Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2015: Forschung

Soziale Medien im Sport: Die persönliche Nähe ist Trumpf

Dr. Christoph G. Grimmer analysierte in seiner Dissertation das Verhältnis von Pressesprechern und Journalisten in der Fußball-Bundesliga. Seit März 2013 lehrt und forscht er am Tübinger Institut für Sportwissenschaft im Arbeitsbereich Sportökonomik, Sportmanagement und Sportpublizistik. In diesem Jahr ist er außerdem Hauptorganisator des „Social Media and Sports Day“, der am 29. Mai am Institut für Sportwissenschaft mit Vorträgen und Workshops zum Thema soziale Medien und deren Bedeutung für den Sport stattfindet. Maximilian von Platen hat ihn für „Uni Tübingen aktuell“ interviewt.

Warum setzen Sportler, Vereine und Verbände Social Media ein? Welche Ziele und Strategien verfolgen sie dabei?

Das Internet und die digitalen Medien haben das klassische Informationsgeschehen revolutioniert. Athleten, Vereine, Verbände, aber auch Parteien, Unternehmen und andere Organisationen sind nunmehr nicht länger auf traditionellen Journalismus oder kostspielige Werbemaßnahmen angewiesen, sondern können selbst unmittelbar mit den für sie relevanten Bezugsgruppen kommunizieren. Als die ersten Klubs und Sportler Social Media für sich entdeckten, ging es primär um Fankontakt und -bindung. Inzwischen sind die Absichten strategischer ausgerichtet und verfolgen die Ziele Markenpflege und Monetarisierung. Sportler mit einer großen Zahl an Freunden und Followern in sozialen Netzwerken sind für Sponsoren attraktive Werbeträger. Klubs nutzen digitale Medien insbesondere, um Fans in die Arenen zu locken, Merchandising zu betreiben, die eigene Marke zu positionieren – im Fußball werden diese Ziele sehr kompetitiv global verfolgt.

Wie hat Social Media die Vermarktungsmöglichkeiten von Sportlern und Vereinen verändert?

Soziale Medien sind nur eine Möglichkeit, sich als Athlet oder Klub bekannt zu machen. Im Kommunikationsmix sind sie von besonderer Bedeutung, weil Sportler und Klub Exklusivität bieten können. Das Foto aus der Kabine, ein Gruß aus dem Urlaub, eine Videobotschaft zwischendurch – diese Nähe ist ein Vorteil, den insbesondere Fußballprofis und -klubs zu nutzen wissen. Mit rund 107 Millionen Anhängern auf Facebook ist Weltfußballer Cristiano Ronaldo absolute Spitze – schaut man sich die Inhalte seines Profils an, sehe ich Werbung für Uhren, Bekleidung und seine eigene Kollektion. Es geht wenig um Sport. Ich persönlich wundere mich, dass das nicht mehr Menschen erkennen und sich von ihm abwenden.

Wie stark ist die Interaktion über Social Media mit Fans/Followern?

Interaktion findet in den oberen Ligen kaum statt, weil die Zahl der Reaktionen so groß ist, dass es kaum noch moderiert werden kann. In sportlichen Krisenzeiten laden Fans ihren Frust gern als Social Media-Kommentare ab. Die Klubs lassen sich auf diese Diskussion selten ein: Denn wer verliert, hat keine Argumente. Was die Krisenkommunikation betrifft, gibt es auf jeden Fall noch Potenzial. Das zeigen auch unsere Untersuchungsergebnisse. Einzelsportler überlassen die Kommunikation zunehmend Agenturen, teilweise auch Beratern und Freunden. Interaktion gibt es auch hier kaum. Ausnahmen sind aber beispielsweise Thomas Müller und Bastian Schweinsteiger, sie pflegen zumindest eine persönliche Kommunikation.

Welche Auffälligkeiten haben sich bisher aus Ihren Untersuchungen zum Thema Social Media im Sport ergeben?

Überraschend finde ich, dass große Sportverbände im Rahmen von Großereignissen gar nicht kommunizieren. Verwunderlich ist außerdem, dass Verbände und Vereine die Möglichkeiten der Krisenkommunikation, die insbesondere bei Sozialen Medien zum Tragen kommen, ungenutzt lassen. Der Fan von heute möchte nicht als „Cash Cow“ gesehen werden, die den Stars Millionengehälter ermöglicht, sondern persönlich anerkannt und ernst genommen werden. Aktuell bereiten Ultra-Gruppierungen mehreren deutschen Fußballklubs Kopfzerbrechen, da sie in der Fanszene Einfluss haben und mehr Mitbestimmung im Klub anstreben. Auch diesen Dialog öffentlich zu führen, erscheint mir wichtig.

Aus welchen Bereichen kommen die Teilnehmer und Referenten beim Social Media and Sports Day Ende Mai?

Ein Hauptaugenmerk liegt auf der Verbindung von Wissenschaft und Praxis. Als Teilnehmer zugesagt haben die Geschäftsführer Mario Leo (RESULT Sports), Robert Brehm (fair-sport) und Christian Olgemöller (kaliber5). Kaliber5 etwa gestaltet die digitale Kommunikation von Mario Götze, Marco Reus, Toni Kroos und Benedikt Höwedes. Rechtsanwalt Prof. Dr. Ralf Kitzberger wird darüber referieren, wie sich bekannte Sportler juristisch gegen unliebsame Darstellungen in sozialen Medien wehren können. Und Jens Behler, Referent Online-Kommunikation beim Deutschen Olympischen Sportbund, wird von seiner Arbeit während und fernab der Olympischen Spiele berichten. Hinzu kommen wissenschaftliche Vorträge namhafter Referentinnen und Referenten aus dem In- und Ausland.