Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2015: Alumni Tübingen
Vom Papageienzüchter zum TV-Star
Interview mit Dr. Matthias Reinschmidt
„Menschen, Tiere & Doktoren“, „Papageien, Palmen & Co“ oder „hundkatzemaus“: Dr. Matthias Reinschmidt hat als Zoodirektor des Loro Parques in über 400 TV-Sendungen mitgewirkt. An der Universität Tübingen hat er von 1986 bis 1995 Biologie studiert und war der erste Wissenschaftler, der in Deutschland den Titel Dr. biol. anim. (Doktor der Tierbiologie) führen durfte. Mareike Manzke hat ihn für Uni Tübingen aktuell interviewt.
Sie werden oft als „Papageienpapst“ bezeichnet. Wann begann Ihre Faszination für diese Tiere?
Schon mit acht Jahren hatte ich mein erstes Wellensittich-Pärchen. Daraus hat sich eine florierende Zucht entwickelt. Mit der Zeit kamen größere Sittiche und dann schließlich auch die ersten Großpapageien hinzu. Während meines Studiums in Tübingen hatte ich zuhause schon etwa 20 bis 30 Großpapageien. Deshalb habe ich dann auch das Thema meiner Diplomarbeit entsprechend gewählt: Ich untersuchte die Brutbiologie der Tucumán-Amazone im Zoo Karlsruhe. Dadurch bekam ich noch vor meinem Abschluss eine Redakteursstelle bei der Zeitschrift „PAPAGEIEN“ angeboten. Fast acht Jahre arbeitete ich dafür im Arndt-Verlag in Bretten, bevor ich das Angebot aus dem Loro Parque auf Teneriffa bekam, die dortige Papageienkollektion zu managen. Diese umfasst 350 Papageienarten und -Unterarten in etwa 4.000 Exemplaren und ist damit die weltgrößte Sammlung. So ein Angebot erhält man einmal im Leben und ich habe sofort zugegriffen. Schon nach drei Monaten wurde ich Kurator und im Jahr 2010 dann Zoologischer Direktor des gesamten Parks.
Sie haben vom 1986 bis 1995 an der Universität Tübingen Biologie studiert, welche Erinnerungen verbinden Sie mit dieser Zeit?
Meine Studienzeit in Tübingen habe ich in guter Erinnerung, wenngleich ich nur wenige Wochenenden in der Studentenstadt verbracht habe, da ich meist am Freitagnachmittag in meine badische Heimat fuhr, um bei meinen Papageien zu sein. Besondere Erinnerungen habe ich an Professor Dr. Erwin Kulzer, dessen Zooexkursionen nach Nürnberg, Stuttgart und Zürich ich alle begeistert mitgemacht habe. Bei Professor Dr. Klaus Schmidt-König habe ich dann die Diplom-Arbeit geschrieben, er hatte sich dankenswerterweise bereit erklärt, diesen „papageienverrückten“ Studenten zu betreuen. Dafür bin ich sehr dankbar.
Papageien sind prächtig anzusehen, so manchem Tierliebhaber juckt es da in den Fingern, selbst einen zu besitzen. Ist eine Privathaltung überhaupt sinnvoll? Und wenn ja, was muss man dabei beachten?
Die Papageienhaltung hat sich grundlegend verändert. In den 80er bis 90er Jahren war es üblich, sich einen Papagei im Zoogeschäft zu kaufen, um ihm das Sprechen beizubringen. Damals wurden noch jedes Jahr hunderttausende wild gefangene Papageien aus Südamerika, Afrika oder Asien nach Deutschland importiert. Damit war viel Tierleid verbunden – diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Erst das verstärkte Auftreten der Vogelgrippe bewog die EU im Jahr 2006, ein Importverbot für Wildvögel zu erlassen. Damit kam der Papageienhandel mit Wildfängen zumindest in Europa weitgehend zum Erliegen. Somit stehen heute für die Privathaltung nur noch gezüchtete Papageien zur Verfügung, sie sind auch wesentlich besser dafür geeignet. Grundsätzlich muss man bei einer Papageienhaltung in erster Linie die Bedürfnisse der Tiere beachten, dazu gehören neben der mindestens paarweisen Haltung auch eine großzügige Flugvoliere mit Beschäftigungsmöglichkeiten sowie eine ausgewogene Ernährung. Hält man sich daran, kann man an Papageien viele Jahrzehnte Freude haben.
In gewissem Sinne gehört Öffentlichkeitsarbeit zum Beruf eines Zoodirektors, Ihre TV-Präsenz in über 400 Sendungen ist aber eine absolute Ausnahme. Wie kam es dazu?
Ich bin in die Rolle hineingewachsen. Ab 2006 war der Loro Parque in der VOX-Serie „Menschen, Tiere & Doktoren“ vertreten. Sie lief über viele Jahre und in den etwa 300 Sendungen präsentierte ich die Tiergeschichten zusammen mit meinen Tierarztkollegen. Einen großen Bekanntheitssprung erlebte der Zoo durch die 40 Sendungen der ARD-Serie „Papageien, Palmen & Co“ im Jahr 2010, die inzwischen 14 mal durch alle dritten Programme lief und mehrfach wiederholt wurde – gerade läuft sie aktuell wieder in der ARD. In erster Linie aus diesen vielfachen Wiederholungen resultierte eine dauerhafte TV-Präsenz. Aktuell steht gerade meine dritte 90-minütige Naturdokumentation über bedrohte Tierarten zusammen mit Frank Elstner an. Nach den blauen Papageien in Brasilien und den Orang-Utans auf Borneo führt uns unsere Reise in diesem Jahr nach Australien zu den Koalas, Kängurus und Kakadus. Grundsätzlich macht es mir sehr viel Spaß, Menschen Tier-, Arten- und Naturschutz näher zu bringen und das Medium TV bietet dazu eine hervorragende Möglichkeit. Der Loro Parque hat pro Jahr bis zu 1,5 Millionen Besucher, eine solche Zuschaueranzahl kann man oft schon bei einer einzigen Sendung erreichen.
Sonne, Strand und mehrere tausend Papageien: Die Arbeitsbedingungen im Loro Parque auf Teneriffa klingen traumhaft. Dennoch haben Sie sich entschlossen, Ihren Job als Zoodirektor dort an den Nagel zu hängen und sich stattdessen um die Leitung des Karlsruher Zoos zu bewerben. Was waren Ihre Gründe dafür?
Ich war nie der Auswanderertyp. Aber als ich dann einen Job im renommierten Loro Parque angeboten bekommen habe, konnte ich einfach nicht widerstehen. Es hat sich gelohnt, denn in dieser Zeit konnte ich mich beruflich enorm weiterentwickeln und dort auch meine Doktorarbeit schreiben. Dafür bin ich sehr dankbar. Da mein Sohn im Herbst eingeschult wird, kam die Möglichkeit, im Zoo Karlsruhe als Direktor zu beginnen, zum perfekten Zeitpunkt. Außerdem bringt es mich als sehr heimatverbundenen Menschen wieder zurück nach Karlsruhe, wo auch meine zoologischen Wurzeln liegen, denn noch vor meinem Studium habe ich hier ein halbjähriges Praktikum als Tierpfleger absolviert und dabei viel gelernt.
Haben Sie einen Lieblingspapagei?
Mir gefallen alle Papageienarten, jede einzelne hat ihren speziellen Reiz. Während viele Papageienarten durch ihre wunderbaren Farben glänzen, fasziniert mich vor allem die Intelligenz der großen Papageien, die von manchen Wissenschaftlern inzwischen auf die gleiche Ebene wie die der Menschenaffen gestellt wird. Seit Januar 2015 hat der Loro Parque eine ornithologische Forschungsstelle des Max-Planck-Instituts. Wir werden mit Sicherheit in den nächsten Jahren von den Ergebnissen, wozu Papageien alles fähig sind, überrascht sein. Persönlich schlägt mein Herz ganz besonders für die großen schwarzen Palmkakadus. Ich habe einige von Hand aufgezogen und trotz ihres verhältnismäßig riesigen und kräftigen Schnabels gehen sie immer sehr zärtlich mit ihrem Betreuer um. Wenn mir ein solcher Vogel dann ganz vertraut auf der Hand sitzt, bewegt mich das sehr.