentiert in Zeitungskolumnen, in Radio- und Fernsehbeiträgen aktuelle Debatten.
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