Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2016: Uni intern
Die technische Seite der Archäologischen Wissenschaften
Ausbildungsberuf Archäotechniker
Fotografieren, Vermessen, 3-D-Modelle erstellen: Die technische Seite der Archäologie ist Sarah Rudolfs Metier. Rudolf arbeitet als Technikerin für Archäologische Wissenschaften, kurz Archäotechnikerin, beim Ausgrabungsprojekt Vogelherd der Universität Tübingen im Lonetal im Kreis Heidenheim auf der Schwäbischen Alb. Sie unterstützt die dort arbeitenden Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und Studierenden bei der Auswertung und Sicherung ihrer Grabungsergebnisse. Die Ausbildung dazu hat Sarah Rudolfs am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität gemacht.
Die Vergangenheit hat Rudolf schon immer fasziniert: „Ich bin schon als Kind gerne in alten Burgen, Schlössern und Ruinen herumgeklettert, die ich mit meinen Eltern besichtigt habe.“ Als sie nach der Mittleren Reife und einem Freiwilligen Sozialen Jahr nach einer passenden Ausbildung suchte, stieß sie über ein Zeitungsinserat auf die Ausbildung zur Archäotechnikerin.
In den folgenden zwei Jahren wurde sie gezielt in den praktischen Aspekten der modernen archäologischen Feldarbeit geschult, vor allem in Vermessungstechnik und Fotografie und anderen Methoden der Funddokumentation. Die Ausbildung wird mit einer mündlichen und einer praktischen Prüfung sowie einer Hausarbeit zu einem Teilbereich der Archäotechnik abgeschlossen.
Der größte Teil der Ausbildung findet bei Ausgrabungsprojekten der Universität Tübingen statt, genauer gesagt, der Abteilung für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie des Instituts für Ur-und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters. „Das ist viel Learning by Doing“, sagt Sarah Rudolf.
Dabei wird von den Auszubildenden eine gewisse Freude am Reisen erwartet: Rudolf hat schon bei Ausgrabungen unter anderem auf der Schwäbischen Alb, in Frankreich und in den Vereinigten Arabischen Emiraten mitgearbeitet.
Die Abteilung für Ältere Urgeschichte bietet die Ausbildung seit mehr als 15 Jahren an, Interessierte melden sich jedes Jahr. Der Forschungsschwerpunkt liegt, der ausbildenden Abteilung entsprechend, auf der Altsteinzeit. „Man ist viel in Höhlen unterwegs“, bestätigt Rudolf lachend. Die Techniken, die sie dabei erlernt hat, finden aber auch in anderen archäologischen Disziplinen Anwendung. Das ist im späteren Berufsalltag besonders bei Anstellungen in den Landesdenkmalämtern von Nutzen: Die Denkmalpfleger der Bundesländer kümmern sich vorwiegend um Rettungsgrabungen, etwa vor Baumaßnahmen, und decken daher ein breites Spektrum von Epochen und Fundkategorien ab.
Außerhalb der Grabungssaison eignen sich die Auszubildenden auch theoretische Kenntnisse der Archäologie an, indem sie an Seminaren des Instituts etwa zu Osteologie, Geologie oder archäologischen Datierungsmethoden teilnehmen. Von den Studierenden der Archäologie unterscheiden sich die Archäotechniker im Wesentlichen dadurch, dass vor allem der Umgang mit technischen Geräten erlernt wird, erklärt Alexander Janas, Technischer Mitarbeiter an der Abteilung für Ältere Urgeschichte und zur Zeit für die Auszubildenden zuständig. In der Frühzeit der Archäologie hielten studierte Herren ihre Grabungserkenntnisse in Tagebüchern und Zeichnungen fest, doch heute findet der größte Teil der archäologischen Dokumentation am Computer statt. Sehr wichtig ist dabei zum Beispiel der Umgang mit dem Tachymeter, einem Gerät aus dem Bereich der Vermessungstechnik. Mit ihrer Hilfe kann die genaue Position archäologischer Funde und ganzer Grabungsstellen für die Nachwelt festgehalten werden. Mittels moderner Software kann man diese später in hochauflösenden 3-D-Modellen darstellen.
Genau dieser Aspekt der Archäologie ist es, der Sarah Rudolf an ihrem Beruf fasziniert. Sie genießt die Arbeitsatmosphäre auch an ihrem derzeitigen Arbeitsplatz am Vogelherd, wo sie mit zwei fertigen Archäologen und zwei Studentinnen zusammenarbeitet. Ein Studium der Archäologie kam für sie allerdings nie in Frage: „Ich möchte lieber auf Ausgrabungen arbeiten als Artikel schreiben“, sagt sie.
Nach ihrem Abschluss hat Rudolf eine Weiterbildung zur Grabungstechnikerin beim Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg gemacht, denn der Abschluss als Archäotechniker wird staatlich nicht anerkannt. „Das ist ein großer Minuspunkt der Ausbildung“, sagt Rudolf. Arbeit finden ausgebildete Archäo- und Grabungstechnikerinnen und -techniker entweder bei den Landesdenkmalämtern oder an der Universität, häufig mit Kurzzeitverträgen. Festanstellungen am Institut sind rar. Sarah Rudolf hofft, trotz der prekären Beschäftigungslage weiter in ihrem Beruf arbeiten zu können.
Luise Loges