Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2015: Forschung

Germanistik global: Priscilla Layne bringt Studierenden postkoloniale Literatur näher

Gastaufenthalt im Rahmen des Programms „Teach@Tübingen“

Sie ist Germanistin, Afro-Amerikanerin und Expertin für postkoloniale Literatur. Professorin Dr. Priscilla Layne ist derzeit Gastdozentin am Deutschen Seminar der Universität Tübingen und fühlt sich nach eigenen Worten sehr wohl in Tübingen: „Wenn ich irgendwo bin, wo sich das Leben um die Uni dreht, dann bin ich zuhause“, sagt die US-Amerikanerin, die regulär an der University of North Carolina in Chapel Hill lehrt. Im Rahmen des Programms „Teach@Tübingen“, das aus Mitteln der Exzellenzinitiative finanziert wird, ist es Professorin Frauke Berndt gelungen, die Germanistin für das laufende Sommersemester nach Deutschland zu holen.

Die Unterdrückten, an den Rand Gedrängten, die Ausnahmeerscheinungen in Literatur, Musik und Film sind Laynes großes Thema. Sie hat zum Fassbinder-Film „Whity“ publiziert, zur afro-deutschen Rapperin Lisi oder zu Marie Nejar, einer heute weitgehend vergessenen schwarzen Sängerin, die im Nachkriegsdeutschland zum Kinderstar avancierte. Für ihr aktuelles Seminar mit Tübinger Master-Studierenden hat Layne Texte ausgegraben, deren Existenz in der germanistischen Forschung wahrscheinlich nur eine Handvoll Experten bekannt ist. Dualla Misipos Erzählung „Der Junge aus Duala“ ist darunter. Das autobiographisch gefärbte Buch verknüpft in verschiedenen Erzählsträngen kolonialen Terror in Kamerun, das Kaiserreich, die Weimarer Republik und vorkoloniale kamerunische Epen miteinander. Misipo kam 1912 aus der damaligen deutschen Kolonie Kamerun nach Deutschland, wo er bis zur Machtübernahme der Nazis blieb. Ziel des Programms Teach@Tübingen ist es, die Internationalisierung der Universität voran zu bringen. Konsequenterweise findet Laynes Lehrveranstaltung komplett auf Englisch statt.

Für ihre Studierenden ist die US-Amerikanerin voll des Lobes. „Ich bin immer wieder positiv überrascht“, sagt die Germanistin: „Vor allem die Fähigkeit der Studierenden zum `Close Reading´, also zur intensiven Auseinandersetzung mit einem Text, finde ich sehr beeindruckend.“ Dabei räumt sie ein, den Studierenden ein durchaus anspruchsvolles Lektürepensum aufzubürden: „Manchmal ist es ein bisschen viel, aber die Studierenden haben sich noch nie beschwert.“

Fast ein Jahr vor Laynes Start in Tübingen haben Professorin Berndt und ihre Mitarbeiter begonnen, den Besuch vorzubereiten. Und so stand bei der Ankunft der Gastdozentin nicht nur eine Wohnung bereit, sondern auch ein Kita-Platz für ihren knapp zweijährigen Sohn. „Ich wurde im Deutschen Seminar mit Kuchen empfangen und mit Spielzeug für meinen Sohn“, berichtet Layne. Alle hätten sich große Mühe gegeben, ihr den Einstieg zu erleichtern.

Die US-Amerikanerin ist in Chicago aufgewachsen und hat nach der High School dort auch studiert. 2001 kam sie für ein Jahr als Austauschstudentin an die Freie Universität (FU) Berlin. Nach dem B.A. in Komparatistik, den sie an der University of Chicago erwarb, wechselte Layne nach Berkeley und machte an der University of California zunächst ihren Master in Germanistik, 2011 dann ihren Ph.D. mit einer Arbeit zum Thema „Black Voices, German Rebels: Acts of Masculinity in Postwar German Culture“. Nach der Promotion wechselte sie nach Chapel Hill, wo sie derzeit als Assistant Professor arbeitet.

Vor allem Berlin kennt Layne sehr gut. Nach ihrem Austauschjahr kehrte sie mehrfach in die deutsche Hauptstadt zurück, vor allem für Studienaufenthalte an der FU und an der Humboldt Universität. Inzwischen hat die Germanistin aber auch die Vorzüge Tübingens schätzen gelernt: „Ich liebe Berlin, aber es ist doch sehr schmutzig. Das Problem hat man in Tübingen nicht.“ Fragt man sie nach ihren Lieblingsplätzen nennt sie nicht die Neckarinsel und auch nicht die Altstadt. Priscilla Layne ist ein erklärter Fan der Tübinger UB: “Die Bibliothek ist technisch wirklich auf dem neuesten Stand. Ich mag die Terminals, an denen man auschecken und Bücher zurückgeben kann. So etwas kenne ich nicht mal aus den Vereinigten Staaten.“

Karl G. Rijkhoek